Darum geht’s mir
Ich will dazu beitragen, dass Menschen effizienter, kreativer, sinnerfüllter und mit mehr Teamgeist, Erfolgserlebnissen und Gaudi zusammenarbeiten. Das sind die Ziele des Positiven Führens, so wie ich es verstehe, in Anlehnung an das PERMA-Modell der Positiven Psychologie nach Martin Seligman und anderen.
Das mache ich
Ich gestalte Vorträge, Trainings, Seminare, Workshops, zu den Themen Führung, Kooperation/Konflikt, Kommunikation und Ressourcenmanagement. Am allerallerallerliebsten aber zum Positiven Führen! Ich arbeite mit Führenden, Teams, Organisationen. Auf (hoch)deutsch, englisch, spanisch, französisch. Damit Sie auf Ihre Gipfel kommen – und sicher zurück ins Tal! Zu meinen Kunden zählen Start-Ups, Mittelständler und Dax-Konzerne. Unter anderem in öffentlichen Einrichtungen, im Medien- und Verlagswesen, in Kliniken und in der fertigenden Industrie.
So mache ich’s
Ich stehe für Stärkenfokus statt Tanz ums Problem, Ressourcen feiern statt Probleme beklagen. Ich arbeite viel mit handlungsorientierten Methoden (Fallsimulationen, Kleingruppenaufgaben, co-kreative Verfahren). Man kann (und soll) bei mir immer echte Fragen aus dem echten (Berufs)leben in den Seminarraum mitbringen. Denn die Arbeit mit diesen Anliegen ist wertvoller als jede Theorie und jedes Modell. Mir liegt viel an enger und langfristiger Zusammenarbeit, deshalb sind einzelne Vorträge, Coachings oder Workshops bei mir immer Teil eines Beratungsprozesses. Ach ja, und Humor gibt’s auch – optional und skalierbar.
Und das mache ich nicht
Verkaufs- oder Vertriebs-Trainings biete ich nicht an. Auch für Schnelllösungen à la „zwei Tage und dann nie wieder“ bin ich nicht der Richtige. Beraterlingo, Fachchinesisch? Falsche Baustelle.
Mein Buch
… „Positiv Führen“ erscheint Ende 2019 im Wiley-Verlag. Nähere Informationen demnächst hier. Wer sich für ein Probekapitel o.ä. interessiert: Gerne Mail an buch[at]positiv[minus]fuehren[dot]com
Mein Podcast
… „Positiv Führen“ startet bald hier von dieser Seite.
Meine Webinare
… zum Thema „Positiv Führen“ sind auch ganz bald praktisch fast schon so gut wie demnächst fertig.
Erfolgreicher, effizienter, resilienter, sinnerfüllter und mit mehr Freude führen, mich selbst, meine Mitarbeiter und meine Organisation: Darum geht es in den Methoden des Positiven Führens. Die Methoden und Praktiken der Positiven Leadership schaffen, im Unterschied zu den meisten anderen Führungstechniken, messbar positive Effekte: Mehr Mitarbeitermotivation, geringere Krankheits- und Ausfallzeiten, höhere Kundenzufriedenheitswerte sowie höhere Erträge sind nur einige der Folgen von Positiver Leadership, die seit Ende der neunziger Jahre durch immer mehr wissenschaftliche Studien in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen belegt werden können. Die Methoden sind gleichzeitig leicht erlern- und trainierbar, lassen sich erfahrungsgemäß einfach und schnell im Arbeitsalltag für die Führung von Teams und Organisationen einbauen.
Eine neue Seminarstaffel dazu biete ich ab sofort beim VDI an, die Workshops sind vor allem, aber nicht nur für technische Fach- und Führungskräfte gedacht. Diese Seminare sind natürlich auch als Inhouse-Workshops buchbar. Sprechen Sie mich bei Interesse gerne an! Hier der Link: https://www.vdi-wissensforum.de/management-fuer-ingenieure/positive-leadership/
Geschafft: Der Dienstag, 2. Juli ist der 183. Tag des Jahres 2019. 50,14% des Arbeitsjahres sind damit rum – das sind, wenn ich mich nicht verrechnet habe, mehr als die Hälfte. Das heißt: Bergfest!
Anlass für einen Rückblick, für Sie selbst, für Ihr Team, für Ihre Organisation. Hier ein paar Anregungen dazu – wie immer bei mir aus der Perspektive der Positiven Leadership:
– Was hat gut geklappt, bei mir, bei uns im Team, in unserer Organisation? Was sind Erfolge, Errungenschaften, Fortschritte, auf die ich, auf die wir stolz sein können?
– Was kann ich besonders gut, was können wir besonders gut? Welche meiner Stärken kann ich bei den aktuellen Herausforderungen besonders gut brauchen? Welche unserer Stärken helfen uns derzeit besonders? Wie können diese Stärken, Talente, Kompetenzen noch stärker, auf neue Art in Wirkung gebracht werden, in welchen Bereichen, mit wem?
– Wovon sollte es in meinem, in unserem Alltag noch mehr geben? Was kommt zu kurz, was müsste größer, stärker, wichtiger werden?
– Und was kann dafür weg? Was hat sich überlebt, lohnt nicht mehr den Einsatz, kann vielleicht auch wer anders machen?
Viel Erfolg und Spaß beim Sinnieren! Und vor allem: viel Erfolg, Kreativität, Spaß und Sinnerfüllung für den Rest von 2019. Wenn ich Sie dabei unterstützen kann, melden Sie sich gerne!
„Was ist für Sie eine gute Frage?“, will ich von den Teilnehmern eines Führungskräfteseminars wissen. Es handelt sich ausnahmslos um sehr erfahrene Chefinnen und Chefs, die seit vielen Jahren, teils mehreren Jahrzehnten Mitarbeiter einstellen, anleiten, führen. Da meldet sich ein Teilnehmer und sagt: „Eine Frage ist dann gut, wenn ich vorher schon die Antwort darauf kenne. Ich bin ja schließlich Führungskraft!“ Aus meiner Sicht ist diese Antwort typisch für das traditionelle Selbstverständnis vieler Führungskräfte: „Ich muss alles besser wissen als meine Mitarbeiter. Ich muss meinen Mitarbeitern immer sagen, wo es lang geht. Offen diskutieren, offene Fragen stellen, mal nicht wissen, wo die Reise hingeht – das sind Zeichen von Führungsschwäche.“
„Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum? Wer nichts fragt, bleibt dumm.“ So geht das Sesamstraßenlied. Und niemand frägt so gut wie Kinder im Sesamstraßenalter, so herrlich unbefangen, unbefangen, subversiv: „Papa, warum ist die Erde rund? Papa, wie macht man Kinder? Papa, ist der Pabst eigentlich ein Mensch oder ein Tier?“ Solche Fragen können nur Kinder stellen, leider.
Journalisten, deren Job es ja ist, Wahrheit herauszufinden, bekommen von Anfang an eingebimst, die W-Fragen zu stellen: Wer? Wo? Wann? Warum? Erst dann, wenn ein Text möglichst alle W-Fragen beantwortet, ist er für den Druck geeignet, auch wenn es nur um den Radlunfall in der Bahnhofstraße geht.
Fragen dienen also einerseits dazu, Informationen zu gewinnen. Und andererseits schaffen Fragen – zumindest gute – auch etwas Neues. Denn in jeder ernst gemeinten Frage steckt das Angebot, die Dinge doch auch mal ganz anders als bisher zu sehen.
Das Ausrufezeichen beendet, legt fest. Das Fragezeichen beginnt, weitet, verändert. Wenn wir als Führende unseren Mitarbeitern Fragen stellen, dann:
Aber natürlich nur, wenn wir a) Fragen stellen, auf die wir die Antwort noch nicht kennen und b) wenn uns die Antworten überhaupt interessieren.
Das Fragen ist natürlich keine Technik, die in der Positiven Psychologie erfunden wurde. In Beratung, Therapie und Coaching ist das Fragen seit Jahrzehnten gängige Praxis. Vor allem die so genannten Systemiker, also jene Schule, die den Fokus auf Ressourcen und Lösungen legt statt immer nur auf Probleme und die auch den Kontext, das Umfeld, die Beziehungen des Einzelnen im Blick hat, legen seit jeher großen Wert auf gutes Fragehandwerk.
Eine Führungskraft, die fragt, zeigt Neugier. Macht vor, dass keiner alles wissen kann. Lädt dazu ein, die Welt auch mal auf den Kopf zu stellen. Hier ein paar Tipps zu unterschiedlichen Arten des Fragens für Ihren Umgang mit Teams und einzelnen Mitarbeitern:
Je verzweifelter die Lage bei Teams oder Einzelnen, desto wichtiger, ihn oder sie aus dem Problemsumpf heraus und in das Möglichkeitsdenken hineinzubringen. Zum Beispiel mit Fragen nach Ressourcen, Stärken, Kompetenzen:
Was können Sie besonders gut?
Was sind Ihre Stärken/die Stärken des Teams?
Was genau hat dabei geholfen, Projekt XY so schnell, so präzise, so erfolgreich abzuschließen?
In welchen Momenten tritt das Problem in der Abteilung nicht oder kaum auf?
In unserem Gehirn wird das Belohnungszentrum mitsamt seinen Glückshormonen aktiviert, wenn wir über Hin-zu-Ziele in den Blick nehmen, statt immer nur von Weg-von-Zielen zu sprechen:
Wenn es komplett nach Ihnen ginge, was müsste Ziel der Arbeitsgruppe XY sein?
Wie sieht das Team nach einer erfolgreichen Umgestaltung aus? Und woran wird der Unterschied zu erkennen sein?
Vor allem wenn es in Veränderungsprozessen vermeintlich wenig weitergeht, hilft Differenzierung, die Wahrnehmung von Grauschattierungen statt reinem Schwarz-Weiß-Denken:
Wer im Team ist mit der aktuellen Lage am zufriedensten?
Was hat sich verändert, seitdem wir mit Programm X, Verfahren Y oder Schema Z arbeiten?
Zu wie viel Prozent steht Kollege Meier denn wirklich vor der Kündigung?
Wie würden Sie auf einer Skala von 0 – schlecht – bis 10 – super – die Stimmung, die Klarheit der einzelnen Zuständigkeiten, die Klarheit der Teamziele etc. beurteilen?
Wenn Optionen hin- und hergewälzt werden und irgendwann mal alle Optionen auf sämtliche Vor- und Nachteile abgeklopft sind, kann man mit Aktionsfragen den Weg ins Handeln verkürzen:
Wie sieht der nächste kleine Schritt aus?
Was können wir jetzt ganz konkret, am besten noch heute, tun, um…?
Besonders in scheinbar festgefahrenen Situationen kann das so genannte zirkuläre Fragen Erweiterungsmöglichkeiten bieten, da es neue Perspektiven eröffnen kann:
Wie denkt Abteilung X über das Problem bei Ihnen?
Wer leidet am meisten unter dem Konflikt zwischen X und Y?
Woran würden Kunden, Lieferanten, Mitbewerber o.ä. merken, dass sich an diesem Punkt etwas verändert hat?
Die so genannten paradoxen oder Verschlimmerungsfragen laden zu einem – manchmal irritierenden – Perspektivwechsel ein. Sie können hochwirksam sein, sollten aber gut eingeführt werden, zum Beispiel mit einer Vorbemerkung in dieser oder ähnlicher Art: „Jetzt mal eine Frage, die Ihnen vielleicht sehr merkwürdig vorkommen mag…“
Was müsste passieren, damit die Zusammenarbeit in Ihrer Abteilung noch schlechter wird?
Was würde dem Team fehlen, wenn das Problem plötzlich weg wäre?
Der so genannte Öko-Check kann gerade beim Erarbeiten von Lösungswegen sinnvoll sein, um diese Ansätze wetterfest gegen innere und äußere Einwände, gegen die Anfechtungen des Alltags zu gestalten:
Wie wird Abteilung XY von dieser Veränderung betroffen sein?
Wer oder was könnte einer Lösung des Problems im Weg stehen?
Wer oder was könnte bei der Überwindung dieses Hindernisses hilfreich sein?
Ein paar Tipps:
Und die wichtigste aller Kommunikationstechniken? Auf die komme ich demnächst zu sprechen…
Aus meinem Buch „Positiv führen für Dummies“, das voraussichtlich Ende 2019 bei Wiley erscheint. Interessiert an einem Vorabdruck und/oder weiteren Informationen dazu? Schreiben Sie mir gerne an buch@positiv-fuehren.de
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins…
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen…
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken… Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will…“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch „The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Foto: Marc Wittkowski, www.marcwittkowski.com
„It gschimpfad isch gnua globad!“ – „Nicht geschimpft ist genug gelobt“: Als Allgäuer habe ich diesen Spruch in meiner Kindheit und Jugend genügend gehört. Und mehr oder weniger kennen wir ihn wahrscheinlich alle: Wir finden uns, unsere Kinder, unsere Kollegen hier zu dick, da zu laut, dort zu langsam etc. Sprich: Wir sehen in uns und in anderen schnell die Defizite, die Mängel, die Probleme. Und tun uns viel schwerer damit, Stärken, Kompetenzen, Leidenschaften zu erkennen, zu benennen, zu leben.
Ich will das ändern.
Als Experte für Positive Leadership unterstütze ich Führende, Teams und Organisationen. Mit Coachings, Trainings, Vorträgen, Teamentwicklungen, Konfliktklärungen. Mit Haltung und Methoden der Positiven Psychologie will ich dazu beitragen, dass Einzelne und Gruppen mehr Erfolg, mehr Kreativität, mehr Sinnhaftigkeit und mehr Freude in der Arbeit erleben.
Ich war früher selbst Führungskraft in der Medienbranche, habe in meist sehr defizitorientierten Kulturen gearbeitet und geführt. Über meine eigenen Schwächen und die meiner Mitarbeiter wusste ich stets gut Bescheid. Aber nach Kompetenzen und Leidenschaften habe ich nicht geführt und wurde ich nicht geführt. Anerkennung? „It gschimpfad isch gnua globad!“ Dadurch habe ich selbst erfahren, wie wichtig Anerkennung, Lob und Stärkenfokus sind, für Mitarbeiter, Führende und Unternehmen.
Ich bin studierter Politikwissenschaftler, daher interessiere ich mich schon auch für das große Ganze, möchte meinen kleinen Beitrag leisten zu einer Welt, in der wirtschaftlicher Erfolg, soziale Gerechtigkeit und klimaschonender Umgang mit Ressourcen zusammengedacht statt gegeneinander ausgespielt werden.
Als leidenschaftlicher (Ski-)Bergsteiger bin ich so häufig wie möglich draußen, gerne mit Auftraggebern und Kunden, gerne mit Familie – und gerne auch mal allein. Mich selbst spüren, in Wind und Wetter, herausfordernde Touren meistern, allein oder mit vertrauten Kameraden, Grenzen erfahren – und rechtzeitig umkehren, wenn es zu heikel, zu spät oder einfach nur zu mühsam ist: All das schenken mir die Berge.
Ich lebe in einer (meist) fröhlichen Patchworkfamilie. Life und Work in Balance zu halten, zwischen Projekten, Familie, Sport und Kunden leistungsfähig, fröhlich und gesund zu bleiben, ist für mich eine tägliche Herausforderung, die gelegentlich auch gelingt 😉
Die wesentlichen Zahlen, Daten, Fakten über mich finden Sie hier in meinem Trainerprofil
CHRISTIAN THIELE
Positiv Führen
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Mehr delegieren. Fünf Kilo abnehmen. Den Job wechseln. Häufiger ins Fitnessstudio. Eine Stunde früher heimkommen.
Neues Jahr, neues Glück? Viele von uns wollen zum Jahreswechsel wirklich, wirklich etwas ändern. Und stellen ein paar Wochen später frustriert fest: Hat nicht geklappt, wiedermal.
Das mit der Veränderung ist so eine Sache. Denn meistens hat es seinen guten Grund, warum wir ungern abgeben, ein paar Kilo zuviel auf den Rippen haben, den Job schon so lange (aus)halten, seltener Gast im Gym sind, lange arbeiten. Und das ist nicht nur Bequemlichkeit, nein: Wir tun die Dinge so lange und so lange so, wie wir sie tun, bis der Preis dafür zu hoch wird – und die Kosten der Veränderung übersteigt. Eine gute Methode, um das Verhältnis zwischen Nutzen und Preis von Veränderung herauszufinden, um vorher das mögliche Nachher einer Veränderung abzuklären: der Öko-Check. Also ein Abklopfen meines gesamten ökologischen Umfeldes auf die Kosten-Nutzen-Rechnung von Veränderung.
Ein paar Fragen dazu:
Und jetzt viel Spaß und Erfolg beim Delegieren, Abnehmen, Jobwechseln, Workouten, Früh heimkommen!
Es gibt Momente, in denen wir uns besonders klar, stark, sortiert und energievoll fühlen. Diese lassen sich für eine effektive und jederzeit abrufbare Technik des Selbstmanagements nutzen, den „Moment of Excellence“ oder die „Ankerübung“. In Momenten, in denen Sie sich gestresst, unklar, schlapp oder sonstwie nicht gut fühlen, in einer Konfliktsituation oder wenn Sie etwas vortragen müssen oder ähnliches, können Sie diese einfache, aber wirksame Mentaltechnik aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) einsetzen. Viele Spitzensportler nützen sie vor Wettkämpfen, auch Sie können sich damit in einen Zustand der Klarheit, Lösungsorientiertheit, Stärke bringen. Und das geht so:
Finden Sie einen „Moment of Excellence“
Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört 20-30 Minuten für sich alleine verbringen können. Nehmen Sie eine bequeme Sitzhaltung ein. Wenn Sie mögen, schließen Sie die Augen. Und erinnern Sie sich an drei Lebenssituationen, in denen Sie sich besonders stark, klar, kraftvoll gefühlt haben, in denen Sie vollen Zugang zu Ihren Stärken und Fähigkeiten hatten und dies spüren konnten. Das mag eine Bergtour sein, eine gut gelöste schwierige Aufgabe, ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch, nur als Beispiele. Vergegenwärtigen Sie sich diese drei schönen Situationen – und suchen Sie spontan die eine davon aus, in der Sie sich am allerbesten, am allerstärksten, am allerklarsten gefühlt haben.
Versuchen Sie, diese Situation mit allen Sinnen nachzuerleben, in sie in allen Einzelheiten nochmals einzutauchen: Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen, was fühlen Sie? Wie ist Ihre Körperhaltung? Wie fühlt sich Ihr Atem an?
Zoomen Sie sich quasi in den „Moment of Excellence“ hinein, in ganz groß, ganz bunt, kosten Sie ihn ganz intensiv aus, in vollen Zügen. Geben Sie diesem Moment ein kurzes Kennwort, eine Überschrift – und setzen Sie anschließend einen so genannten Separator: Öffnen Sie die Augen, trinken Sie ein Glas Wasser, gehen Sie ein paar Schritte oder ähnliches, kommen Sie wieder im Hier und Jetzt an.
Setzen Sie einen Anker
Unsere äußere Haltung, unsere Gestik und Mimik spiegelt immer unser inneres Erleben wieder. Äußere Reize lösen aber auch umgekehrt innere Zustände aus. Und das können Sie jetzt bewusst nutzen: Begeben Sie sich wieder in eine bequeme Haltung, schließen Sie, wenn Sie mögen, wieder die Augen – und rufen Sie sich über Ihr Kennwort Ihre Erfolgssituation wieder auf. Tauchen Sie mit allen Sinnen in den Moment ein, fühlen Sie die Kraft und Freude und Klarheit aus dieser „Alles läuft!“-Situation!
Finden Sie jetzt eine Geste oder Berührung, die zu diesem Erfolgsmoment passt und die Sie am besten jederzeit ausführen können, auch in einem Meeting, beim Autofahren o.ä., ohne dass sie anderen groß auffällt. Das ist der so genannte Anker! Spüren Sie, wie sich die Situation und die damit verbundene Kraft, Klarheit und Zuversicht durch Ihre Geste verstärkt, kosten Sie den Erfolgsmoment eine kurze Weile aus. Testen Sie, ob Sie durch eine leicht andere oder verstärkte Geste den Kraftzustand intensivieren können. Oder ob der Anker schon so perfekt für Sie passt.
Und setzen Sie wieder einen Separator: Öffnen Sie die Augen, nehmen Sie bewusst die Farben, die Töne, Gerüche, Geräusche um sich herum war, gehen Sie ein paar Schritte, schütteln Sie Ihre Glieder, gähnen Sie oder Ähnliches.
Testen Sie den Anker
Machen Sie es sich wieder bequem. Führen Sie Ihre gewählte Bewegung aus, und spüren Sie, wie die Kraft aus dem „Moment of Excellence“ zurückkommt! Spüren Sie der Situation mit allen Sinnen nach. Und setzen Sie erneut einen kurzen Separator, finden Sie wieder ins Hier und Jetzt.
Suchen Sie sich Zielsituationen
Das anstehende Telefonat mit dem Finanzamt, die nächste Begegnung mit dem Chef, das Kritikgespräch mit dem Mitarbeiter: Überlegen Sie sich drei Situationen in der nächsten Zeit, in denen Sie die Kraft und Freude aus Ihrem „Moment of Excellence“ nutzen wollen. Geben Sie jeder dieser drei Situationen ein kurzes Kennwort.
Versetzen Sie sich in die erste der drei Zielsituationen. Und setzen Sie nun Ihren Anker ein: Führen Sie Ihre „Erfolgsgeste“ oder -berührung aus, und stellen Sie sich vor, wie Sie all die Ressourcen aus Ihrem Moment of Excellence in die schwierige Situation hineintransferieren. Kosten Sie die Zielsituation aus, mit all der Kraft und Klarheit, die Sie über den Anker aufrufen können. Woran merken Sie, dass Ihr „Zauberring“ funktioniert? Woran merken es andere?
Setzen Sie wieder den Separator – und gehen Sie nach dem gleichen Verfahren die nächste Zielsituation durch. Und dann die dritte Zielsituation.
Üben Sie den Anker
Je häufiger Sie den Anker in Normalsituationen aufrufen, desto schneller und zuverlässiger steht er Ihnen in schwierigen Momenten zur Verfügung. Üben Sie daher die Technik drei Wochen lang täglich, am besten zu festgelegten Zeiten: beim Zähneputzen, vor dem Aussteigen aus dem Auto oder so. Manche Menschen schreiben sich sogar eine Erinnerung in den Terminkalender im Smartphone – sie finden sicher einen Umgang mit dem Anker, der für Sie passt.
Viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit Ihrem Anker!
Zum Weiterlesen, -klicken:
Eine Videoanleitung zum „Moment of Excellence“ finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=dy1bCI-FVv8
Neben anderen NLP-Methoden ist die Technik unter anderem hier beschrieben: Egon Sawizki: 30 Minuten NLP im Alltag. Gabal-Verlag (ca 8,90 Eur, hier zu bestellen in Ihrem Buchladen ums Eck: https://www.genialokal.de/Produkt/Egon-R-Sawizki/30-Minuten-NLP-im-Alltag_lid_16762713.html?storeID=adam)
Kaufen! Lesen!! Umsetzen!!! ;-) http://www.psychologie-heute.de/das-heft/aktuelle-ausgabe/detailansicht/news/konfliktfaehige_menschen_erleben_unterschiede_als_bereichernd/
aber weich zum Mensch: Mit dem Harvard-Konzept vom Krach zur Kooperation
Das Harvard-Konzept, entwickelt von den amerikanischen Juristen Roger Fisher und William L. Ury („Das Harvard-Konzept“, Campus-Verlag, 29,99 Eur), ist das vielleicht bekannteste Instrument der Konfliktbewältigung überhaupt. Später kam Bruce Patton hinzu. Ziel des Ansatzes: In Konfliktsituationen konstruktiv und friedlich zu einer Einigung zu kommen, von der möglichst alle Beteiligten etwas haben („Win-Win-Ergebnis“). Er beruht auf folgenden Prinzipien:
Für den spannenden Blog "Creating Corporate Cultures" der Bertelsmann-Stiftung durfte ich aufschreiben, was ich unter Positiver Leadership verstehe. Danke für das Interesse und die tolle Zusammenarbeit! Hier eine leicht überarbeitete Version des Beitrages:
Als ich vor einem guten Jahr erstmals begann, regelmäßig Kontaktlinsen zu tragen, tat ich mich wochenlang mit dem Einsetzen extrem schwer. Vor allem auf dem linken Auge, rechts gings etwas besser. Wenn einmal eingesetzt, war der Effekt von Anfang an überzeugend, aber bis es soweit war, brauchte ich jedes Mal viel Geduld, Nerven und Glück. Vor allem, weil ich zunächst immer mit dem linken, dem „Problemauge“ begann. Richtige Fortschritte machte ich erst, als ich eine wichtige Lektion beherzigte, die ich den Teilnehmern meiner Führungskräfte- und sonstiger Seminare stets predige – als ich nämlich endlich damit begann, als erstes die rechte Kontaktlinse einzusetzen. Dann ging es plötzlich auch mit der schwierigeren linken Seite besser.
Mein Ansatz war zunächst ein typischer - und wenig hilfreicher: Ich versuchte erst Mal, vor allem an meinen Defiziten zu arbeiten, an der „schwachen“ linken Seite herumzudoktern. Erst als ich mich meiner relativen Stärke entsann, als ich auf der erfolgsversprechenderen rechten Seite begann und aus diesem ersten Erfolgserlebnis heraus für die schwierigere Seite lernte, begann auch die linke Seite besser zu werden.
Und darum geht’s bei Positiver Leadership: Den Fokus stärker auf die Erfolgserlebnisse, die Kompetenzen, die Stärken zu richten – und nicht immer nur die – wesentlich aufwändigere, energieraubendere – Unschlimmermachung der Defizite und Schwächen zu betreiben. Sinn einer Organisation, hat nämlich Peter Drucker einst geschrieben, ist es, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu fördern – und damit deren Schwächen irrelevant zu machen.
Positive Leadership ist vor allem drei Dinge – und vor allem eines nicht: Positive Leadership ist wissenschaftsgeleitet, alltagstauglich und multidimensional – und auf gar keinen Fall eine esoterische Heititeiti-Veranstaltung, in der alles immer nur positiv und lieb gemeint ist. Positive Leadership
• kann sich – im Unterschied zu vielen anderen Führungsansätzen – auf teils recht harte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, nämlich die Forschungsergebnisse zu den Wirkfaktoren der Positiven Psychologie
• bietet gleichzeitig erlern-, trainierbare und im Alltag anwendbare Tools an, die Führungskräfte für sich selbst, zur Führung von Teams und Mitarbeitern sowie zum Aufbau und zur Veränderung von Organisationen nutzen können
• hat in vielen Studien positive Effekte auf die Stärkung von Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheitsraten, auf niedrigere Burnoutraten von Führungs- und Fachkräften sowie auf Qualitäts- und andere Performance-Indikatoren nachweisen können
• ist keineswegs eine Kuschelveranstaltung, die auf Kritik und das Angehen von Mängeln verzichtet, ganz im Gegenteil. Allerdings stellt Positive Leadership nicht die Schwächen, Fehler und Misserfolge von Einzelnen, Teams und Organisationen in den Vordergrund – sondern verbindet diese mit dem Bewusstwerden und der Ausweitung von Stärken, Erfolgen, Kompetenzen.
85 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen haben eine geringe oder gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen, nur 15 Prozent brennen wirklich für ihre Aufgabe und ihren Arbeitgeber, so das Ergebnis des Gallup Engagement Index 2018. Dienst nach Anweisung? offenbar eher die Regel als die Ausnahme. In vielen Branchen und Regionen herrscht außerdem Vollbeschäftigung, viele Arbeitgeber müssen sich inzwischen eher um Führungs- und Fachkräfte bewerben als andersherum. Die jungen Arbeitnehmer von heute scheinen zudem viel höhere Ansprüche an Führende zu stellen, ihnen sind Wertschätzung, Anerkennung und gezielte Förderung wichtiger als Eckbüro, Dienstwagen und andere traditionelle Statussymbole. Was ist meine Aufgabe hier, was ist mein Beitrag, wer hat was von meiner Arbeit – auf diese Fragen müssen Führungskräfte heute viel stärker als bisher nachhhaltig befriedigende Antworten liefern. Ein Leitungsverhalten nach Kommando und Kontrolle funktioniert da immer weniger. So zeigt auch eine kürzlich vom eher nicht allzu kapitalismuskritischen Economist veröffentlichte Studie: Der Kapitalismus insgesamt verliert bei den unter 50-Jährigen US-Amerikanern deutlich an Glaubwürdigkeit. Und das war noch deutlich vor Greta Thunbergs USA-Reise. Wie ernstgemeint der vielzitierte Brief vom August 2019 sein mag, in dem die Chefs von Apple, American Express, BCG, Coca Cola und vielen anderen US-Konzernen einen stärkeren Einsatz für den Umweltschutz, mehr Mitarbeiterfreundlichkeit und faire Beziehungen zu den Lieferanten einfordern, darüber kann man sicher streiten. Aber auch er zeigt: In vielen Führungsetagen ist die Frage nach dem Why angekommen.
Positive Leadership kann echte Wettbewerbsvorteile gerade für Unternehmen und Organisationen schaffen, die in Zeiten des Fachkräftemangels um geeignete Kandidaten buhlen müssen und die im Sinne echter Nachhaltigkeit ökologische Verträglichkeit, soziales Engagement und zufriedene Mitarbeiter unter einen Hut bringen wollen. Positives Führen kann Organisationen und Firmen nützliche und umsetzbare Hinweise unter anderem dann geben, wenn
• Teamkonflikte vorherrschen
• hohe Mitarbeiterfluktuationsraten hohe Energie- und Zeitaufwände für das Finden und Binden von Personal verursachen
• die Organisationskultur hohe Burnout-Raten von Führungs- und Fachkräften bedingen
• Qualitäts-, Kundenzufriedenheits- und andere Indikatoren nachlassen
Das bekannteste und am meisten beforschte Modell von Zufriedenheit ist das PERMA-Modell, das der US-Psychologe Martin Seligman Anfang der nuller Jahre entwickelt hat. Es steht für die fünf Dimensionen positive Emotionen (P), Stärkenfokus (E, engagement), Stärkung der Vernetzung und Verbindungen (R, relationships), stärkeres Sinnerleben (M, meaning) und die erhöhte Kultivierung von Errungenschaften und Erfolgserlebnissen (A, achievements). Hier ein kurzer Überblick über die fünf Dimensionen:
- Gefühle lassen sich in einer Matrix mit zwei Achsen darstellen, die eine steht fragt nach der Intensivität, die andere nach der Positivität vs. Negativität. Positive wie negative Emotionen können wir also schwächer oder stärker erleben, Begeisterung, Interesse, Langeweile und Wut wären vier mögliche Emotionsausprägung aus den vier Quadranten. Negative Emotionen haben durchaus ihren Sinn, Furcht oder Ekel haben uns womöglich in früheren Zeiten das Überleben gesichert. Allerdings ist es für Führende höchst sinnvoll, positive Emotionen wie Interesse, Freude, Stolz, Dankbarkeit oder Vergnügen zu kultivieren. Denn, so hat die US-amerikanische Forscherin Barbara Fredrickson herausgefunden, sie weiten unsere emotionalen, kognitiven und sozialen Wahrnehmungsfilter und stärken unsere Abwehrkräfte gegen Krisen und Niederlagen.
- Das Engagement, die zweite PERMA-Säule, lässt sich vor allem durch das verstärkte Ausleben von Stärken erhöhen. Jeder von uns kann manche Dinge besonders gut, tut manches mit großer Leidenschaft – Chefinnen und Chefs sollten sowohl sich selbst als auch ihr Team stärker im Ausbau der Stärken fördern als den mühsamen Abbau von Schwächen fordern. Wer regelmäßig Gelegenheit hat, ihre oder seine Stärken im Beruf auszuleben, bleibt seiner Stelle treuer, meldet sich seltener krank und ist leistungsstärker und kreativer als diejenigen, deren Aufgaben mit persönlichen Neigungen und Kompetenzen wenig zu tun haben.
- „Haben Sie einen richtig guten Freund in der Arbeit?“ Da wo ein hoher Prozentsatz diese Frage bejaht, ist laut Studien des Gallup-Institutes die Mitarbeiterzufriedenheit in der Regel signifikant höher, wird deutlich seltener gemobbt als in Organisationen, wo dies unüblich ist. Persönliche Verbindungen im Büro zu fördern ist also eine weitere, höchst relevante Aufgabe von positiven Leadern.
- Ähnliche Studienergebnisse gibt es zur vierten PERMA-Dimension, dem Erleben von Sinnhaftigkeit: Wer ein Warum hat, erträgt jedes Wie, wusste schon der Wiener Psychologe Viktor Frankl, wohl daher bemüht sich ein Konzern nach dem nächsten derzeit um eine Strategie zur Stärkung des „Purpose“, des unternehmerischen Daseinzwecks. Wer dies erst meint, kommt mit ein paar schicken Powerpoint-Folien, in der Vorstandsetage entwickelt, nicht weit, sondern versucht ernsthaft, das Wozu und Warum von Produkten, Dienstleistungen, aber auch von Veränderungen immer wieder für die Belegschaft greifbar zu machen.
- Das Erleben und die Kommunikation von Errungenschaften und Gelingen stellt die fünfte PERMA-Dimension dar. Selbstwirksamkeit, also die Gewissheit, dass etwas vorwärts geht mit der Arbeit, dass unser Tun zu irgendetwas führt, dass wir Ziele haben und erreichen, ist eine Hauptzutat von individuellem Wohlbefinden. Dazu gehören sowohl anspruchsvolle, aber prinzipiell erreichbare und attraktive Ziele als auch ein konstruktiver Umgang mit Scheitern und Fehlleistungen.
Teilweise überlappen sich die fünf einzelnen Dimensionen, und viele Führungskräfte zahlen in ihrem Handeln laufend auf das PERMA-Konto ihrer Teams und Mitarbeitenden ein. Hier dennoch ein paar konkrete Tipps zur Förderung des PERMA für Sie persönlich, Ihr Team oder Ihre Organisation:
• Der sprichwörtliche Kickertisch in vielen StartUps, der Betriebsausflug, der Obstkorb oder die schicken Büromöbel mancher Vorzeigefirmen: Sie sind nicht nur unternehmerischer Schnickschnack, sie können tatsächlich das Erleben positiver Emotionen stärken – mit den oben erwähnten willkommenen Folgen.
• Was kann ich gut, was zeichnet meine Mitarbeiter aus, welche besonderen Kompetenzen zeichnen meine Teams, Abteilungen, Bereiche aus? Wie kann ich und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass Stärken, Leidenschaften und Kompetenzen nicht nur brachliegen und vom Fokus auf Defizite in den Schatten gestellt, sondern tatsächlich erlebt und genützt werden? Mitarbeitergespräche mit Ressourcenfokus oder der systematische Einsatz von Stärkentests (kostenlos etwa auf www.gluecksforscher.de) können Stärken stärken helfen.
• Wem nützen die Dienstleistungen oder Produkte, die Ihre Organisation oder Firma erschafft, vertreibt, herstellt? Inwiefern tragen diese zu mehr Gerechtigkeit, nachhaltigem Ressourcenumgang oder anderen Nachhaltigkeitsaspekten bei? Fragen dieser Art fördern das Sinnerleben im Unternehmen.
• Wer dankt schon der IT für das funktionierende Internet oder der geräuschlosen Wegarbeiterin für das wieder mal pünktlich abgelieferte, wie immer fehlerfreie Projektpapier? Das gezielte Kommunizieren und Feiern von Erfolgen, die Weitergabe von Lob, gerade auch an Personen, Teams oder Abteilungen, die eher „im Schatten“ vor sich hinwerkeln, macht die fünfte PERMA-Säule aus, Errungenschaften. Hilfreich dabei: Zum einen Vorgaben, die von vornherein möglichst spezifisch, messbar, realistisch und mit konkreten Meilensteinne und Terminen versehen sind. Und zum anderen eine Kultur, die Fehler eher zu verstehen als zu verdammen versucht, in der Risiko und Verantwortungsübernahme eher gefördert als gemieden werden – „psychologische Sicherheit“ heißt dieses Konzept, nach jahrelangen Forschungen des renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) der wichtigste Erfolgsfaktor unter den Spitzenteams bei Google.
Anweisung, Kontrolle und Sanktion – das ist das traditionelle Führungsverständnis eines Managers, der nach Zahlen, Daten und Fakten verwaltet. Das sind und bleiben wichtige Kompetenzen. Positives Führen gemäß der PERMA-Formel hingegen setzt – zusätzlich zu alledem – auf Vertrauen, Stärkung und Ermutigung.
Dabei bleibt es aber nicht bei schönen Formeln, die Kompetenzen positiven Führens lassen sich lernen, trainieren – und messen. Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Markus Ebner hat mit PERMA-Lead (www.perma-lead.com) ein Analysetool entwickelt, mit dem sowohl Einzelne für sich als auch im 360-Grad-Feedback als auch ganze Organisationen ihren PERMA-Level analysieren und gezielt stärken können.
Sei es die Meetingkultur, sei es die Kühlkette in Supermärkten, sei es die Förderung von Kreativität oder ein verbessertes Employer Branding: Institutionen wie die Supermarktkette Lidl, die Ferienwohnungs- und Hotelleriekette Upstalboom, das niederländische Pflegenetzwerk buitzoorg oder die Deutsche Telekom haben mit Methoden der Positiven Leadership ihr unternehmensweites PERMA stärken und damit die unterschiedlichsten Unternehmenskennzahlen verbessern können. Eines aber fällt Ihnen mit Sicherheit leichter, wenn Sie sich ernsthaft mit PERMA beschäftigen: die Sache mit den Kontaktlinsen...
Mal ehrlich: In wievielen Projekten, Arbeitskreisen, Aktionsgruppen, Initiativen oder in agilitätsdeutsch: work streams, subject groups, squads und tribes sind Sie oder Ihr Team mit dabei? Und jetzt noch mal ehrlicher: Hätten Sie gerne mehr davon? Oder weniger? Eben!
Die meisten Organisationen sind extreeeem gut darin, Neues anzufangen. Und tun sich extreeeeeem schwer damit, Altes aufzuhören.
Die Folgen: organisationaler und individueller Burnout, rasender Stillstand, Probleme bei Qualität, Produktivität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Undundund. Hier deshalb ein paar Tipps zum Schlussmachen, Ausmisten, Aufhören, Weglassen.
Digitalisierung, Globalisierung, die Forderungen von Kapitalmarktinvestoren: Das dürften Hauptursachen des chronischen Zuviels sein.
Weil viele Organisationen schlanker geworden sind, sprich: mehr Leute heute das gleiche wie oder mehr als gestern machen müssen , steigt der „Kannst-Du-das-auch-noch-machen“-Druck auf die Verbliebenen häufig.
Nein sagen? Geht in vielen Unternehmenskulturen gar nicht. Erst recht nicht, wenn der Bonus der Chefin oder des Chefs davon abhängt, was sie oder er alles neu anzettelt – und nicht davon, was sie oder er streicht, kürzt, gar nicht erst anfängt. Und dann gibt es da noch die so genannte impact blindness: Gerade in Matrix-Organisationen haben Führende gar nicht den Überblick darüber, was Ihre Mitarbeiter eigentlich so alles machen und was diese Initiative oder jenes zusätzliche Projekt für sie bedeutet.
So viel also zu den Ursachen der Initiativenfülle. Dabei gäbe es so viele gute Gründe, gegen sie anzugehen.
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, er sei mindestens so stolz auf alles, was Apple mache, wie auf all das, was Apple nicht mache.
Denn das Projekte abzuschaffen oder gar nicht erst anzufangen hat für Viele viele unterschiedliche Vorteile:
* Wer für weniger zuständig ist, macht das häufig mit mehr Leidenschaft.
* Wer zufriedener, weniger gestresst und gesünder in die Arbeit kommt, macht bei potenziellen Bewerbern eher Werbung für sein Unternehmen.
* Organisationen, die sich auf weniger Projekte, Prozesse, Produkte fokussieren, machen diese in der Regel besser, effektiver und rentabler.
Wie das organisatorische Entschlacken wirklich gehen kann – dazu liefert Positive Leadership einige Ideen:
* Stärkenfokus: Von den Dingen, die wir tun – wo kann ich, wo kann mein Bereich, wo können wir als Ganzes wirklichen Mehrwert leisten? Worin sind wir richtig gut? Und wo könnten wir unsere PS mehr auf die Straße bringen, wenn wir mehr Luft dafür hätten?
* Energiebilanz: Welche Initiativen und Projekte ziehen mehr Energie als sie produzieren, was fühlt sich irgendwie falsch an? Solche Projekte und Initativen nach einer gleichsam konstruktiven wie kritischen Inventarisierung als erstes stoppen! Alle werden ausatmen!!
* Quartalsputz: Unternehmen sollten sich mindestens vierteljährlich fragen, ob all ihre Initiativen noch sinnvoll und notwendig sind – und wo entschlackt werden kann. Manches merkt eh niemand, wenn es nicht mehr angeboten oder geleistet wird.
* Sollbruchstellen: „Wenn wir bis Mittag nicht an der Alm vorbei sind, schaffen wir es auch nicht mehr sicher auf den Gipfel und kehren dort um.“ Umkehrzeitpunkt heißt das bei uns Bergsteigern. So ähnlich sollten Sie Sollbruchstellen einbauen. Wenn wir bis X nicht Y erreicht haben, dann lassen wir’s eben.
* Lernkultur: Psychologische Sicherheit bedeutet unter anderem, dass Initiativen auch mal schief gehen, Projekte misslingen dürfen, damit man aus ihnen lernen kann. Führende haben hier einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Beendetem und Eingestelltem, Sie sollten also Misserfolge eher als Lernerfahrungen verstehen statt immer mit dem Zeigefinger auf „Schuldige“ zu zeigen.
* Leichenschau: Wenn jemand stirbt, kommt der Arzt und überprüft, ob die Person auch wirklich tot ist. Für manche Projekte, die eigentliche eingestellt sind, wäre das auch hilfreich. Denn häufig gibt es für sie noch Mailverteiler, Budgets, Organigramme – oder gar Meetings. Das saugt Zeit, Energie, Geld. Beendete Projekte also wirklich beenden, notfalls auch mit würdiger Grabrede. Dann geistern sie nicht als Zombies weiter durch die Kellergewölbe der Organisation.
Liebe Positiv Führende, welche Erfahrungen haben Sie/habt Ihr mit dem Beenden von Projekten gemacht? Was klappt, was ist zu beachten? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Tipps!
Herzlich Christian Thiele
Erfolgreicher, effizienter, resilienter, sinnerfüllter und mit mehr Freude führen, mich selbst, meine Mitarbeiter und meine Organisation: Darum geht es in den Methoden des Positiven Führens. Die Methoden und Praktiken der Positiven Leadership schaffen, im Unterschied zu den meisten anderen Führungstechniken, messbar positive Effekte: Mehr Mitarbeitermotivation, geringere Krankheits- und Ausfallzeiten, höhere Kundenzufriedenheitswerte sowie höhere Erträge sind nur einige der Folgen von Positiver Leadership, die seit Ende der neunziger Jahre durch immer mehr wissenschaftliche Studien in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen belegt werden können. Die Methoden sind gleichzeitig leicht erlern- und trainierbar, lassen sich erfahrungsgemäß einfach und schnell im Arbeitsalltag für die Führung von Teams und Organisationen einbauen.
Eine neue Seminarstaffel dazu biete ich ab sofort beim VDI an, die Workshops sind vor allem, aber nicht nur für technische Fach- und Führungskräfte gedacht. Diese Seminare sind natürlich auch als Inhouse-Workshops buchbar. Sprechen Sie mich bei Interesse gerne an! Hier der Link: https://www.vdi-wissensforum.de/management-fuer-ingenieure/positive-leadership/
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins...
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen...
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken... Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will...“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch "The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Für wen?
Wenn Sie eine Abteilung/einen Bereich/ein Team leiten oder in einem arbeiten oder für eines als PersonalerIn zuständig sind, das:
dann könnte eine Teamentwicklung durchaus Sinn ergeben.
Was ist Teamentwicklung nicht?
Teamentwicklung oder Teambuilding oder Teamcoaching ist nach meinem Verständnis
Was ist Teamentwicklung?
Ich verstehe Teamentwicklung als einen Prozess hin zu einem verbesserten Miteinander in der Arbeit. Diese Verbesserung kann fachlich-prozessual-sachlicher Art sein, sie kann zwischenmenschlicher Art sein, und häufig ist sie ein wenig von alledem. Sie ist ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Eine Maßnahme im Spannungsfeld zwischen Verträglichkeit, Rücksichtnahme und Sorgfalt auf der einen Seite – und Irritation, Zumutung und Mut auf der anderen Seite. Teamentwicklung stört immer irgendwen und irgendetwas, mitunter ver-stört sie sogar zeitweilig. Aber dafür hat sie, wenn sie gut läuft, eigentlich immer mehr Verständnis, intensiveren Austausch und mehr Klarheit zum Ergebnis. Eine Art „kontrollierte Sprengung“ (Eberhard Stahl) des Alten, eine Art soziales Versuchshandeln hin zu möglichem Neuem – auch das kann eine Teamentwicklung sein. Mehr Freude und Gaudi im Miteinander während und nach der Teamentwicklung: für mich immer wichtige Ziele! Seilgarten/Hindernisparcours/Bastelprojekte können dazu beitragen – aber es geht auch anders.
Wie kann Teamentwicklung ablaufen?
Wichtig für eine gute Teamentwicklung: eine gründliche und doppelte Auftragsklärung. Also einmal, vorab, mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber. Und dann, zu Beginn der Maßnahme, direkt mit den Beteiligten. Vom Thema, von den Zielen, von den Rahmenbedingungen hängt dann ab, welche Methoden ich sinnvollerweise zum Einsatz bringe. Das kann eine Konfliktklärung sein. Das mag eine Verständigung über die Ziele, die Kultur oder die Rollen im Team sein, das können aber auch Trainingsinhalte (z.B. Kommunikation, Konflikt, Feedback) oder Entscheidungen zur Veränderung von Strukturen, Zuständigkeiten, Abläufen oder zur Verbesserung des Informationsflusses sein. Und wie gesagt, besonders gerne bin ich mit Gruppen in den Bergen unterwegs – wie zum Beispiel bei unserer Elmau-Challenge.
Praktisch immer führt eine Teamentwicklung, unabhängig vom konkreten Verfahren, zu mehr oder weniger großen Ahas, Öhas und anderen überraschenden und überraschten Einsichten bei den Teammitgliedern über die Interaktionen, die Kultur, die Abläufe oder all das andere, was man so leicht als „normal“, als „selbstverständlich“ oder „so machen wir das hier eben“ empfindet.
Veränderung hat immer einen Preis. Es ist mir daher wichtig, mit Prognosen für größtmögliche Transparenz zu sorgen bezüglich Preis und Nutzen bei der Aufgabe von Gewohntem und dem Ansteuern von Neuem. Im Wissen, dass diese Prognosen immer nur vorläufig sein können.
Zwingend ist am Ende des Teambuildings ein konkreter Transfer in den Alltag, damit die Gruppe nach der Intervention wirklich effizienter, effektiver, klarer, wertschätzender zusammenarbeiten kann.
Was hilft bei einer Teamentwicklung?
Ein paar typische Erfolgsfaktoren für Teamentwicklungen:
Wo kann ich vorab mehr über Teams/Teamentwicklung erfahren?
Ein großartiges, schlaues, lesbares Buch zu Theorien und Methoden der Teamentwicklung: Eberhard Stahl, Dynamik in Gruppen, https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/34569-dynamik_in_gruppen.html
Sehr anschaulich und doch sehr lebensnah zur Klärung von Konflikten im Team: Christoph Thomann, Klärungshilfe 3, https://www.rowohlt.de/taschenbuch/christoph-thomann-klaerungshilfe-3.html
Für die, die tiefer gehen wollen: Eine Vielfalt an unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf Kleingruppen, von psychodynamischen über feministische bis hin zu Netzwerk-Ansätzen: Marshall Scott Poole, Theories of Small Groups, https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/theories-of-small-groups/book226399
Knapp, praktisch, pragmatisch zu virtuell geführten Teams: Hassan Osman, Influencing Virtual Teams: 17 Tactics That Get Things Done with Your Remote Employees, https://www.amazon.de/Influencing-Virtual-Teams-Tactics-Employees-ebook/dp/B00LGWDGG6
Einen spannende Reportage über Vertrauen, Kommunikationscluster und weitere Kooperationsfaktoren in Teams: Daniel Coyle, The Culture Code: The Secrets of Highly Successful Groups, https://www.amazon.com/Culture-Code-Secrets-Highly-Successful-ebook/dp/B019CGXU68/ref=tmm_kin_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
Und wie komme ich jetzt an eine Teamentwicklung?
Wenn Sie oder Menschen aus Ihrem Unternehmen/Bereich/Team Interesse haben: Gerne bei mir melden. Und wir reden über die Details!
Wie kann ich als Führungskraft dazu beitragen, dass in meiner Organisation, meiner Abteilung, meinem Team besser gearbeitet wird, und zwar besser im Sinne von: erfolgreicher, gesünder, mit mehr Spaß, sinnerfüllter? Der aus meiner Sicht beste Ansatz dazu ist das so genannte PERMA-Modell auf der Basis von Martin Seligman, an vielen Stellen konkretisiert von Dr. Markus Ebner.
Das PERMA-Modell definiert Wohlergehen als ein Zusammenspiel aus fünf Dimensionen: positive emotions, engagement, relationships, meaning, accomplishments. Mit folgendem Fragebogen können Sie a) mal mit sich selbst ins Gespräch darüber kommen, wie stark ausgeprägt Sie welche PERMA-Dimension leben und b), auf welchen Feldern Sie als Führungskraft noch Luft nach oben haben, sprich: mehr tun könnten für das Arbeitsklima in Ihrem Verantwortungsbereich: Perma im Job
Und was heißt das jetzt konkret? Hier ein paar Tipps:
POSITIVE EMOTIONEN:
- bewusst schöne/Genussmomente in den Arbeitsalltag einbauen
- Arbeitsumfeld auf Stressoren untersuchen, die vermindert/eingegrenzt werden können
ENGAGEMENT (AUFGEHEN IN DER ARBEIT, FLOW):
- für meine und die Arbeit anderer möglichst konkrete, anspruchsvolle, aber machbare Ziele formulieren
- überprüfen: Habe ich, haben meine Mitarbeiter die Kompetenzen und Mittel, um ihre Arbeiten zu erledigen? Ggfs. Schulungen/Anschaffungen nötig?
- Mitarbeiter gezielt nach Stärken/Kompetenzen/Leidenschaften einsetzen
- Inseln konzentrierten Arbeitens schaffen, für mich und andere
RELATIONSHIPS (VERBINDUNGEN):
- bewusst Aufgaben zu mehreren erledigen/an mehrere vergeben, die auch einer alleine erledigen könnte
- Aktivitäten außerhalb des eigentlichen Arbeitskontextes fördern/mitmachen
MEANING (SINN):
- bei Delegation von Aufgaben das Was und Wozu erklären
- die Sinnhaftigkeit/Notwendigkeit von vermeintlich langweiligen/Routinearbeiten vermitteln
ACCOMPLISHMENTS (SELBSTWIRKSAMKEIT/ERFOLG):
- bewusst Mikromanagement vermeiden, Ziele vorgeben und Wege dorthin Mitarbeitern selbst überlassen
- Aktiv Rückmeldung einholen, intern wie extern
- Erfolgsmeldungen weitergeben
- bei größeren Projekten mit diffuser Erfolgsmessbarkeit Meilensteine abstecken und markieren
- Erledigtes bewusster wahrnehmen (Aufgabenlisten etc.)
Ergänzungen, Kritik, Anregungen? Ich freue mich auf Vorschläge!
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Eine lästige Formalie, durch die Chefin und Mitarbeiter irgendwie durchmüssen: So werden Mitarbeiterjahresgespräche meistens betrachtet, geplant und geführt. Leider! Denn eigentlich könnte das regelmäßige Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ein Highlight für beide sein. Hier finden Sie einige Tipps, wie Sie die Sache mit dem Jahresgespräch einmal anders angehen können:
Mehr delegieren. Fünf Kilo abnehmen. Den Job wechseln. Häufiger ins Fitnessstudio. Eine Stunde früher heimkommen.
Neues Jahr, neues Glück? Viele von uns wollen zum Jahreswechsel wirklich, wirklich etwas ändern. Und stellen ein paar Wochen später frustriert fest: Hat nicht geklappt, wiedermal.
Das mit der Veränderung ist so eine Sache. Denn meistens hat es seinen guten Grund, warum wir ungern abgeben, ein paar Kilo zuviel auf den Rippen haben, den Job schon so lange (aus)halten, seltener Gast im Gym sind, lange arbeiten. Und das ist nicht nur Bequemlichkeit, nein: Wir tun die Dinge so lange und so lange so, wie wir sie tun, bis der Preis dafür zu hoch wird – und die Kosten der Veränderung übersteigt. Eine gute Methode, um das Verhältnis zwischen Nutzen und Preis von Veränderung herauszufinden, um vorher das mögliche Nachher einer Veränderung abzuklären: der Öko-Check. Also ein Abklopfen meines gesamten ökologischen Umfeldes auf die Kosten-Nutzen-Rechnung von Veränderung.
Ein paar Fragen dazu:
Und jetzt viel Spaß und Erfolg beim Delegieren, Abnehmen, Jobwechseln, Workouten, Früh heimkommen!
Kaufen! Lesen!! Umsetzen!!! ;-) http://www.psychologie-heute.de/das-heft/aktuelle-ausgabe/detailansicht/news/konfliktfaehige_menschen_erleben_unterschiede_als_bereichernd/
"Könnten Sie dieses Projekt übernehmen?"
"Ich fänd's super, wenn Sie in dem Termin mit Kunden dabeiwären!"
"Du, nur wenn Du die Präsentation machst, wird sie richtig gut!?"
Wer seinen Job halbwegs ernst nimmt und halbwegs gut macht, kennt das: So viele Wünsche, Angebote, Einladungen, Bitten. Und viel zu viele von uns sagen zu viel zu vielen solcher Dinge den verhängnisvollen Kurzlaut: Ja.
Warum verhängnisvoll? Wer zu viel Ja sagt, hat zu wenig Zeit. Für die wirklich wichtigen Dinge, für die wirklich wichtigen Menschen, für sich selbst. Deshalb hilft es wahrscheinlich auch Ihnen, Ihrer Zufriedenheit, Ihrem Energielevel und ja, auch Ihrer Leistungsfähigkeit im Job, wenn Sie mehr ablehnen, verweigern, absagen.
Bloß wie?
Hier einige Tipps, wie Sie einfacher und klarer Nein sagen können – und damit sich und letztlich auch den anderen das Leben leichter machen:
Na, welche Nein-Strategie funktioniert für Sie am besten? Probieren Sie einmal ein paar aus. Und schreiben Sie mir gerne!
Es gibt Momente, in denen wir uns besonders klar, stark, sortiert und energievoll fühlen. Diese lassen sich für eine effektive und jederzeit abrufbare Technik des Selbstmanagements nutzen, den „Moment of Excellence“ oder die „Ankerübung“. In Momenten, in denen Sie sich gestresst, unklar, schlapp oder sonstwie nicht gut fühlen, in einer Konfliktsituation oder wenn Sie etwas vortragen müssen oder ähnliches, können Sie diese einfache, aber wirksame Mentaltechnik aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) einsetzen. Viele Spitzensportler nützen sie vor Wettkämpfen, auch Sie können sich damit in einen Zustand der Klarheit, Lösungsorientiertheit, Stärke bringen. Und das geht so:
Finden Sie einen „Moment of Excellence“
Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört 20-30 Minuten für sich alleine verbringen können. Nehmen Sie eine bequeme Sitzhaltung ein. Wenn Sie mögen, schließen Sie die Augen. Und erinnern Sie sich an drei Lebenssituationen, in denen Sie sich besonders stark, klar, kraftvoll gefühlt haben, in denen Sie vollen Zugang zu Ihren Stärken und Fähigkeiten hatten und dies spüren konnten. Das mag eine Bergtour sein, eine gut gelöste schwierige Aufgabe, ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch, nur als Beispiele. Vergegenwärtigen Sie sich diese drei schönen Situationen – und suchen Sie spontan die eine davon aus, in der Sie sich am allerbesten, am allerstärksten, am allerklarsten gefühlt haben.
Versuchen Sie, diese Situation mit allen Sinnen nachzuerleben, in sie in allen Einzelheiten nochmals einzutauchen: Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen, was fühlen Sie? Wie ist Ihre Körperhaltung? Wie fühlt sich Ihr Atem an?
Zoomen Sie sich quasi in den „Moment of Excellence“ hinein, in ganz groß, ganz bunt, kosten Sie ihn ganz intensiv aus, in vollen Zügen. Geben Sie diesem Moment ein kurzes Kennwort, eine Überschrift – und setzen Sie anschließend einen so genannten Separator: Öffnen Sie die Augen, trinken Sie ein Glas Wasser, gehen Sie ein paar Schritte oder ähnliches, kommen Sie wieder im Hier und Jetzt an.
Setzen Sie einen Anker
Unsere äußere Haltung, unsere Gestik und Mimik spiegelt immer unser inneres Erleben wieder. Äußere Reize lösen aber auch umgekehrt innere Zustände aus. Und das können Sie jetzt bewusst nutzen: Begeben Sie sich wieder in eine bequeme Haltung, schließen Sie, wenn Sie mögen, wieder die Augen – und rufen Sie sich über Ihr Kennwort Ihre Erfolgssituation wieder auf. Tauchen Sie mit allen Sinnen in den Moment ein, fühlen Sie die Kraft und Freude und Klarheit aus dieser „Alles läuft!“-Situation!
Finden Sie jetzt eine Geste oder Berührung, die zu diesem Erfolgsmoment passt und die Sie am besten jederzeit ausführen können, auch in einem Meeting, beim Autofahren o.ä., ohne dass sie anderen groß auffällt. Das ist der so genannte Anker! Spüren Sie, wie sich die Situation und die damit verbundene Kraft, Klarheit und Zuversicht durch Ihre Geste verstärkt, kosten Sie den Erfolgsmoment eine kurze Weile aus. Testen Sie, ob Sie durch eine leicht andere oder verstärkte Geste den Kraftzustand intensivieren können. Oder ob der Anker schon so perfekt für Sie passt.
Und setzen Sie wieder einen Separator: Öffnen Sie die Augen, nehmen Sie bewusst die Farben, die Töne, Gerüche, Geräusche um sich herum war, gehen Sie ein paar Schritte, schütteln Sie Ihre Glieder, gähnen Sie oder Ähnliches.
Testen Sie den Anker
Machen Sie es sich wieder bequem. Führen Sie Ihre gewählte Bewegung aus, und spüren Sie, wie die Kraft aus dem „Moment of Excellence“ zurückkommt! Spüren Sie der Situation mit allen Sinnen nach. Und setzen Sie erneut einen kurzen Separator, finden Sie wieder ins Hier und Jetzt.
Suchen Sie sich Zielsituationen
Das anstehende Telefonat mit dem Finanzamt, die nächste Begegnung mit dem Chef, das Kritikgespräch mit dem Mitarbeiter: Überlegen Sie sich drei Situationen in der nächsten Zeit, in denen Sie die Kraft und Freude aus Ihrem „Moment of Excellence“ nutzen wollen. Geben Sie jeder dieser drei Situationen ein kurzes Kennwort.
Versetzen Sie sich in die erste der drei Zielsituationen. Und setzen Sie nun Ihren Anker ein: Führen Sie Ihre „Erfolgsgeste“ oder -berührung aus, und stellen Sie sich vor, wie Sie all die Ressourcen aus Ihrem Moment of Excellence in die schwierige Situation hineintransferieren. Kosten Sie die Zielsituation aus, mit all der Kraft und Klarheit, die Sie über den Anker aufrufen können. Woran merken Sie, dass Ihr „Zauberring“ funktioniert? Woran merken es andere?
Setzen Sie wieder den Separator – und gehen Sie nach dem gleichen Verfahren die nächste Zielsituation durch. Und dann die dritte Zielsituation.
Üben Sie den Anker
Je häufiger Sie den Anker in Normalsituationen aufrufen, desto schneller und zuverlässiger steht er Ihnen in schwierigen Momenten zur Verfügung. Üben Sie daher die Technik drei Wochen lang täglich, am besten zu festgelegten Zeiten: beim Zähneputzen, vor dem Aussteigen aus dem Auto oder so. Manche Menschen schreiben sich sogar eine Erinnerung in den Terminkalender im Smartphone – sie finden sicher einen Umgang mit dem Anker, der für Sie passt.
Viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit Ihrem Anker!
Zum Weiterlesen, -klicken:
Eine Videoanleitung zum „Moment of Excellence“ finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=dy1bCI-FVv8
Neben anderen NLP-Methoden ist die Technik unter anderem hier beschrieben: Egon Sawizki: 30 Minuten NLP im Alltag. Gabal-Verlag (ca 8,90 Eur, hier zu bestellen in Ihrem Buchladen ums Eck: https://www.genialokal.de/Produkt/Egon-R-Sawizki/30-Minuten-NLP-im-Alltag_lid_16762713.html?storeID=adam)
Hier der Link zu meinem Text, der jüngst in "Impresso" erschienen ist. Dürfen auch Nicht-Verlags-oder-Redaktions-Menschen lesen!!! Enjoy!
Ich weiß ja nicht, was Ihr so beim Zähneputzen macht.
Aber ich habe vor ein paar Jahren etwas entdeckt, das mir deutlich weiterhilft, gut aus dem Tag zu kommen. Beim Zähneputzen. Es ist mein Beitrag zum #WorldMentalHealthDay:
Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Dr. Markus Ebner hat eine Technik entwickelt, wissenschaftlich testen lassen und veröffentlicht, die dabei hilft, den Scheinwerfer zu richten auf das, was läuft, was gut klappt, auf die Stärken – und damit zu mehr Erfolg, mehr Sinnhaftigkeit, mehr Gesundheit und mehr, das sage ich jetzt, Gaudi in der Arbeit beiträgt: die vier Gute-Nacht-Fragen (hier der Link zur Original-Veröffentlichung: https://link.springer.com/article/10.1007/s11613-017-0508-2). Meine Elektrozahbürste summt vier Mal, für jeden Quadranten im Gebiss, vorne oben, vorne hinten, unten vorne, unten hinten, so wie es der Zahnarzt empfielt. Passt perfekt zu den Gute-Nacht-Fragen. Ich stelle sie hier in leicht veränderter Form vor:
Hier ein paar Erläuterungen zu den einzelnen Fragen:
Was hat mir heute positive Emotionen verschafft? Die Frage ist für die meisten Menschen erstmal recht simpel zu beantworten, in der Regel fielen den Befragten, die Ebner für seine Studie untersucht hat, sinnliche Erfahrungen (Schönes sehen, schmecken, hören), der Wert von positiven Begegnungen und Beziehungen oder Erfolge als Antworten auf die Frage ein. Aber man kann die Frage auch statt mit der Taschenlampe mit einem extrastarken Suchscheinwerfer angehen, also sich fragen: Wo habe ich heute Erhabenes, Witziges, Interessantes erfahren, wo habe ich Gefühle wie Befriedigung, Euphorie, Stolz, Inspiration, Liebe gespürt? Emotionen, die kein Luxus sind, sondern in unserer evolutionären Hardware fest verankert sind! Und die, das wissen wir dank der Emotionsforscherin Barbara Fredricksson, unsere mentale, soziale und seelische Wahrnehmung stärken, uns gegen negative Gefühle und Erlebnisse abpolstern und somit eine echte Aufwärtsspirale ermöglichen.
Wo habe ich mich heute lebendig gefühlt? Die Frage wird im allgemeinen etwas weniger sonnig aufgefasst, denn lebendig fühlen wir uns häufig dann, wenn wir der Schwerkraft des Lebens trotzen. Wenn wir also den zähen Teil einer Aufgabe endlich angegangen und überwunden haben, wenn wir ein schwieriges oder unangenehmes Gespräch angegangen sind oder sogar einen Streit klären konnten, wenn wir mit der quengelnden Tochter bei ihrem neuen Klavierstück ein Stück weitergekommen sind, wenn wir trotz stürmischem Novemberregen joggen waren und erschöpft-durchnässt-fröstelnd-glücklich unter der Dusche stehen. Wer eine 100-prozentige positive Lebenseinstellung von sich oder von anderen fordert, der verleugnet eigentlich das Leben, schreibt Barbara Fredrickson. Lebendig sein heißt daher eben auch mal Gegenwind spüren, im Schatten frieren, sich in ein zähes Projekt reinbeißen.
Wem kann ich heute dankbar sein – und wofür? Wir stehen in sozialen Verbindungen und nehmen häufig die anderen, deren Unterstützung, deren Trost, deren Mitarbeit als etwas viel zu Selbstverständliches. Diese dritte Frage hilft, das Selbstverständliche stärker zu wertschätzen, den Fokus auf unsere sozialen Ressourcen zu richten. Die Frage wirkt stärker, wenn Sie den Dankbarkeitsscheinwerfer sehr spezifisch und konkret auf eine oder wenige Personen richten, auf deren Handeln und deren Bedeutung für Sie, als wenn Sie innerlich eine Liste von möglichst vielen Menschen herunterrattern. Sie können die Frage auch gedanklich umdrehen: Was wäre in meinem Leben anders, wenn der oder die fehlen würde, was würde ich ohne ihn oder sie vermissen? Dankbarkeit ist – wie viele andere positive Emotionen – eine Entscheidung! Vielleicht sind Sie ja auch mal einem verstorbenen Mentor oder – ich bin das oft und gerne – der toten Mutter dankbar? Dietrich Bonhoeffer hat geschrieben: „Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“
Wo konnte ich heute meine Stärken ausleben? Für viele Menschen ist das erstmal die schwierigste der vier Fragen – aber auch die mit dem größten Aha-Effekt. Denn wir sind so erzogen („Stell‘ Dein Licht nicht unter den Scheffel“ etc.), unsere Talente und Stärken doch bitte lieber für uns zu behalten als in die Welt hinauszuplärren. Bis sie dann vielleicht im Nachruf oder in der Todesanzeige gewürdigt werden dürfen. Dabei profitieren von vielen unserer eigenen Stärken auch die Projekte, Partner, Organisationen, mit denen wir zu tun haben. Gleichzeitig zeigen etliche Studien, dass verstärktes Bewusstsein und bewussterer Einsatz der eigenen Stärken das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit enorm steigern. (Der wohl weltweit meistverbreitete Stärkentest findet sich hier und das derzeit beste Buch über den Umgang mit Stärken ist aus meiner Sicht dieses hier.)
Zu den Wirkungen der Übung: Viele Rückblick-Techniken stärken erwiesenermaßen das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit derer, die sie praktizieren. Ebner hat in seiner Untersuchung seiner Technik unter anderem folgende Effekte feststellen können: mehr subjektiv erlebte Selbstwirksamkeit; Aufwärtsspirale aus Pull-Verhalten (mehr gezieltes Aufsuchen von stärkenden Situationen/Kontexten) und Push-Handeln (nichtförderliche/unangenehme Situationen früher erkennen, vermeiden und schneller überwinden) und dadurch noch mehr positive und stärkende Beobachtungen; daraus resultierendes verstärktes Durchhaltevermögen usw.
Eine Methode ist immer so gut wie das, was man aus ihr macht. Spielt also mit der Methode! Wie wäre es also, künftig Euer Wochenmeeting in der Arbeit mit den vier Fragen starten zu lassen, vielleicht immer eine Person zu Beginn der Sitzung? Oder vielleicht macht es auch Sinn, die Übung schriftlich festzuhalten, als tägliche Routine (kann aber auch zu einem belastenden Das-auch-noch-To-Do werden, schaut darauf, wie für Euch passt)?
Ich wie gesagt putze so meine Zähne. Funktioniert ziemlich gut, auch der Zahnarzt ist happy.
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins...
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen...
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken... Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will...“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch "The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Mehr delegieren. Fünf Kilo abnehmen. Den Job wechseln. Häufiger ins Fitnessstudio. Eine Stunde früher heimkommen.
Neues Jahr, neues Glück? Viele von uns wollen zum Jahreswechsel wirklich, wirklich etwas ändern. Und stellen ein paar Wochen später frustriert fest: Hat nicht geklappt, wiedermal.
Das mit der Veränderung ist so eine Sache. Denn meistens hat es seinen guten Grund, warum wir ungern abgeben, ein paar Kilo zuviel auf den Rippen haben, den Job schon so lange (aus)halten, seltener Gast im Gym sind, lange arbeiten. Und das ist nicht nur Bequemlichkeit, nein: Wir tun die Dinge so lange und so lange so, wie wir sie tun, bis der Preis dafür zu hoch wird – und die Kosten der Veränderung übersteigt. Eine gute Methode, um das Verhältnis zwischen Nutzen und Preis von Veränderung herauszufinden, um vorher das mögliche Nachher einer Veränderung abzuklären: der Öko-Check. Also ein Abklopfen meines gesamten ökologischen Umfeldes auf die Kosten-Nutzen-Rechnung von Veränderung.
Ein paar Fragen dazu:
Und jetzt viel Spaß und Erfolg beim Delegieren, Abnehmen, Jobwechseln, Workouten, Früh heimkommen!
• Suchen Sie sich einen möglichst ruhigen Raum, in dem Sie nicht gestört werden.
• Setzen Sie sich bequem, aber aufrecht in einen Stuhl, Sessel, auf eine Bank oder was eben gerade verfügbar und recht ist.
• Fokussieren Sie ihre Augen auf einen Punkt am Boden – oder schließen Sie sie.
• Ich höre, was um mich herum ist. Alles darf sein, nichts stört.
• Ich spüre den Boden unter den Füßen. Ich spüre meinen Po auf dem Stuhl. Ich spüre die Lehne unter den Armen. Ich spüre meinen Rücken am Sitz.
• Ich nehme meinen Atem wahr: Wie er durch die Nase oder den Mund einströmt. Wie er durch die Kehle fließt. Wie er in den Bauch wandert. Wie er sich in den Flanken ausbreitet. Wie er hinten unten den Rücken durchströmt.
• Ich will nichts mit dem Atem. Will ihn nicht ändern, manipulieren, verbessern, ich nehme ihn einfach nur wahr. Ein. Aus. Ein. Aus.
• Ich koste die Ruhe nach einem Atemzug aus, den kurzen Moment der Stille. Ein. Aus.
• Ich nehme die Gedanken wahr, wie sie durch den Kopf fliegen, wie vorbeiziehende Wolken am Himmel. Sie dürfen kommen, sie dürfen wieder gehen, ein innerliches „Aha“ – und ich wische sie sanft beiseite. Sie bekommen nachher wieder ihren Raum.
• In jeder Atemruhe zähle ich innerlich. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Und dann nochmals: Eins. Zwei...
• Langsam spüre ich wieder meinen Atem. Meinen Körper. Den Stuhl. Ich komme wieder im Hier und Jetzt an, schüttle mich, strecke mich – und bin wieder voll da.
Diese Übung dauert nicht länger als ein paar Minuten. Vielleicht können Sie sie regelmäßig in Ihren Tagesablauf einbauen? An einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit? Je häufiger Sie üben, desto stärker wird Ihr Fokus-Muskel, desto gelassener können Sie durch die Stürme des Lebens segeln.
Viel Freude und Erfolg dabei!
"Könnten Sie dieses Projekt übernehmen?"
"Ich fänd's super, wenn Sie in dem Termin mit Kunden dabeiwären!"
"Du, nur wenn Du die Präsentation machst, wird sie richtig gut!?"
Wer seinen Job halbwegs ernst nimmt und halbwegs gut macht, kennt das: So viele Wünsche, Angebote, Einladungen, Bitten. Und viel zu viele von uns sagen zu viel zu vielen solcher Dinge den verhängnisvollen Kurzlaut: Ja.
Warum verhängnisvoll? Wer zu viel Ja sagt, hat zu wenig Zeit. Für die wirklich wichtigen Dinge, für die wirklich wichtigen Menschen, für sich selbst. Deshalb hilft es wahrscheinlich auch Ihnen, Ihrer Zufriedenheit, Ihrem Energielevel und ja, auch Ihrer Leistungsfähigkeit im Job, wenn Sie mehr ablehnen, verweigern, absagen.
Bloß wie?
Hier einige Tipps, wie Sie einfacher und klarer Nein sagen können – und damit sich und letztlich auch den anderen das Leben leichter machen:
Na, welche Nein-Strategie funktioniert für Sie am besten? Probieren Sie einmal ein paar aus. Und schreiben Sie mir gerne!
Es gibt Momente, in denen wir uns besonders klar, stark, sortiert und energievoll fühlen. Diese lassen sich für eine effektive und jederzeit abrufbare Technik des Selbstmanagements nutzen, den „Moment of Excellence“ oder die „Ankerübung“. In Momenten, in denen Sie sich gestresst, unklar, schlapp oder sonstwie nicht gut fühlen, in einer Konfliktsituation oder wenn Sie etwas vortragen müssen oder ähnliches, können Sie diese einfache, aber wirksame Mentaltechnik aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) einsetzen. Viele Spitzensportler nützen sie vor Wettkämpfen, auch Sie können sich damit in einen Zustand der Klarheit, Lösungsorientiertheit, Stärke bringen. Und das geht so:
Finden Sie einen „Moment of Excellence“
Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört 20-30 Minuten für sich alleine verbringen können. Nehmen Sie eine bequeme Sitzhaltung ein. Wenn Sie mögen, schließen Sie die Augen. Und erinnern Sie sich an drei Lebenssituationen, in denen Sie sich besonders stark, klar, kraftvoll gefühlt haben, in denen Sie vollen Zugang zu Ihren Stärken und Fähigkeiten hatten und dies spüren konnten. Das mag eine Bergtour sein, eine gut gelöste schwierige Aufgabe, ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch, nur als Beispiele. Vergegenwärtigen Sie sich diese drei schönen Situationen – und suchen Sie spontan die eine davon aus, in der Sie sich am allerbesten, am allerstärksten, am allerklarsten gefühlt haben.
Versuchen Sie, diese Situation mit allen Sinnen nachzuerleben, in sie in allen Einzelheiten nochmals einzutauchen: Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen, was fühlen Sie? Wie ist Ihre Körperhaltung? Wie fühlt sich Ihr Atem an?
Zoomen Sie sich quasi in den „Moment of Excellence“ hinein, in ganz groß, ganz bunt, kosten Sie ihn ganz intensiv aus, in vollen Zügen. Geben Sie diesem Moment ein kurzes Kennwort, eine Überschrift – und setzen Sie anschließend einen so genannten Separator: Öffnen Sie die Augen, trinken Sie ein Glas Wasser, gehen Sie ein paar Schritte oder ähnliches, kommen Sie wieder im Hier und Jetzt an.
Setzen Sie einen Anker
Unsere äußere Haltung, unsere Gestik und Mimik spiegelt immer unser inneres Erleben wieder. Äußere Reize lösen aber auch umgekehrt innere Zustände aus. Und das können Sie jetzt bewusst nutzen: Begeben Sie sich wieder in eine bequeme Haltung, schließen Sie, wenn Sie mögen, wieder die Augen – und rufen Sie sich über Ihr Kennwort Ihre Erfolgssituation wieder auf. Tauchen Sie mit allen Sinnen in den Moment ein, fühlen Sie die Kraft und Freude und Klarheit aus dieser „Alles läuft!“-Situation!
Finden Sie jetzt eine Geste oder Berührung, die zu diesem Erfolgsmoment passt und die Sie am besten jederzeit ausführen können, auch in einem Meeting, beim Autofahren o.ä., ohne dass sie anderen groß auffällt. Das ist der so genannte Anker! Spüren Sie, wie sich die Situation und die damit verbundene Kraft, Klarheit und Zuversicht durch Ihre Geste verstärkt, kosten Sie den Erfolgsmoment eine kurze Weile aus. Testen Sie, ob Sie durch eine leicht andere oder verstärkte Geste den Kraftzustand intensivieren können. Oder ob der Anker schon so perfekt für Sie passt.
Und setzen Sie wieder einen Separator: Öffnen Sie die Augen, nehmen Sie bewusst die Farben, die Töne, Gerüche, Geräusche um sich herum war, gehen Sie ein paar Schritte, schütteln Sie Ihre Glieder, gähnen Sie oder Ähnliches.
Testen Sie den Anker
Machen Sie es sich wieder bequem. Führen Sie Ihre gewählte Bewegung aus, und spüren Sie, wie die Kraft aus dem „Moment of Excellence“ zurückkommt! Spüren Sie der Situation mit allen Sinnen nach. Und setzen Sie erneut einen kurzen Separator, finden Sie wieder ins Hier und Jetzt.
Suchen Sie sich Zielsituationen
Das anstehende Telefonat mit dem Finanzamt, die nächste Begegnung mit dem Chef, das Kritikgespräch mit dem Mitarbeiter: Überlegen Sie sich drei Situationen in der nächsten Zeit, in denen Sie die Kraft und Freude aus Ihrem „Moment of Excellence“ nutzen wollen. Geben Sie jeder dieser drei Situationen ein kurzes Kennwort.
Versetzen Sie sich in die erste der drei Zielsituationen. Und setzen Sie nun Ihren Anker ein: Führen Sie Ihre „Erfolgsgeste“ oder -berührung aus, und stellen Sie sich vor, wie Sie all die Ressourcen aus Ihrem Moment of Excellence in die schwierige Situation hineintransferieren. Kosten Sie die Zielsituation aus, mit all der Kraft und Klarheit, die Sie über den Anker aufrufen können. Woran merken Sie, dass Ihr „Zauberring“ funktioniert? Woran merken es andere?
Setzen Sie wieder den Separator – und gehen Sie nach dem gleichen Verfahren die nächste Zielsituation durch. Und dann die dritte Zielsituation.
Üben Sie den Anker
Je häufiger Sie den Anker in Normalsituationen aufrufen, desto schneller und zuverlässiger steht er Ihnen in schwierigen Momenten zur Verfügung. Üben Sie daher die Technik drei Wochen lang täglich, am besten zu festgelegten Zeiten: beim Zähneputzen, vor dem Aussteigen aus dem Auto oder so. Manche Menschen schreiben sich sogar eine Erinnerung in den Terminkalender im Smartphone – sie finden sicher einen Umgang mit dem Anker, der für Sie passt.
Viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit Ihrem Anker!
Zum Weiterlesen, -klicken:
Eine Videoanleitung zum „Moment of Excellence“ finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=dy1bCI-FVv8
Neben anderen NLP-Methoden ist die Technik unter anderem hier beschrieben: Egon Sawizki: 30 Minuten NLP im Alltag. Gabal-Verlag (ca 8,90 Eur, hier zu bestellen in Ihrem Buchladen ums Eck: https://www.genialokal.de/Produkt/Egon-R-Sawizki/30-Minuten-NLP-im-Alltag_lid_16762713.html?storeID=adam)
Für den spannenden Blog "Creating Corporate Cultures" der Bertelsmann-Stiftung durfte ich aufschreiben, was ich unter Positiver Leadership verstehe. Danke für das Interesse und die tolle Zusammenarbeit! Hier eine leicht überarbeitete Version des Beitrages:
Als ich vor einem guten Jahr erstmals begann, regelmäßig Kontaktlinsen zu tragen, tat ich mich wochenlang mit dem Einsetzen extrem schwer. Vor allem auf dem linken Auge, rechts gings etwas besser. Wenn einmal eingesetzt, war der Effekt von Anfang an überzeugend, aber bis es soweit war, brauchte ich jedes Mal viel Geduld, Nerven und Glück. Vor allem, weil ich zunächst immer mit dem linken, dem „Problemauge“ begann. Richtige Fortschritte machte ich erst, als ich eine wichtige Lektion beherzigte, die ich den Teilnehmern meiner Führungskräfte- und sonstiger Seminare stets predige – als ich nämlich endlich damit begann, als erstes die rechte Kontaktlinse einzusetzen. Dann ging es plötzlich auch mit der schwierigeren linken Seite besser.
Mein Ansatz war zunächst ein typischer - und wenig hilfreicher: Ich versuchte erst Mal, vor allem an meinen Defiziten zu arbeiten, an der „schwachen“ linken Seite herumzudoktern. Erst als ich mich meiner relativen Stärke entsann, als ich auf der erfolgsversprechenderen rechten Seite begann und aus diesem ersten Erfolgserlebnis heraus für die schwierigere Seite lernte, begann auch die linke Seite besser zu werden.
Und darum geht’s bei Positiver Leadership: Den Fokus stärker auf die Erfolgserlebnisse, die Kompetenzen, die Stärken zu richten – und nicht immer nur die – wesentlich aufwändigere, energieraubendere – Unschlimmermachung der Defizite und Schwächen zu betreiben. Sinn einer Organisation, hat nämlich Peter Drucker einst geschrieben, ist es, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu fördern – und damit deren Schwächen irrelevant zu machen.
Positive Leadership ist vor allem drei Dinge – und vor allem eines nicht: Positive Leadership ist wissenschaftsgeleitet, alltagstauglich und multidimensional – und auf gar keinen Fall eine esoterische Heititeiti-Veranstaltung, in der alles immer nur positiv und lieb gemeint ist. Positive Leadership
• kann sich – im Unterschied zu vielen anderen Führungsansätzen – auf teils recht harte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, nämlich die Forschungsergebnisse zu den Wirkfaktoren der Positiven Psychologie
• bietet gleichzeitig erlern-, trainierbare und im Alltag anwendbare Tools an, die Führungskräfte für sich selbst, zur Führung von Teams und Mitarbeitern sowie zum Aufbau und zur Veränderung von Organisationen nutzen können
• hat in vielen Studien positive Effekte auf die Stärkung von Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheitsraten, auf niedrigere Burnoutraten von Führungs- und Fachkräften sowie auf Qualitäts- und andere Performance-Indikatoren nachweisen können
• ist keineswegs eine Kuschelveranstaltung, die auf Kritik und das Angehen von Mängeln verzichtet, ganz im Gegenteil. Allerdings stellt Positive Leadership nicht die Schwächen, Fehler und Misserfolge von Einzelnen, Teams und Organisationen in den Vordergrund – sondern verbindet diese mit dem Bewusstwerden und der Ausweitung von Stärken, Erfolgen, Kompetenzen.
85 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen haben eine geringe oder gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen, nur 15 Prozent brennen wirklich für ihre Aufgabe und ihren Arbeitgeber, so das Ergebnis des Gallup Engagement Index 2018. Dienst nach Anweisung? offenbar eher die Regel als die Ausnahme. In vielen Branchen und Regionen herrscht außerdem Vollbeschäftigung, viele Arbeitgeber müssen sich inzwischen eher um Führungs- und Fachkräfte bewerben als andersherum. Die jungen Arbeitnehmer von heute scheinen zudem viel höhere Ansprüche an Führende zu stellen, ihnen sind Wertschätzung, Anerkennung und gezielte Förderung wichtiger als Eckbüro, Dienstwagen und andere traditionelle Statussymbole. Was ist meine Aufgabe hier, was ist mein Beitrag, wer hat was von meiner Arbeit – auf diese Fragen müssen Führungskräfte heute viel stärker als bisher nachhhaltig befriedigende Antworten liefern. Ein Leitungsverhalten nach Kommando und Kontrolle funktioniert da immer weniger. So zeigt auch eine kürzlich vom eher nicht allzu kapitalismuskritischen Economist veröffentlichte Studie: Der Kapitalismus insgesamt verliert bei den unter 50-Jährigen US-Amerikanern deutlich an Glaubwürdigkeit. Und das war noch deutlich vor Greta Thunbergs USA-Reise. Wie ernstgemeint der vielzitierte Brief vom August 2019 sein mag, in dem die Chefs von Apple, American Express, BCG, Coca Cola und vielen anderen US-Konzernen einen stärkeren Einsatz für den Umweltschutz, mehr Mitarbeiterfreundlichkeit und faire Beziehungen zu den Lieferanten einfordern, darüber kann man sicher streiten. Aber auch er zeigt: In vielen Führungsetagen ist die Frage nach dem Why angekommen.
Positive Leadership kann echte Wettbewerbsvorteile gerade für Unternehmen und Organisationen schaffen, die in Zeiten des Fachkräftemangels um geeignete Kandidaten buhlen müssen und die im Sinne echter Nachhaltigkeit ökologische Verträglichkeit, soziales Engagement und zufriedene Mitarbeiter unter einen Hut bringen wollen. Positives Führen kann Organisationen und Firmen nützliche und umsetzbare Hinweise unter anderem dann geben, wenn
• Teamkonflikte vorherrschen
• hohe Mitarbeiterfluktuationsraten hohe Energie- und Zeitaufwände für das Finden und Binden von Personal verursachen
• die Organisationskultur hohe Burnout-Raten von Führungs- und Fachkräften bedingen
• Qualitäts-, Kundenzufriedenheits- und andere Indikatoren nachlassen
Das bekannteste und am meisten beforschte Modell von Zufriedenheit ist das PERMA-Modell, das der US-Psychologe Martin Seligman Anfang der nuller Jahre entwickelt hat. Es steht für die fünf Dimensionen positive Emotionen (P), Stärkenfokus (E, engagement), Stärkung der Vernetzung und Verbindungen (R, relationships), stärkeres Sinnerleben (M, meaning) und die erhöhte Kultivierung von Errungenschaften und Erfolgserlebnissen (A, achievements). Hier ein kurzer Überblick über die fünf Dimensionen:
- Gefühle lassen sich in einer Matrix mit zwei Achsen darstellen, die eine steht fragt nach der Intensivität, die andere nach der Positivität vs. Negativität. Positive wie negative Emotionen können wir also schwächer oder stärker erleben, Begeisterung, Interesse, Langeweile und Wut wären vier mögliche Emotionsausprägung aus den vier Quadranten. Negative Emotionen haben durchaus ihren Sinn, Furcht oder Ekel haben uns womöglich in früheren Zeiten das Überleben gesichert. Allerdings ist es für Führende höchst sinnvoll, positive Emotionen wie Interesse, Freude, Stolz, Dankbarkeit oder Vergnügen zu kultivieren. Denn, so hat die US-amerikanische Forscherin Barbara Fredrickson herausgefunden, sie weiten unsere emotionalen, kognitiven und sozialen Wahrnehmungsfilter und stärken unsere Abwehrkräfte gegen Krisen und Niederlagen.
- Das Engagement, die zweite PERMA-Säule, lässt sich vor allem durch das verstärkte Ausleben von Stärken erhöhen. Jeder von uns kann manche Dinge besonders gut, tut manches mit großer Leidenschaft – Chefinnen und Chefs sollten sowohl sich selbst als auch ihr Team stärker im Ausbau der Stärken fördern als den mühsamen Abbau von Schwächen fordern. Wer regelmäßig Gelegenheit hat, ihre oder seine Stärken im Beruf auszuleben, bleibt seiner Stelle treuer, meldet sich seltener krank und ist leistungsstärker und kreativer als diejenigen, deren Aufgaben mit persönlichen Neigungen und Kompetenzen wenig zu tun haben.
- „Haben Sie einen richtig guten Freund in der Arbeit?“ Da wo ein hoher Prozentsatz diese Frage bejaht, ist laut Studien des Gallup-Institutes die Mitarbeiterzufriedenheit in der Regel signifikant höher, wird deutlich seltener gemobbt als in Organisationen, wo dies unüblich ist. Persönliche Verbindungen im Büro zu fördern ist also eine weitere, höchst relevante Aufgabe von positiven Leadern.
- Ähnliche Studienergebnisse gibt es zur vierten PERMA-Dimension, dem Erleben von Sinnhaftigkeit: Wer ein Warum hat, erträgt jedes Wie, wusste schon der Wiener Psychologe Viktor Frankl, wohl daher bemüht sich ein Konzern nach dem nächsten derzeit um eine Strategie zur Stärkung des „Purpose“, des unternehmerischen Daseinzwecks. Wer dies erst meint, kommt mit ein paar schicken Powerpoint-Folien, in der Vorstandsetage entwickelt, nicht weit, sondern versucht ernsthaft, das Wozu und Warum von Produkten, Dienstleistungen, aber auch von Veränderungen immer wieder für die Belegschaft greifbar zu machen.
- Das Erleben und die Kommunikation von Errungenschaften und Gelingen stellt die fünfte PERMA-Dimension dar. Selbstwirksamkeit, also die Gewissheit, dass etwas vorwärts geht mit der Arbeit, dass unser Tun zu irgendetwas führt, dass wir Ziele haben und erreichen, ist eine Hauptzutat von individuellem Wohlbefinden. Dazu gehören sowohl anspruchsvolle, aber prinzipiell erreichbare und attraktive Ziele als auch ein konstruktiver Umgang mit Scheitern und Fehlleistungen.
Teilweise überlappen sich die fünf einzelnen Dimensionen, und viele Führungskräfte zahlen in ihrem Handeln laufend auf das PERMA-Konto ihrer Teams und Mitarbeitenden ein. Hier dennoch ein paar konkrete Tipps zur Förderung des PERMA für Sie persönlich, Ihr Team oder Ihre Organisation:
• Der sprichwörtliche Kickertisch in vielen StartUps, der Betriebsausflug, der Obstkorb oder die schicken Büromöbel mancher Vorzeigefirmen: Sie sind nicht nur unternehmerischer Schnickschnack, sie können tatsächlich das Erleben positiver Emotionen stärken – mit den oben erwähnten willkommenen Folgen.
• Was kann ich gut, was zeichnet meine Mitarbeiter aus, welche besonderen Kompetenzen zeichnen meine Teams, Abteilungen, Bereiche aus? Wie kann ich und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass Stärken, Leidenschaften und Kompetenzen nicht nur brachliegen und vom Fokus auf Defizite in den Schatten gestellt, sondern tatsächlich erlebt und genützt werden? Mitarbeitergespräche mit Ressourcenfokus oder der systematische Einsatz von Stärkentests (kostenlos etwa auf www.gluecksforscher.de) können Stärken stärken helfen.
• Wem nützen die Dienstleistungen oder Produkte, die Ihre Organisation oder Firma erschafft, vertreibt, herstellt? Inwiefern tragen diese zu mehr Gerechtigkeit, nachhaltigem Ressourcenumgang oder anderen Nachhaltigkeitsaspekten bei? Fragen dieser Art fördern das Sinnerleben im Unternehmen.
• Wer dankt schon der IT für das funktionierende Internet oder der geräuschlosen Wegarbeiterin für das wieder mal pünktlich abgelieferte, wie immer fehlerfreie Projektpapier? Das gezielte Kommunizieren und Feiern von Erfolgen, die Weitergabe von Lob, gerade auch an Personen, Teams oder Abteilungen, die eher „im Schatten“ vor sich hinwerkeln, macht die fünfte PERMA-Säule aus, Errungenschaften. Hilfreich dabei: Zum einen Vorgaben, die von vornherein möglichst spezifisch, messbar, realistisch und mit konkreten Meilensteinne und Terminen versehen sind. Und zum anderen eine Kultur, die Fehler eher zu verstehen als zu verdammen versucht, in der Risiko und Verantwortungsübernahme eher gefördert als gemieden werden – „psychologische Sicherheit“ heißt dieses Konzept, nach jahrelangen Forschungen des renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) der wichtigste Erfolgsfaktor unter den Spitzenteams bei Google.
Anweisung, Kontrolle und Sanktion – das ist das traditionelle Führungsverständnis eines Managers, der nach Zahlen, Daten und Fakten verwaltet. Das sind und bleiben wichtige Kompetenzen. Positives Führen gemäß der PERMA-Formel hingegen setzt – zusätzlich zu alledem – auf Vertrauen, Stärkung und Ermutigung.
Dabei bleibt es aber nicht bei schönen Formeln, die Kompetenzen positiven Führens lassen sich lernen, trainieren – und messen. Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Markus Ebner hat mit PERMA-Lead (www.perma-lead.com) ein Analysetool entwickelt, mit dem sowohl Einzelne für sich als auch im 360-Grad-Feedback als auch ganze Organisationen ihren PERMA-Level analysieren und gezielt stärken können.
Sei es die Meetingkultur, sei es die Kühlkette in Supermärkten, sei es die Förderung von Kreativität oder ein verbessertes Employer Branding: Institutionen wie die Supermarktkette Lidl, die Ferienwohnungs- und Hotelleriekette Upstalboom, das niederländische Pflegenetzwerk buitzoorg oder die Deutsche Telekom haben mit Methoden der Positiven Leadership ihr unternehmensweites PERMA stärken und damit die unterschiedlichsten Unternehmenskennzahlen verbessern können. Eines aber fällt Ihnen mit Sicherheit leichter, wenn Sie sich ernsthaft mit PERMA beschäftigen: die Sache mit den Kontaktlinsen...
Mal ehrlich: In wievielen Projekten, Arbeitskreisen, Aktionsgruppen, Initiativen oder in agilitätsdeutsch: work streams, subject groups, squads und tribes sind Sie oder Ihr Team mit dabei? Und jetzt noch mal ehrlicher: Hätten Sie gerne mehr davon? Oder weniger? Eben!
Die meisten Organisationen sind extreeeem gut darin, Neues anzufangen. Und tun sich extreeeeeem schwer damit, Altes aufzuhören.
Die Folgen: organisationaler und individueller Burnout, rasender Stillstand, Probleme bei Qualität, Produktivität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Undundund. Hier deshalb ein paar Tipps zum Schlussmachen, Ausmisten, Aufhören, Weglassen.
Digitalisierung, Globalisierung, die Forderungen von Kapitalmarktinvestoren: Das dürften Hauptursachen des chronischen Zuviels sein.
Weil viele Organisationen schlanker geworden sind, sprich: mehr Leute heute das gleiche wie oder mehr als gestern machen müssen , steigt der „Kannst-Du-das-auch-noch-machen“-Druck auf die Verbliebenen häufig.
Nein sagen? Geht in vielen Unternehmenskulturen gar nicht. Erst recht nicht, wenn der Bonus der Chefin oder des Chefs davon abhängt, was sie oder er alles neu anzettelt – und nicht davon, was sie oder er streicht, kürzt, gar nicht erst anfängt. Und dann gibt es da noch die so genannte impact blindness: Gerade in Matrix-Organisationen haben Führende gar nicht den Überblick darüber, was Ihre Mitarbeiter eigentlich so alles machen und was diese Initiative oder jenes zusätzliche Projekt für sie bedeutet.
So viel also zu den Ursachen der Initiativenfülle. Dabei gäbe es so viele gute Gründe, gegen sie anzugehen.
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, er sei mindestens so stolz auf alles, was Apple mache, wie auf all das, was Apple nicht mache.
Denn das Projekte abzuschaffen oder gar nicht erst anzufangen hat für Viele viele unterschiedliche Vorteile:
* Wer für weniger zuständig ist, macht das häufig mit mehr Leidenschaft.
* Wer zufriedener, weniger gestresst und gesünder in die Arbeit kommt, macht bei potenziellen Bewerbern eher Werbung für sein Unternehmen.
* Organisationen, die sich auf weniger Projekte, Prozesse, Produkte fokussieren, machen diese in der Regel besser, effektiver und rentabler.
Wie das organisatorische Entschlacken wirklich gehen kann – dazu liefert Positive Leadership einige Ideen:
* Stärkenfokus: Von den Dingen, die wir tun – wo kann ich, wo kann mein Bereich, wo können wir als Ganzes wirklichen Mehrwert leisten? Worin sind wir richtig gut? Und wo könnten wir unsere PS mehr auf die Straße bringen, wenn wir mehr Luft dafür hätten?
* Energiebilanz: Welche Initiativen und Projekte ziehen mehr Energie als sie produzieren, was fühlt sich irgendwie falsch an? Solche Projekte und Initativen nach einer gleichsam konstruktiven wie kritischen Inventarisierung als erstes stoppen! Alle werden ausatmen!!
* Quartalsputz: Unternehmen sollten sich mindestens vierteljährlich fragen, ob all ihre Initiativen noch sinnvoll und notwendig sind – und wo entschlackt werden kann. Manches merkt eh niemand, wenn es nicht mehr angeboten oder geleistet wird.
* Sollbruchstellen: „Wenn wir bis Mittag nicht an der Alm vorbei sind, schaffen wir es auch nicht mehr sicher auf den Gipfel und kehren dort um.“ Umkehrzeitpunkt heißt das bei uns Bergsteigern. So ähnlich sollten Sie Sollbruchstellen einbauen. Wenn wir bis X nicht Y erreicht haben, dann lassen wir’s eben.
* Lernkultur: Psychologische Sicherheit bedeutet unter anderem, dass Initiativen auch mal schief gehen, Projekte misslingen dürfen, damit man aus ihnen lernen kann. Führende haben hier einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Beendetem und Eingestelltem, Sie sollten also Misserfolge eher als Lernerfahrungen verstehen statt immer mit dem Zeigefinger auf „Schuldige“ zu zeigen.
* Leichenschau: Wenn jemand stirbt, kommt der Arzt und überprüft, ob die Person auch wirklich tot ist. Für manche Projekte, die eigentliche eingestellt sind, wäre das auch hilfreich. Denn häufig gibt es für sie noch Mailverteiler, Budgets, Organigramme – oder gar Meetings. Das saugt Zeit, Energie, Geld. Beendete Projekte also wirklich beenden, notfalls auch mit würdiger Grabrede. Dann geistern sie nicht als Zombies weiter durch die Kellergewölbe der Organisation.
Liebe Positiv Führende, welche Erfahrungen haben Sie/habt Ihr mit dem Beenden von Projekten gemacht? Was klappt, was ist zu beachten? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Tipps!
Herzlich Christian Thiele
Ich weiß ja nicht, was Ihr so beim Zähneputzen macht.
Aber ich habe vor ein paar Jahren etwas entdeckt, das mir deutlich weiterhilft, gut aus dem Tag zu kommen. Beim Zähneputzen. Es ist mein Beitrag zum #WorldMentalHealthDay:
Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Dr. Markus Ebner hat eine Technik entwickelt, wissenschaftlich testen lassen und veröffentlicht, die dabei hilft, den Scheinwerfer zu richten auf das, was läuft, was gut klappt, auf die Stärken – und damit zu mehr Erfolg, mehr Sinnhaftigkeit, mehr Gesundheit und mehr, das sage ich jetzt, Gaudi in der Arbeit beiträgt: die vier Gute-Nacht-Fragen (hier der Link zur Original-Veröffentlichung: https://link.springer.com/article/10.1007/s11613-017-0508-2). Meine Elektrozahbürste summt vier Mal, für jeden Quadranten im Gebiss, vorne oben, vorne hinten, unten vorne, unten hinten, so wie es der Zahnarzt empfielt. Passt perfekt zu den Gute-Nacht-Fragen. Ich stelle sie hier in leicht veränderter Form vor:
Hier ein paar Erläuterungen zu den einzelnen Fragen:
Was hat mir heute positive Emotionen verschafft? Die Frage ist für die meisten Menschen erstmal recht simpel zu beantworten, in der Regel fielen den Befragten, die Ebner für seine Studie untersucht hat, sinnliche Erfahrungen (Schönes sehen, schmecken, hören), der Wert von positiven Begegnungen und Beziehungen oder Erfolge als Antworten auf die Frage ein. Aber man kann die Frage auch statt mit der Taschenlampe mit einem extrastarken Suchscheinwerfer angehen, also sich fragen: Wo habe ich heute Erhabenes, Witziges, Interessantes erfahren, wo habe ich Gefühle wie Befriedigung, Euphorie, Stolz, Inspiration, Liebe gespürt? Emotionen, die kein Luxus sind, sondern in unserer evolutionären Hardware fest verankert sind! Und die, das wissen wir dank der Emotionsforscherin Barbara Fredricksson, unsere mentale, soziale und seelische Wahrnehmung stärken, uns gegen negative Gefühle und Erlebnisse abpolstern und somit eine echte Aufwärtsspirale ermöglichen.
Wo habe ich mich heute lebendig gefühlt? Die Frage wird im allgemeinen etwas weniger sonnig aufgefasst, denn lebendig fühlen wir uns häufig dann, wenn wir der Schwerkraft des Lebens trotzen. Wenn wir also den zähen Teil einer Aufgabe endlich angegangen und überwunden haben, wenn wir ein schwieriges oder unangenehmes Gespräch angegangen sind oder sogar einen Streit klären konnten, wenn wir mit der quengelnden Tochter bei ihrem neuen Klavierstück ein Stück weitergekommen sind, wenn wir trotz stürmischem Novemberregen joggen waren und erschöpft-durchnässt-fröstelnd-glücklich unter der Dusche stehen. Wer eine 100-prozentige positive Lebenseinstellung von sich oder von anderen fordert, der verleugnet eigentlich das Leben, schreibt Barbara Fredrickson. Lebendig sein heißt daher eben auch mal Gegenwind spüren, im Schatten frieren, sich in ein zähes Projekt reinbeißen.
Wem kann ich heute dankbar sein – und wofür? Wir stehen in sozialen Verbindungen und nehmen häufig die anderen, deren Unterstützung, deren Trost, deren Mitarbeit als etwas viel zu Selbstverständliches. Diese dritte Frage hilft, das Selbstverständliche stärker zu wertschätzen, den Fokus auf unsere sozialen Ressourcen zu richten. Die Frage wirkt stärker, wenn Sie den Dankbarkeitsscheinwerfer sehr spezifisch und konkret auf eine oder wenige Personen richten, auf deren Handeln und deren Bedeutung für Sie, als wenn Sie innerlich eine Liste von möglichst vielen Menschen herunterrattern. Sie können die Frage auch gedanklich umdrehen: Was wäre in meinem Leben anders, wenn der oder die fehlen würde, was würde ich ohne ihn oder sie vermissen? Dankbarkeit ist – wie viele andere positive Emotionen – eine Entscheidung! Vielleicht sind Sie ja auch mal einem verstorbenen Mentor oder – ich bin das oft und gerne – der toten Mutter dankbar? Dietrich Bonhoeffer hat geschrieben: „Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“
Wo konnte ich heute meine Stärken ausleben? Für viele Menschen ist das erstmal die schwierigste der vier Fragen – aber auch die mit dem größten Aha-Effekt. Denn wir sind so erzogen („Stell‘ Dein Licht nicht unter den Scheffel“ etc.), unsere Talente und Stärken doch bitte lieber für uns zu behalten als in die Welt hinauszuplärren. Bis sie dann vielleicht im Nachruf oder in der Todesanzeige gewürdigt werden dürfen. Dabei profitieren von vielen unserer eigenen Stärken auch die Projekte, Partner, Organisationen, mit denen wir zu tun haben. Gleichzeitig zeigen etliche Studien, dass verstärktes Bewusstsein und bewussterer Einsatz der eigenen Stärken das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit enorm steigern. (Der wohl weltweit meistverbreitete Stärkentest findet sich hier und das derzeit beste Buch über den Umgang mit Stärken ist aus meiner Sicht dieses hier.)
Zu den Wirkungen der Übung: Viele Rückblick-Techniken stärken erwiesenermaßen das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit derer, die sie praktizieren. Ebner hat in seiner Untersuchung seiner Technik unter anderem folgende Effekte feststellen können: mehr subjektiv erlebte Selbstwirksamkeit; Aufwärtsspirale aus Pull-Verhalten (mehr gezieltes Aufsuchen von stärkenden Situationen/Kontexten) und Push-Handeln (nichtförderliche/unangenehme Situationen früher erkennen, vermeiden und schneller überwinden) und dadurch noch mehr positive und stärkende Beobachtungen; daraus resultierendes verstärktes Durchhaltevermögen usw.
Eine Methode ist immer so gut wie das, was man aus ihr macht. Spielt also mit der Methode! Wie wäre es also, künftig Euer Wochenmeeting in der Arbeit mit den vier Fragen starten zu lassen, vielleicht immer eine Person zu Beginn der Sitzung? Oder vielleicht macht es auch Sinn, die Übung schriftlich festzuhalten, als tägliche Routine (kann aber auch zu einem belastenden Das-auch-noch-To-Do werden, schaut darauf, wie für Euch passt)?
Ich wie gesagt putze so meine Zähne. Funktioniert ziemlich gut, auch der Zahnarzt ist happy.
Erfolgreicher, effizienter, resilienter, sinnerfüllter und mit mehr Freude führen, mich selbst, meine Mitarbeiter und meine Organisation: Darum geht es in den Methoden des Positiven Führens. Die Methoden und Praktiken der Positiven Leadership schaffen, im Unterschied zu den meisten anderen Führungstechniken, messbar positive Effekte: Mehr Mitarbeitermotivation, geringere Krankheits- und Ausfallzeiten, höhere Kundenzufriedenheitswerte sowie höhere Erträge sind nur einige der Folgen von Positiver Leadership, die seit Ende der neunziger Jahre durch immer mehr wissenschaftliche Studien in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen belegt werden können. Die Methoden sind gleichzeitig leicht erlern- und trainierbar, lassen sich erfahrungsgemäß einfach und schnell im Arbeitsalltag für die Führung von Teams und Organisationen einbauen.
Eine neue Seminarstaffel dazu biete ich ab sofort beim VDI an, die Workshops sind vor allem, aber nicht nur für technische Fach- und Führungskräfte gedacht. Diese Seminare sind natürlich auch als Inhouse-Workshops buchbar. Sprechen Sie mich bei Interesse gerne an! Hier der Link: https://www.vdi-wissensforum.de/management-fuer-ingenieure/positive-leadership/
Geschafft: Der Dienstag, 2. Juli ist der 183. Tag des Jahres 2019. 50,14% des Arbeitsjahres sind damit rum – das sind, wenn ich mich nicht verrechnet habe, mehr als die Hälfte. Das heißt: Bergfest!
Anlass für einen Rückblick, für Sie selbst, für Ihr Team, für Ihre Organisation. Hier ein paar Anregungen dazu – wie immer bei mir aus der Perspektive der Positiven Leadership:
- Was hat gut geklappt, bei mir, bei uns im Team, in unserer Organisation? Was sind Erfolge, Errungenschaften, Fortschritte, auf die ich, auf die wir stolz sein können?
- Was kann ich besonders gut, was können wir besonders gut? Welche meiner Stärken kann ich bei den aktuellen Herausforderungen besonders gut brauchen? Welche unserer Stärken helfen uns derzeit besonders? Wie können diese Stärken, Talente, Kompetenzen noch stärker, auf neue Art in Wirkung gebracht werden, in welchen Bereichen, mit wem?
- Wovon sollte es in meinem, in unserem Alltag noch mehr geben? Was kommt zu kurz, was müsste größer, stärker, wichtiger werden?
- Und was kann dafür weg? Was hat sich überlebt, lohnt nicht mehr den Einsatz, kann vielleicht auch wer anders machen?
Viel Erfolg und Spaß beim Sinnieren! Und vor allem: viel Erfolg, Kreativität, Spaß und Sinnerfüllung für den Rest von 2019. Wenn ich Sie dabei unterstützen kann, melden Sie sich gerne!
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins...
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen...
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken... Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will...“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch "The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Als Chefin oder Chef für mehr Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl, Sinnhaftigkeit und, ja: Glück in der Arbeit sorgen – das lohnt sich! Für mich selbst, für mein Team, für meine Organisation. Es macht mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur gesünder, zufriedener und besser – es stärkt auch die wirtschaftliche Performance.
Wie das gehen könnte?
Weil bald Weltglückstag ist, und weil die Zahl sieben seit jeher und in vielen Kulturen und Religionen für Glück steht: Hier sieben Tipps dazu.
Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Geduld und Ehrgeiz zugleich! Geduld, denn Sie haben gerade die wichtigsten Prinzipien der Positiven Leadership kennengelernt. Die einzuführen, ist ein echter Change-Prozess, und der braucht wie jede Veränderung Geduld und Langmut. Und gleichzeitig wünsche ich Ihnen den Ehrgeiz, sich ein, zwei Glücksstrategien herauszusuchen, die zu Ihnen, Ihrer Arbeitskultur und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passen könnte – und dann einfach üben und am Ball bleiben! Viel Spaß und Glück dabei!
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Mehr delegieren. Fünf Kilo abnehmen. Den Job wechseln. Häufiger ins Fitnessstudio. Eine Stunde früher heimkommen.
Neues Jahr, neues Glück? Viele von uns wollen zum Jahreswechsel wirklich, wirklich etwas ändern. Und stellen ein paar Wochen später frustriert fest: Hat nicht geklappt, wiedermal.
Das mit der Veränderung ist so eine Sache. Denn meistens hat es seinen guten Grund, warum wir ungern abgeben, ein paar Kilo zuviel auf den Rippen haben, den Job schon so lange (aus)halten, seltener Gast im Gym sind, lange arbeiten. Und das ist nicht nur Bequemlichkeit, nein: Wir tun die Dinge so lange und so lange so, wie wir sie tun, bis der Preis dafür zu hoch wird – und die Kosten der Veränderung übersteigt. Eine gute Methode, um das Verhältnis zwischen Nutzen und Preis von Veränderung herauszufinden, um vorher das mögliche Nachher einer Veränderung abzuklären: der Öko-Check. Also ein Abklopfen meines gesamten ökologischen Umfeldes auf die Kosten-Nutzen-Rechnung von Veränderung.
Ein paar Fragen dazu:
Und jetzt viel Spaß und Erfolg beim Delegieren, Abnehmen, Jobwechseln, Workouten, Früh heimkommen!
• Suchen Sie sich einen möglichst ruhigen Raum, in dem Sie nicht gestört werden.
• Setzen Sie sich bequem, aber aufrecht in einen Stuhl, Sessel, auf eine Bank oder was eben gerade verfügbar und recht ist.
• Fokussieren Sie ihre Augen auf einen Punkt am Boden – oder schließen Sie sie.
• Ich höre, was um mich herum ist. Alles darf sein, nichts stört.
• Ich spüre den Boden unter den Füßen. Ich spüre meinen Po auf dem Stuhl. Ich spüre die Lehne unter den Armen. Ich spüre meinen Rücken am Sitz.
• Ich nehme meinen Atem wahr: Wie er durch die Nase oder den Mund einströmt. Wie er durch die Kehle fließt. Wie er in den Bauch wandert. Wie er sich in den Flanken ausbreitet. Wie er hinten unten den Rücken durchströmt.
• Ich will nichts mit dem Atem. Will ihn nicht ändern, manipulieren, verbessern, ich nehme ihn einfach nur wahr. Ein. Aus. Ein. Aus.
• Ich koste die Ruhe nach einem Atemzug aus, den kurzen Moment der Stille. Ein. Aus.
• Ich nehme die Gedanken wahr, wie sie durch den Kopf fliegen, wie vorbeiziehende Wolken am Himmel. Sie dürfen kommen, sie dürfen wieder gehen, ein innerliches „Aha“ – und ich wische sie sanft beiseite. Sie bekommen nachher wieder ihren Raum.
• In jeder Atemruhe zähle ich innerlich. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Und dann nochmals: Eins. Zwei...
• Langsam spüre ich wieder meinen Atem. Meinen Körper. Den Stuhl. Ich komme wieder im Hier und Jetzt an, schüttle mich, strecke mich – und bin wieder voll da.
Diese Übung dauert nicht länger als ein paar Minuten. Vielleicht können Sie sie regelmäßig in Ihren Tagesablauf einbauen? An einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit? Je häufiger Sie üben, desto stärker wird Ihr Fokus-Muskel, desto gelassener können Sie durch die Stürme des Lebens segeln.
Viel Freude und Erfolg dabei!
"Könnten Sie dieses Projekt übernehmen?"
"Ich fänd's super, wenn Sie in dem Termin mit Kunden dabeiwären!"
"Du, nur wenn Du die Präsentation machst, wird sie richtig gut!?"
Wer seinen Job halbwegs ernst nimmt und halbwegs gut macht, kennt das: So viele Wünsche, Angebote, Einladungen, Bitten. Und viel zu viele von uns sagen zu viel zu vielen solcher Dinge den verhängnisvollen Kurzlaut: Ja.
Warum verhängnisvoll? Wer zu viel Ja sagt, hat zu wenig Zeit. Für die wirklich wichtigen Dinge, für die wirklich wichtigen Menschen, für sich selbst. Deshalb hilft es wahrscheinlich auch Ihnen, Ihrer Zufriedenheit, Ihrem Energielevel und ja, auch Ihrer Leistungsfähigkeit im Job, wenn Sie mehr ablehnen, verweigern, absagen.
Bloß wie?
Hier einige Tipps, wie Sie einfacher und klarer Nein sagen können – und damit sich und letztlich auch den anderen das Leben leichter machen:
Na, welche Nein-Strategie funktioniert für Sie am besten? Probieren Sie einmal ein paar aus. Und schreiben Sie mir gerne!
Es gibt Momente, in denen wir uns besonders klar, stark, sortiert und energievoll fühlen. Diese lassen sich für eine effektive und jederzeit abrufbare Technik des Selbstmanagements nutzen, den „Moment of Excellence“ oder die „Ankerübung“. In Momenten, in denen Sie sich gestresst, unklar, schlapp oder sonstwie nicht gut fühlen, in einer Konfliktsituation oder wenn Sie etwas vortragen müssen oder ähnliches, können Sie diese einfache, aber wirksame Mentaltechnik aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) einsetzen. Viele Spitzensportler nützen sie vor Wettkämpfen, auch Sie können sich damit in einen Zustand der Klarheit, Lösungsorientiertheit, Stärke bringen. Und das geht so:
Finden Sie einen „Moment of Excellence“
Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört 20-30 Minuten für sich alleine verbringen können. Nehmen Sie eine bequeme Sitzhaltung ein. Wenn Sie mögen, schließen Sie die Augen. Und erinnern Sie sich an drei Lebenssituationen, in denen Sie sich besonders stark, klar, kraftvoll gefühlt haben, in denen Sie vollen Zugang zu Ihren Stärken und Fähigkeiten hatten und dies spüren konnten. Das mag eine Bergtour sein, eine gut gelöste schwierige Aufgabe, ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch, nur als Beispiele. Vergegenwärtigen Sie sich diese drei schönen Situationen – und suchen Sie spontan die eine davon aus, in der Sie sich am allerbesten, am allerstärksten, am allerklarsten gefühlt haben.
Versuchen Sie, diese Situation mit allen Sinnen nachzuerleben, in sie in allen Einzelheiten nochmals einzutauchen: Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen, was fühlen Sie? Wie ist Ihre Körperhaltung? Wie fühlt sich Ihr Atem an?
Zoomen Sie sich quasi in den „Moment of Excellence“ hinein, in ganz groß, ganz bunt, kosten Sie ihn ganz intensiv aus, in vollen Zügen. Geben Sie diesem Moment ein kurzes Kennwort, eine Überschrift – und setzen Sie anschließend einen so genannten Separator: Öffnen Sie die Augen, trinken Sie ein Glas Wasser, gehen Sie ein paar Schritte oder ähnliches, kommen Sie wieder im Hier und Jetzt an.
Setzen Sie einen Anker
Unsere äußere Haltung, unsere Gestik und Mimik spiegelt immer unser inneres Erleben wieder. Äußere Reize lösen aber auch umgekehrt innere Zustände aus. Und das können Sie jetzt bewusst nutzen: Begeben Sie sich wieder in eine bequeme Haltung, schließen Sie, wenn Sie mögen, wieder die Augen – und rufen Sie sich über Ihr Kennwort Ihre Erfolgssituation wieder auf. Tauchen Sie mit allen Sinnen in den Moment ein, fühlen Sie die Kraft und Freude und Klarheit aus dieser „Alles läuft!“-Situation!
Finden Sie jetzt eine Geste oder Berührung, die zu diesem Erfolgsmoment passt und die Sie am besten jederzeit ausführen können, auch in einem Meeting, beim Autofahren o.ä., ohne dass sie anderen groß auffällt. Das ist der so genannte Anker! Spüren Sie, wie sich die Situation und die damit verbundene Kraft, Klarheit und Zuversicht durch Ihre Geste verstärkt, kosten Sie den Erfolgsmoment eine kurze Weile aus. Testen Sie, ob Sie durch eine leicht andere oder verstärkte Geste den Kraftzustand intensivieren können. Oder ob der Anker schon so perfekt für Sie passt.
Und setzen Sie wieder einen Separator: Öffnen Sie die Augen, nehmen Sie bewusst die Farben, die Töne, Gerüche, Geräusche um sich herum war, gehen Sie ein paar Schritte, schütteln Sie Ihre Glieder, gähnen Sie oder Ähnliches.
Testen Sie den Anker
Machen Sie es sich wieder bequem. Führen Sie Ihre gewählte Bewegung aus, und spüren Sie, wie die Kraft aus dem „Moment of Excellence“ zurückkommt! Spüren Sie der Situation mit allen Sinnen nach. Und setzen Sie erneut einen kurzen Separator, finden Sie wieder ins Hier und Jetzt.
Suchen Sie sich Zielsituationen
Das anstehende Telefonat mit dem Finanzamt, die nächste Begegnung mit dem Chef, das Kritikgespräch mit dem Mitarbeiter: Überlegen Sie sich drei Situationen in der nächsten Zeit, in denen Sie die Kraft und Freude aus Ihrem „Moment of Excellence“ nutzen wollen. Geben Sie jeder dieser drei Situationen ein kurzes Kennwort.
Versetzen Sie sich in die erste der drei Zielsituationen. Und setzen Sie nun Ihren Anker ein: Führen Sie Ihre „Erfolgsgeste“ oder -berührung aus, und stellen Sie sich vor, wie Sie all die Ressourcen aus Ihrem Moment of Excellence in die schwierige Situation hineintransferieren. Kosten Sie die Zielsituation aus, mit all der Kraft und Klarheit, die Sie über den Anker aufrufen können. Woran merken Sie, dass Ihr „Zauberring“ funktioniert? Woran merken es andere?
Setzen Sie wieder den Separator – und gehen Sie nach dem gleichen Verfahren die nächste Zielsituation durch. Und dann die dritte Zielsituation.
Üben Sie den Anker
Je häufiger Sie den Anker in Normalsituationen aufrufen, desto schneller und zuverlässiger steht er Ihnen in schwierigen Momenten zur Verfügung. Üben Sie daher die Technik drei Wochen lang täglich, am besten zu festgelegten Zeiten: beim Zähneputzen, vor dem Aussteigen aus dem Auto oder so. Manche Menschen schreiben sich sogar eine Erinnerung in den Terminkalender im Smartphone – sie finden sicher einen Umgang mit dem Anker, der für Sie passt.
Viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit Ihrem Anker!
Zum Weiterlesen, -klicken:
Eine Videoanleitung zum „Moment of Excellence“ finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=dy1bCI-FVv8
Neben anderen NLP-Methoden ist die Technik unter anderem hier beschrieben: Egon Sawizki: 30 Minuten NLP im Alltag. Gabal-Verlag (ca 8,90 Eur, hier zu bestellen in Ihrem Buchladen ums Eck: https://www.genialokal.de/Produkt/Egon-R-Sawizki/30-Minuten-NLP-im-Alltag_lid_16762713.html?storeID=adam)
Sie müssen/dürfen/sollen/werden eine Rede auf der Weihnachtsfeier halten und wissen noch nicht, wie und was? Hier fünf Tipps, wie Sie im Geiste der Positiven Leadership einige motivierende, inspirierende, wertschätzende Worte an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten können:
Was hat Sie im abgelaufenen Jahr inspiriert, interessiert, was hat Ihnen Freude bereitet – und womit bereitet Ihre Arbeit Freude? Wer positive Emotionen wie Interesse, Ehrfurcht, Liebe oder Neugier kultiviert, bereitet seinen Zuhörern nicht nur einen schönen Moment, sondern erhöht ihre sozialen, mentalen und kreativen Fähigkeiten.
Worin ist Ihr Team, Ihre Firma, Ihre Organisation richtig gut? Wofür bekommen Sie Komplimente von Bürgern, Kunden oder anderen Beteiligten? Was sind Stärken der Einzelnen, des Teams, der Abteilung, der Firma? Je konkreter die Beispiele, die Sie nennen, desto besser.
Was macht den Teamgeist bei Ihnen in der Arbeit aus? Wie geht man miteinander um, was sind besondere Momente von Unterstützung, Solidarität, Zusammenhalt, die Sie herausstreichen können?
Wofür steht Ihre Organisation, wie macht Ihre Abteilung das Leben von Kunden, Bürgern oder vielleicht sogar die Umwelt besser? Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern Sinnhaftigkeit, erklären Sie Ihnen (noch einmal) das Wofür wichtiger Innovationen und Projekte.
Hier müssen wir besser werden, da kommt was auf uns zu, dort sind Veränderungen nötig: In vielen Weihnachtsreden geht es immer nur um das, was fehlt, um das Nicht-Erreichte. Machen Sie es anders, unterstreichen Sie Errungenschaften, Fortschritte, Highlights. Und loben Sie dabei besonders jene, die nie oder selten gelobt wird, weil ihr Anteil am Erfolg weniger Sichtbar ist.
Viel Freude und Erfolg dabei!
Für den spannenden Blog "Creating Corporate Cultures" der Bertelsmann-Stiftung durfte ich aufschreiben, was ich unter Positiver Leadership verstehe. Danke für das Interesse und die tolle Zusammenarbeit! Hier eine leicht überarbeitete Version des Beitrages:
Als ich vor einem guten Jahr erstmals begann, regelmäßig Kontaktlinsen zu tragen, tat ich mich wochenlang mit dem Einsetzen extrem schwer. Vor allem auf dem linken Auge, rechts gings etwas besser. Wenn einmal eingesetzt, war der Effekt von Anfang an überzeugend, aber bis es soweit war, brauchte ich jedes Mal viel Geduld, Nerven und Glück. Vor allem, weil ich zunächst immer mit dem linken, dem „Problemauge“ begann. Richtige Fortschritte machte ich erst, als ich eine wichtige Lektion beherzigte, die ich den Teilnehmern meiner Führungskräfte- und sonstiger Seminare stets predige – als ich nämlich endlich damit begann, als erstes die rechte Kontaktlinse einzusetzen. Dann ging es plötzlich auch mit der schwierigeren linken Seite besser.
Mein Ansatz war zunächst ein typischer - und wenig hilfreicher: Ich versuchte erst Mal, vor allem an meinen Defiziten zu arbeiten, an der „schwachen“ linken Seite herumzudoktern. Erst als ich mich meiner relativen Stärke entsann, als ich auf der erfolgsversprechenderen rechten Seite begann und aus diesem ersten Erfolgserlebnis heraus für die schwierigere Seite lernte, begann auch die linke Seite besser zu werden.
Und darum geht’s bei Positiver Leadership: Den Fokus stärker auf die Erfolgserlebnisse, die Kompetenzen, die Stärken zu richten – und nicht immer nur die – wesentlich aufwändigere, energieraubendere – Unschlimmermachung der Defizite und Schwächen zu betreiben. Sinn einer Organisation, hat nämlich Peter Drucker einst geschrieben, ist es, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu fördern – und damit deren Schwächen irrelevant zu machen.
Positive Leadership ist vor allem drei Dinge – und vor allem eines nicht: Positive Leadership ist wissenschaftsgeleitet, alltagstauglich und multidimensional – und auf gar keinen Fall eine esoterische Heititeiti-Veranstaltung, in der alles immer nur positiv und lieb gemeint ist. Positive Leadership
• kann sich – im Unterschied zu vielen anderen Führungsansätzen – auf teils recht harte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, nämlich die Forschungsergebnisse zu den Wirkfaktoren der Positiven Psychologie
• bietet gleichzeitig erlern-, trainierbare und im Alltag anwendbare Tools an, die Führungskräfte für sich selbst, zur Führung von Teams und Mitarbeitern sowie zum Aufbau und zur Veränderung von Organisationen nutzen können
• hat in vielen Studien positive Effekte auf die Stärkung von Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheitsraten, auf niedrigere Burnoutraten von Führungs- und Fachkräften sowie auf Qualitäts- und andere Performance-Indikatoren nachweisen können
• ist keineswegs eine Kuschelveranstaltung, die auf Kritik und das Angehen von Mängeln verzichtet, ganz im Gegenteil. Allerdings stellt Positive Leadership nicht die Schwächen, Fehler und Misserfolge von Einzelnen, Teams und Organisationen in den Vordergrund – sondern verbindet diese mit dem Bewusstwerden und der Ausweitung von Stärken, Erfolgen, Kompetenzen.
85 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen haben eine geringe oder gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen, nur 15 Prozent brennen wirklich für ihre Aufgabe und ihren Arbeitgeber, so das Ergebnis des Gallup Engagement Index 2018. Dienst nach Anweisung? offenbar eher die Regel als die Ausnahme. In vielen Branchen und Regionen herrscht außerdem Vollbeschäftigung, viele Arbeitgeber müssen sich inzwischen eher um Führungs- und Fachkräfte bewerben als andersherum. Die jungen Arbeitnehmer von heute scheinen zudem viel höhere Ansprüche an Führende zu stellen, ihnen sind Wertschätzung, Anerkennung und gezielte Förderung wichtiger als Eckbüro, Dienstwagen und andere traditionelle Statussymbole. Was ist meine Aufgabe hier, was ist mein Beitrag, wer hat was von meiner Arbeit – auf diese Fragen müssen Führungskräfte heute viel stärker als bisher nachhhaltig befriedigende Antworten liefern. Ein Leitungsverhalten nach Kommando und Kontrolle funktioniert da immer weniger. So zeigt auch eine kürzlich vom eher nicht allzu kapitalismuskritischen Economist veröffentlichte Studie: Der Kapitalismus insgesamt verliert bei den unter 50-Jährigen US-Amerikanern deutlich an Glaubwürdigkeit. Und das war noch deutlich vor Greta Thunbergs USA-Reise. Wie ernstgemeint der vielzitierte Brief vom August 2019 sein mag, in dem die Chefs von Apple, American Express, BCG, Coca Cola und vielen anderen US-Konzernen einen stärkeren Einsatz für den Umweltschutz, mehr Mitarbeiterfreundlichkeit und faire Beziehungen zu den Lieferanten einfordern, darüber kann man sicher streiten. Aber auch er zeigt: In vielen Führungsetagen ist die Frage nach dem Why angekommen.
Positive Leadership kann echte Wettbewerbsvorteile gerade für Unternehmen und Organisationen schaffen, die in Zeiten des Fachkräftemangels um geeignete Kandidaten buhlen müssen und die im Sinne echter Nachhaltigkeit ökologische Verträglichkeit, soziales Engagement und zufriedene Mitarbeiter unter einen Hut bringen wollen. Positives Führen kann Organisationen und Firmen nützliche und umsetzbare Hinweise unter anderem dann geben, wenn
• Teamkonflikte vorherrschen
• hohe Mitarbeiterfluktuationsraten hohe Energie- und Zeitaufwände für das Finden und Binden von Personal verursachen
• die Organisationskultur hohe Burnout-Raten von Führungs- und Fachkräften bedingen
• Qualitäts-, Kundenzufriedenheits- und andere Indikatoren nachlassen
Das bekannteste und am meisten beforschte Modell von Zufriedenheit ist das PERMA-Modell, das der US-Psychologe Martin Seligman Anfang der nuller Jahre entwickelt hat. Es steht für die fünf Dimensionen positive Emotionen (P), Stärkenfokus (E, engagement), Stärkung der Vernetzung und Verbindungen (R, relationships), stärkeres Sinnerleben (M, meaning) und die erhöhte Kultivierung von Errungenschaften und Erfolgserlebnissen (A, achievements). Hier ein kurzer Überblick über die fünf Dimensionen:
- Gefühle lassen sich in einer Matrix mit zwei Achsen darstellen, die eine steht fragt nach der Intensivität, die andere nach der Positivität vs. Negativität. Positive wie negative Emotionen können wir also schwächer oder stärker erleben, Begeisterung, Interesse, Langeweile und Wut wären vier mögliche Emotionsausprägung aus den vier Quadranten. Negative Emotionen haben durchaus ihren Sinn, Furcht oder Ekel haben uns womöglich in früheren Zeiten das Überleben gesichert. Allerdings ist es für Führende höchst sinnvoll, positive Emotionen wie Interesse, Freude, Stolz, Dankbarkeit oder Vergnügen zu kultivieren. Denn, so hat die US-amerikanische Forscherin Barbara Fredrickson herausgefunden, sie weiten unsere emotionalen, kognitiven und sozialen Wahrnehmungsfilter und stärken unsere Abwehrkräfte gegen Krisen und Niederlagen.
- Das Engagement, die zweite PERMA-Säule, lässt sich vor allem durch das verstärkte Ausleben von Stärken erhöhen. Jeder von uns kann manche Dinge besonders gut, tut manches mit großer Leidenschaft – Chefinnen und Chefs sollten sowohl sich selbst als auch ihr Team stärker im Ausbau der Stärken fördern als den mühsamen Abbau von Schwächen fordern. Wer regelmäßig Gelegenheit hat, ihre oder seine Stärken im Beruf auszuleben, bleibt seiner Stelle treuer, meldet sich seltener krank und ist leistungsstärker und kreativer als diejenigen, deren Aufgaben mit persönlichen Neigungen und Kompetenzen wenig zu tun haben.
- „Haben Sie einen richtig guten Freund in der Arbeit?“ Da wo ein hoher Prozentsatz diese Frage bejaht, ist laut Studien des Gallup-Institutes die Mitarbeiterzufriedenheit in der Regel signifikant höher, wird deutlich seltener gemobbt als in Organisationen, wo dies unüblich ist. Persönliche Verbindungen im Büro zu fördern ist also eine weitere, höchst relevante Aufgabe von positiven Leadern.
- Ähnliche Studienergebnisse gibt es zur vierten PERMA-Dimension, dem Erleben von Sinnhaftigkeit: Wer ein Warum hat, erträgt jedes Wie, wusste schon der Wiener Psychologe Viktor Frankl, wohl daher bemüht sich ein Konzern nach dem nächsten derzeit um eine Strategie zur Stärkung des „Purpose“, des unternehmerischen Daseinzwecks. Wer dies erst meint, kommt mit ein paar schicken Powerpoint-Folien, in der Vorstandsetage entwickelt, nicht weit, sondern versucht ernsthaft, das Wozu und Warum von Produkten, Dienstleistungen, aber auch von Veränderungen immer wieder für die Belegschaft greifbar zu machen.
- Das Erleben und die Kommunikation von Errungenschaften und Gelingen stellt die fünfte PERMA-Dimension dar. Selbstwirksamkeit, also die Gewissheit, dass etwas vorwärts geht mit der Arbeit, dass unser Tun zu irgendetwas führt, dass wir Ziele haben und erreichen, ist eine Hauptzutat von individuellem Wohlbefinden. Dazu gehören sowohl anspruchsvolle, aber prinzipiell erreichbare und attraktive Ziele als auch ein konstruktiver Umgang mit Scheitern und Fehlleistungen.
Teilweise überlappen sich die fünf einzelnen Dimensionen, und viele Führungskräfte zahlen in ihrem Handeln laufend auf das PERMA-Konto ihrer Teams und Mitarbeitenden ein. Hier dennoch ein paar konkrete Tipps zur Förderung des PERMA für Sie persönlich, Ihr Team oder Ihre Organisation:
• Der sprichwörtliche Kickertisch in vielen StartUps, der Betriebsausflug, der Obstkorb oder die schicken Büromöbel mancher Vorzeigefirmen: Sie sind nicht nur unternehmerischer Schnickschnack, sie können tatsächlich das Erleben positiver Emotionen stärken – mit den oben erwähnten willkommenen Folgen.
• Was kann ich gut, was zeichnet meine Mitarbeiter aus, welche besonderen Kompetenzen zeichnen meine Teams, Abteilungen, Bereiche aus? Wie kann ich und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass Stärken, Leidenschaften und Kompetenzen nicht nur brachliegen und vom Fokus auf Defizite in den Schatten gestellt, sondern tatsächlich erlebt und genützt werden? Mitarbeitergespräche mit Ressourcenfokus oder der systematische Einsatz von Stärkentests (kostenlos etwa auf www.gluecksforscher.de) können Stärken stärken helfen.
• Wem nützen die Dienstleistungen oder Produkte, die Ihre Organisation oder Firma erschafft, vertreibt, herstellt? Inwiefern tragen diese zu mehr Gerechtigkeit, nachhaltigem Ressourcenumgang oder anderen Nachhaltigkeitsaspekten bei? Fragen dieser Art fördern das Sinnerleben im Unternehmen.
• Wer dankt schon der IT für das funktionierende Internet oder der geräuschlosen Wegarbeiterin für das wieder mal pünktlich abgelieferte, wie immer fehlerfreie Projektpapier? Das gezielte Kommunizieren und Feiern von Erfolgen, die Weitergabe von Lob, gerade auch an Personen, Teams oder Abteilungen, die eher „im Schatten“ vor sich hinwerkeln, macht die fünfte PERMA-Säule aus, Errungenschaften. Hilfreich dabei: Zum einen Vorgaben, die von vornherein möglichst spezifisch, messbar, realistisch und mit konkreten Meilensteinne und Terminen versehen sind. Und zum anderen eine Kultur, die Fehler eher zu verstehen als zu verdammen versucht, in der Risiko und Verantwortungsübernahme eher gefördert als gemieden werden – „psychologische Sicherheit“ heißt dieses Konzept, nach jahrelangen Forschungen des renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) der wichtigste Erfolgsfaktor unter den Spitzenteams bei Google.
Anweisung, Kontrolle und Sanktion – das ist das traditionelle Führungsverständnis eines Managers, der nach Zahlen, Daten und Fakten verwaltet. Das sind und bleiben wichtige Kompetenzen. Positives Führen gemäß der PERMA-Formel hingegen setzt – zusätzlich zu alledem – auf Vertrauen, Stärkung und Ermutigung.
Dabei bleibt es aber nicht bei schönen Formeln, die Kompetenzen positiven Führens lassen sich lernen, trainieren – und messen. Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Markus Ebner hat mit PERMA-Lead (www.perma-lead.com) ein Analysetool entwickelt, mit dem sowohl Einzelne für sich als auch im 360-Grad-Feedback als auch ganze Organisationen ihren PERMA-Level analysieren und gezielt stärken können.
Sei es die Meetingkultur, sei es die Kühlkette in Supermärkten, sei es die Förderung von Kreativität oder ein verbessertes Employer Branding: Institutionen wie die Supermarktkette Lidl, die Ferienwohnungs- und Hotelleriekette Upstalboom, das niederländische Pflegenetzwerk buitzoorg oder die Deutsche Telekom haben mit Methoden der Positiven Leadership ihr unternehmensweites PERMA stärken und damit die unterschiedlichsten Unternehmenskennzahlen verbessern können. Eines aber fällt Ihnen mit Sicherheit leichter, wenn Sie sich ernsthaft mit PERMA beschäftigen: die Sache mit den Kontaktlinsen...
Mal ehrlich: In wievielen Projekten, Arbeitskreisen, Aktionsgruppen, Initiativen oder in agilitätsdeutsch: work streams, subject groups, squads und tribes sind Sie oder Ihr Team mit dabei? Und jetzt noch mal ehrlicher: Hätten Sie gerne mehr davon? Oder weniger? Eben!
Die meisten Organisationen sind extreeeem gut darin, Neues anzufangen. Und tun sich extreeeeeem schwer damit, Altes aufzuhören.
Die Folgen: organisationaler und individueller Burnout, rasender Stillstand, Probleme bei Qualität, Produktivität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Undundund. Hier deshalb ein paar Tipps zum Schlussmachen, Ausmisten, Aufhören, Weglassen.
Digitalisierung, Globalisierung, die Forderungen von Kapitalmarktinvestoren: Das dürften Hauptursachen des chronischen Zuviels sein.
Weil viele Organisationen schlanker geworden sind, sprich: mehr Leute heute das gleiche wie oder mehr als gestern machen müssen , steigt der „Kannst-Du-das-auch-noch-machen“-Druck auf die Verbliebenen häufig.
Nein sagen? Geht in vielen Unternehmenskulturen gar nicht. Erst recht nicht, wenn der Bonus der Chefin oder des Chefs davon abhängt, was sie oder er alles neu anzettelt – und nicht davon, was sie oder er streicht, kürzt, gar nicht erst anfängt. Und dann gibt es da noch die so genannte impact blindness: Gerade in Matrix-Organisationen haben Führende gar nicht den Überblick darüber, was Ihre Mitarbeiter eigentlich so alles machen und was diese Initiative oder jenes zusätzliche Projekt für sie bedeutet.
So viel also zu den Ursachen der Initiativenfülle. Dabei gäbe es so viele gute Gründe, gegen sie anzugehen.
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, er sei mindestens so stolz auf alles, was Apple mache, wie auf all das, was Apple nicht mache.
Denn das Projekte abzuschaffen oder gar nicht erst anzufangen hat für Viele viele unterschiedliche Vorteile:
* Wer für weniger zuständig ist, macht das häufig mit mehr Leidenschaft.
* Wer zufriedener, weniger gestresst und gesünder in die Arbeit kommt, macht bei potenziellen Bewerbern eher Werbung für sein Unternehmen.
* Organisationen, die sich auf weniger Projekte, Prozesse, Produkte fokussieren, machen diese in der Regel besser, effektiver und rentabler.
Wie das organisatorische Entschlacken wirklich gehen kann – dazu liefert Positive Leadership einige Ideen:
* Stärkenfokus: Von den Dingen, die wir tun – wo kann ich, wo kann mein Bereich, wo können wir als Ganzes wirklichen Mehrwert leisten? Worin sind wir richtig gut? Und wo könnten wir unsere PS mehr auf die Straße bringen, wenn wir mehr Luft dafür hätten?
* Energiebilanz: Welche Initiativen und Projekte ziehen mehr Energie als sie produzieren, was fühlt sich irgendwie falsch an? Solche Projekte und Initativen nach einer gleichsam konstruktiven wie kritischen Inventarisierung als erstes stoppen! Alle werden ausatmen!!
* Quartalsputz: Unternehmen sollten sich mindestens vierteljährlich fragen, ob all ihre Initiativen noch sinnvoll und notwendig sind – und wo entschlackt werden kann. Manches merkt eh niemand, wenn es nicht mehr angeboten oder geleistet wird.
* Sollbruchstellen: „Wenn wir bis Mittag nicht an der Alm vorbei sind, schaffen wir es auch nicht mehr sicher auf den Gipfel und kehren dort um.“ Umkehrzeitpunkt heißt das bei uns Bergsteigern. So ähnlich sollten Sie Sollbruchstellen einbauen. Wenn wir bis X nicht Y erreicht haben, dann lassen wir’s eben.
* Lernkultur: Psychologische Sicherheit bedeutet unter anderem, dass Initiativen auch mal schief gehen, Projekte misslingen dürfen, damit man aus ihnen lernen kann. Führende haben hier einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Beendetem und Eingestelltem, Sie sollten also Misserfolge eher als Lernerfahrungen verstehen statt immer mit dem Zeigefinger auf „Schuldige“ zu zeigen.
* Leichenschau: Wenn jemand stirbt, kommt der Arzt und überprüft, ob die Person auch wirklich tot ist. Für manche Projekte, die eigentliche eingestellt sind, wäre das auch hilfreich. Denn häufig gibt es für sie noch Mailverteiler, Budgets, Organigramme – oder gar Meetings. Das saugt Zeit, Energie, Geld. Beendete Projekte also wirklich beenden, notfalls auch mit würdiger Grabrede. Dann geistern sie nicht als Zombies weiter durch die Kellergewölbe der Organisation.
Liebe Positiv Führende, welche Erfahrungen haben Sie/habt Ihr mit dem Beenden von Projekten gemacht? Was klappt, was ist zu beachten? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Tipps!
Herzlich Christian Thiele
Ressortleiterinnen, Textchefs, Chefredakteurinnen: Speziell für Führende in den Medien (aber nicht nur) gibt's neue Seminare von mir zu #PositiveLeadership an der Akademie der Deutschen Medien! Ich freue mich drauf und auf Euch – here we go: medien-akademie.de/seminarangebot…
Keine Ressource wird in Organisationen so vergeudet wie die Energie, die ihre Mitarbeiter in und für Meetings aufwenden. Dabei sind gelungene Meetings enorm wichtig und hilfreich. Mit den Methoden der Positiven Leadership können Sie in Meetings für mehr Effizienz, Kreativität, Gesundheit und Gaudi in Ihrem Unternehmen sorgen. Wie das geht? Hier ein paar schwer wirksame und leicht umsetzbare Tipps dazu:
Das so genannte Parkinsonsche Gesetz lautet: Arbeit dehnt sich immer auf genau die Zeit aus, die zu ihrer Erledigung zur Verfügung steht. Einen großen Einfluss auf erfolgreiche Meetings hat daher das Timing: Planen Sie für Meetings immer etwas weniger Zeit als nötig. Lieber nach 50 produktiven Minuten vertagen als nach anderhalb Stunden Meetingkaugummi erschöpft vom Stuhl fallen! Setzen Sie ruhig mal eine ungerade Anfangszeit an. Und starten Sie unbedingt pünktlich! Das tun nämlich bestenfalls 50 Prozent der Meetings, hat der US-Forscher Steven Rogelberg ermittelt. Und ein unpünktlicher Start verschlechtert die Chancen auf eine produktive Sitzung enorm. Vielleicht macht ja auch ein Kurzmeeting, ein so genannter Huddle, für Sie Sinn: 10 Minuten im Stehen, nur ein kurzer Abgleich, wer woran ist, und das drei- oder fünfmal die Woche – damit bekommen viele Teams und Organisationen enormen Wumms in ihre Arbeit.
Meeting-Audits haben ergeben: In mehr als jedem zweiten Meeting sitzen zwei oder mehr Personen zu viel, die eigentlich gar nicht da sein müssten oder sollten. Also bei der Agendaplanung darauf achten: Wer ist wann für wie lange nötig? Wer kann mit welchen Erfahrungen, Stärken, Kompetenzen etwas zu dem Meeting beitragen? Vielleicht reicht ja auch ein kurzer Input von Person X zum Anfang oder Ende des Meetings – und den Rest der Zeit kann er oder sie der sonstigen Arbeit nachgehen. Von Entscheidungen oder Diskussionen Betroffene können auch anders eingebunden und informiert werden – zum Beispiel durch die Einladung zu Impuls-Mails vorab oder Debriefs danach. Der legendäre Apple-Chef Steve Jobs hat einmal die Teilnahme an einer Runde im Weißen Haus mit Barack Obama abgesagt, weil ihm zu viele Menschen auf der Teilnehmerliste standen...
Der positive Auftakt eines Meetings hat enormen Einfluss auf die weitere Kreatitivät, Ideenfindung und Stimmung. Interesse, Freude, Stolz, Neugier und andere positive Emotionen sind nicht nur nett. Sondern sie stärken nachweislich a) unsere geistigen, seelischen und sozialen Fähigkeiten und b) sind eine Art Abwehrschicht gegen Stress, Ärger und andere negative Emotionen. Bis zu 30 Prozent unserer Leistungsfähigkeit, schreibt Daniel Goleman (der mit der emotionalen Intelligenz...), hängen von unserer Stimmung ab. Starten Sie also beispielsweise mit einer TaDa-Runde, nennen Sie oder lassen Sie Dinge benennen, die seit dem letzten Meeting gut gelaufen sind, erzählen Sie von Kundenkomplimenten oder lassen Sie jeden eine kleine Fortschrittsnachricht vortragen. Keine Sorge, Sie können nachher immer noch Probleme, Herausforderungen und Misserfolge ansprechen, aber fokussieren Sie zum Start lieber erstmal auf das WWW (What went well)!
In vielen Meetings ist die Sitzordnung vorgegeben und immer gleich – und damit auch die Hackordnung. Menschen, die nebeneinander sitzen, stimmen einander häufiger zu. Wenn Sie also produktive neue Sichtweisen fördern wollen, setzen Sie sich immer mal wieder auf einen neuen Platz, nicht immer neben den selben Personen. Oder stellen Sie, so macht das angeblich Amazon, immer noch mal einen leeren Stuhl dazu, auf dem der imaginierte Kunde sitzt – hilft angeblich, dessen Perspektive stärker in den Raum zu holen.
Es gibt die Lauten und Schnellen, die sich immer, mehrfach und länglich zu allem möglichen melden. Und es gibt die Introvertierteren, die fünf Mal nachdenken, bevor sie etwas sagen – aber deshalb nicht weniger wichtige Beiträge hätten – wenn sie nur dazu kämen... Immer gut daher: Entweder kurze Runden in das Meeting einbauen ("Jeder mal bitte gerade zwei Sätze zu seiner Sicht auf Thema XY") . Oder Einzelne gezielt ansprechen ("Du als Expertin auf dem Gebiet, was meinst Du dazu?")
Für unseren Eindruck von Filmen, Mehr-Gänge-Menüs, Ehen und Meetings sind der Anfang und das Ende entscheidend. Enden Sie also erstens pünktlich und zweitens mit einem Tusch, einem konstruktiven Abschluss. Das kann sein:
Haben Sie weitere Ideen und Tipps für konstruktivere Meetings? Ich freue mich auf Ihre Anregungen!
Wer (gut) delegieren kann, macht sich nicht den eigenen Schreibtisch auf Kosten der MitarbeiterInnen leerer, oder zumindest nicht nur – sie oder er schafft damit echten Mehrwert für alle Beteiligten: Abgeben können an wen anders ist ein Vertrauensbeweis. Ermöglicht neue, andere Wege. Und gibt der oder dem Beauftragten die Möglichkeit, an neuen Anforderungen zu wachsen, dazuzulernen. Und, ja, es entlastet die/den DelegierendeN.
Abgeben sollten Führende
* Spezialistenaufgaben, die andere eh besser können als man selbst
* Routinejobs
* Alles, was nicht dringend oder zwingend die eigene Präsenz und Handschrift erfordert
Delegiert werden können
* Vorentwürfe, über die die Chefin/der Chef dann noch mal das letzte Wort behält
* Termine, Zuständigkeiten, die nicht zwingend ad personam laufen, sondern die auch in Vertretung erledigt werden können
Undelegierbar sind in aller Regel
* Hochrisikoentscheidungen
* Sehr sensible, vertrauliche Themen
* Krisenhandling
* Mitarbeitermotivation und Führung
* Zielsetzung, Zielerreichungskontrolle
Nach dem Modell des Situativen Führens ist je nach Aufgabe, Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden zu entscheiden, was wem wie zu übertragen ist und wer bei was mehr Führung oder engschrittigere Kontrolle braucht.
Was wäre ein guter Zielzustand, bei dem die Aufgabe gut erledigt wäre? Wieviel Abweichung vom Soll wäre ok, und mit welchen Hindernissen ist möglicherweise zu rechnen?
Welche Unterstützung, Tools, Befugnisse, Budgets braucht und bekommt die/der Beauftragte? Gibt es bestimmte Vorgehensweisen, Verfahren, die hilfreich sein können oder befolgt werden müssen? Welche Kompetenzen könnten helfen, um die Aufgaben gut erfüllen zu können? Und – typischer Beratergedanke, sorry – welche Seminare könnten dafür nötig sein?
Last-minute-Delegation funktioniert häufig nicht, daher sollte die Entscheidung über eine Übertragung von Zuständigkeiten immer so früh wie möglich erfolgen. Wirksam delegiert ist, wenn ein (realistischer) Endtermin festgelegt und kommuniziert wird. Und häufig sind auf dem Weg dorthin ein paar Meilensteine sinnvoll.
Was nach meiner Erfahrung häufig am Abgebenkönnen hindert:
Ich weiß ja nicht, was Ihr so beim Zähneputzen macht.
Aber ich habe vor ein paar Jahren etwas entdeckt, das mir deutlich weiterhilft, gut aus dem Tag zu kommen. Beim Zähneputzen. Es ist mein Beitrag zum #WorldMentalHealthDay:
Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Dr. Markus Ebner hat eine Technik entwickelt, wissenschaftlich testen lassen und veröffentlicht, die dabei hilft, den Scheinwerfer zu richten auf das, was läuft, was gut klappt, auf die Stärken – und damit zu mehr Erfolg, mehr Sinnhaftigkeit, mehr Gesundheit und mehr, das sage ich jetzt, Gaudi in der Arbeit beiträgt: die vier Gute-Nacht-Fragen (hier der Link zur Original-Veröffentlichung: https://link.springer.com/article/10.1007/s11613-017-0508-2). Meine Elektrozahbürste summt vier Mal, für jeden Quadranten im Gebiss, vorne oben, vorne hinten, unten vorne, unten hinten, so wie es der Zahnarzt empfielt. Passt perfekt zu den Gute-Nacht-Fragen. Ich stelle sie hier in leicht veränderter Form vor:
Hier ein paar Erläuterungen zu den einzelnen Fragen:
Was hat mir heute positive Emotionen verschafft? Die Frage ist für die meisten Menschen erstmal recht simpel zu beantworten, in der Regel fielen den Befragten, die Ebner für seine Studie untersucht hat, sinnliche Erfahrungen (Schönes sehen, schmecken, hören), der Wert von positiven Begegnungen und Beziehungen oder Erfolge als Antworten auf die Frage ein. Aber man kann die Frage auch statt mit der Taschenlampe mit einem extrastarken Suchscheinwerfer angehen, also sich fragen: Wo habe ich heute Erhabenes, Witziges, Interessantes erfahren, wo habe ich Gefühle wie Befriedigung, Euphorie, Stolz, Inspiration, Liebe gespürt? Emotionen, die kein Luxus sind, sondern in unserer evolutionären Hardware fest verankert sind! Und die, das wissen wir dank der Emotionsforscherin Barbara Fredricksson, unsere mentale, soziale und seelische Wahrnehmung stärken, uns gegen negative Gefühle und Erlebnisse abpolstern und somit eine echte Aufwärtsspirale ermöglichen.
Wo habe ich mich heute lebendig gefühlt? Die Frage wird im allgemeinen etwas weniger sonnig aufgefasst, denn lebendig fühlen wir uns häufig dann, wenn wir der Schwerkraft des Lebens trotzen. Wenn wir also den zähen Teil einer Aufgabe endlich angegangen und überwunden haben, wenn wir ein schwieriges oder unangenehmes Gespräch angegangen sind oder sogar einen Streit klären konnten, wenn wir mit der quengelnden Tochter bei ihrem neuen Klavierstück ein Stück weitergekommen sind, wenn wir trotz stürmischem Novemberregen joggen waren und erschöpft-durchnässt-fröstelnd-glücklich unter der Dusche stehen. Wer eine 100-prozentige positive Lebenseinstellung von sich oder von anderen fordert, der verleugnet eigentlich das Leben, schreibt Barbara Fredrickson. Lebendig sein heißt daher eben auch mal Gegenwind spüren, im Schatten frieren, sich in ein zähes Projekt reinbeißen.
Wem kann ich heute dankbar sein – und wofür? Wir stehen in sozialen Verbindungen und nehmen häufig die anderen, deren Unterstützung, deren Trost, deren Mitarbeit als etwas viel zu Selbstverständliches. Diese dritte Frage hilft, das Selbstverständliche stärker zu wertschätzen, den Fokus auf unsere sozialen Ressourcen zu richten. Die Frage wirkt stärker, wenn Sie den Dankbarkeitsscheinwerfer sehr spezifisch und konkret auf eine oder wenige Personen richten, auf deren Handeln und deren Bedeutung für Sie, als wenn Sie innerlich eine Liste von möglichst vielen Menschen herunterrattern. Sie können die Frage auch gedanklich umdrehen: Was wäre in meinem Leben anders, wenn der oder die fehlen würde, was würde ich ohne ihn oder sie vermissen? Dankbarkeit ist – wie viele andere positive Emotionen – eine Entscheidung! Vielleicht sind Sie ja auch mal einem verstorbenen Mentor oder – ich bin das oft und gerne – der toten Mutter dankbar? Dietrich Bonhoeffer hat geschrieben: „Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“
Wo konnte ich heute meine Stärken ausleben? Für viele Menschen ist das erstmal die schwierigste der vier Fragen – aber auch die mit dem größten Aha-Effekt. Denn wir sind so erzogen („Stell‘ Dein Licht nicht unter den Scheffel“ etc.), unsere Talente und Stärken doch bitte lieber für uns zu behalten als in die Welt hinauszuplärren. Bis sie dann vielleicht im Nachruf oder in der Todesanzeige gewürdigt werden dürfen. Dabei profitieren von vielen unserer eigenen Stärken auch die Projekte, Partner, Organisationen, mit denen wir zu tun haben. Gleichzeitig zeigen etliche Studien, dass verstärktes Bewusstsein und bewussterer Einsatz der eigenen Stärken das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit enorm steigern. (Der wohl weltweit meistverbreitete Stärkentest findet sich hier und das derzeit beste Buch über den Umgang mit Stärken ist aus meiner Sicht dieses hier.)
Zu den Wirkungen der Übung: Viele Rückblick-Techniken stärken erwiesenermaßen das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit derer, die sie praktizieren. Ebner hat in seiner Untersuchung seiner Technik unter anderem folgende Effekte feststellen können: mehr subjektiv erlebte Selbstwirksamkeit; Aufwärtsspirale aus Pull-Verhalten (mehr gezieltes Aufsuchen von stärkenden Situationen/Kontexten) und Push-Handeln (nichtförderliche/unangenehme Situationen früher erkennen, vermeiden und schneller überwinden) und dadurch noch mehr positive und stärkende Beobachtungen; daraus resultierendes verstärktes Durchhaltevermögen usw.
Eine Methode ist immer so gut wie das, was man aus ihr macht. Spielt also mit der Methode! Wie wäre es also, künftig Euer Wochenmeeting in der Arbeit mit den vier Fragen starten zu lassen, vielleicht immer eine Person zu Beginn der Sitzung? Oder vielleicht macht es auch Sinn, die Übung schriftlich festzuhalten, als tägliche Routine (kann aber auch zu einem belastenden Das-auch-noch-To-Do werden, schaut darauf, wie für Euch passt)?
Ich wie gesagt putze so meine Zähne. Funktioniert ziemlich gut, auch der Zahnarzt ist happy.
Erfolgreicher, effizienter, resilienter, sinnerfüllter und mit mehr Freude führen, mich selbst, meine Mitarbeiter und meine Organisation: Darum geht es in den Methoden des Positiven Führens. Die Methoden und Praktiken der Positiven Leadership schaffen, im Unterschied zu den meisten anderen Führungstechniken, messbar positive Effekte: Mehr Mitarbeitermotivation, geringere Krankheits- und Ausfallzeiten, höhere Kundenzufriedenheitswerte sowie höhere Erträge sind nur einige der Folgen von Positiver Leadership, die seit Ende der neunziger Jahre durch immer mehr wissenschaftliche Studien in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen belegt werden können. Die Methoden sind gleichzeitig leicht erlern- und trainierbar, lassen sich erfahrungsgemäß einfach und schnell im Arbeitsalltag für die Führung von Teams und Organisationen einbauen.
Eine neue Seminarstaffel dazu biete ich ab sofort beim VDI an, die Workshops sind vor allem, aber nicht nur für technische Fach- und Führungskräfte gedacht. Diese Seminare sind natürlich auch als Inhouse-Workshops buchbar. Sprechen Sie mich bei Interesse gerne an! Hier der Link: https://www.vdi-wissensforum.de/management-fuer-ingenieure/positive-leadership/
Geschafft: Der Dienstag, 2. Juli ist der 183. Tag des Jahres 2019. 50,14% des Arbeitsjahres sind damit rum – das sind, wenn ich mich nicht verrechnet habe, mehr als die Hälfte. Das heißt: Bergfest!
Anlass für einen Rückblick, für Sie selbst, für Ihr Team, für Ihre Organisation. Hier ein paar Anregungen dazu – wie immer bei mir aus der Perspektive der Positiven Leadership:
- Was hat gut geklappt, bei mir, bei uns im Team, in unserer Organisation? Was sind Erfolge, Errungenschaften, Fortschritte, auf die ich, auf die wir stolz sein können?
- Was kann ich besonders gut, was können wir besonders gut? Welche meiner Stärken kann ich bei den aktuellen Herausforderungen besonders gut brauchen? Welche unserer Stärken helfen uns derzeit besonders? Wie können diese Stärken, Talente, Kompetenzen noch stärker, auf neue Art in Wirkung gebracht werden, in welchen Bereichen, mit wem?
- Wovon sollte es in meinem, in unserem Alltag noch mehr geben? Was kommt zu kurz, was müsste größer, stärker, wichtiger werden?
- Und was kann dafür weg? Was hat sich überlebt, lohnt nicht mehr den Einsatz, kann vielleicht auch wer anders machen?
Viel Erfolg und Spaß beim Sinnieren! Und vor allem: viel Erfolg, Kreativität, Spaß und Sinnerfüllung für den Rest von 2019. Wenn ich Sie dabei unterstützen kann, melden Sie sich gerne!
„Was ist für Sie eine gute Frage?“, will ich von den Teilnehmern eines Führungskräfteseminars wissen. Es handelt sich ausnahmslos um sehr erfahrene Chefinnen und Chefs, die seit vielen Jahren, teils mehreren Jahrzehnten Mitarbeiter einstellen, anleiten, führen. Da meldet sich ein Teilnehmer und sagt: „Eine Frage ist dann gut, wenn ich vorher schon die Antwort darauf kenne. Ich bin ja schließlich Führungskraft!“ Aus meiner Sicht ist diese Antwort typisch für das traditionelle Selbstverständnis vieler Führungskräfte: „Ich muss alles besser wissen als meine Mitarbeiter. Ich muss meinen Mitarbeitern immer sagen, wo es lang geht. Offen diskutieren, offene Fragen stellen, mal nicht wissen, wo die Reise hingeht – das sind Zeichen von Führungsschwäche.“
„Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum? Wer nichts fragt, bleibt dumm.“ So geht das Sesamstraßenlied. Und niemand frägt so gut wie Kinder im Sesamstraßenalter, so herrlich unbefangen, unbefangen, subversiv: „Papa, warum ist die Erde rund? Papa, wie macht man Kinder? Papa, ist der Pabst eigentlich ein Mensch oder ein Tier?“ Solche Fragen können nur Kinder stellen, leider.
Journalisten, deren Job es ja ist, Wahrheit herauszufinden, bekommen von Anfang an eingebimst, die W-Fragen zu stellen: Wer? Wo? Wann? Warum? Erst dann, wenn ein Text möglichst alle W-Fragen beantwortet, ist er für den Druck geeignet, auch wenn es nur um den Radlunfall in der Bahnhofstraße geht.
Fragen dienen also einerseits dazu, Informationen zu gewinnen. Und andererseits schaffen Fragen – zumindest gute – auch etwas Neues. Denn in jeder ernst gemeinten Frage steckt das Angebot, die Dinge doch auch mal ganz anders als bisher zu sehen.
Das Ausrufezeichen beendet, legt fest. Das Fragezeichen beginnt, weitet, verändert. Wenn wir als Führende unseren Mitarbeitern Fragen stellen, dann:
Aber natürlich nur, wenn wir a) Fragen stellen, auf die wir die Antwort noch nicht kennen und b) wenn uns die Antworten überhaupt interessieren.
Das Fragen ist natürlich keine Technik, die in der Positiven Psychologie erfunden wurde. In Beratung, Therapie und Coaching ist das Fragen seit Jahrzehnten gängige Praxis. Vor allem die so genannten Systemiker, also jene Schule, die den Fokus auf Ressourcen und Lösungen legt statt immer nur auf Probleme und die auch den Kontext, das Umfeld, die Beziehungen des Einzelnen im Blick hat, legen seit jeher großen Wert auf gutes Fragehandwerk.
Eine Führungskraft, die fragt, zeigt Neugier. Macht vor, dass keiner alles wissen kann. Lädt dazu ein, die Welt auch mal auf den Kopf zu stellen. Hier ein paar Tipps zu unterschiedlichen Arten des Fragens für Ihren Umgang mit Teams und einzelnen Mitarbeitern:
Je verzweifelter die Lage bei Teams oder Einzelnen, desto wichtiger, ihn oder sie aus dem Problemsumpf heraus und in das Möglichkeitsdenken hineinzubringen. Zum Beispiel mit Fragen nach Ressourcen, Stärken, Kompetenzen:
Was können Sie besonders gut?
Was sind Ihre Stärken/die Stärken des Teams?
Was genau hat dabei geholfen, Projekt XY so schnell, so präzise, so erfolgreich abzuschließen?
In welchen Momenten tritt das Problem in der Abteilung nicht oder kaum auf?
In unserem Gehirn wird das Belohnungszentrum mitsamt seinen Glückshormonen aktiviert, wenn wir über Hin-zu-Ziele in den Blick nehmen, statt immer nur von Weg-von-Zielen zu sprechen:
Wenn es komplett nach Ihnen ginge, was müsste Ziel der Arbeitsgruppe XY sein?
Wie sieht das Team nach einer erfolgreichen Umgestaltung aus? Und woran wird der Unterschied zu erkennen sein?
Vor allem wenn es in Veränderungsprozessen vermeintlich wenig weitergeht, hilft Differenzierung, die Wahrnehmung von Grauschattierungen statt reinem Schwarz-Weiß-Denken:
Wer im Team ist mit der aktuellen Lage am zufriedensten?
Was hat sich verändert, seitdem wir mit Programm X, Verfahren Y oder Schema Z arbeiten?
Zu wie viel Prozent steht Kollege Meier denn wirklich vor der Kündigung?
Wie würden Sie auf einer Skala von 0 – schlecht – bis 10 – super – die Stimmung, die Klarheit der einzelnen Zuständigkeiten, die Klarheit der Teamziele etc. beurteilen?
Wenn Optionen hin- und hergewälzt werden und irgendwann mal alle Optionen auf sämtliche Vor- und Nachteile abgeklopft sind, kann man mit Aktionsfragen den Weg ins Handeln verkürzen:
Wie sieht der nächste kleine Schritt aus?
Was können wir jetzt ganz konkret, am besten noch heute, tun, um...?
Besonders in scheinbar festgefahrenen Situationen kann das so genannte zirkuläre Fragen Erweiterungsmöglichkeiten bieten, da es neue Perspektiven eröffnen kann:
Wie denkt Abteilung X über das Problem bei Ihnen?
Wer leidet am meisten unter dem Konflikt zwischen X und Y?
Woran würden Kunden, Lieferanten, Mitbewerber o.ä. merken, dass sich an diesem Punkt etwas verändert hat?
Die so genannten paradoxen oder Verschlimmerungsfragen laden zu einem – manchmal irritierenden – Perspektivwechsel ein. Sie können hochwirksam sein, sollten aber gut eingeführt werden, zum Beispiel mit einer Vorbemerkung in dieser oder ähnlicher Art: „Jetzt mal eine Frage, die Ihnen vielleicht sehr merkwürdig vorkommen mag...“
Was müsste passieren, damit die Zusammenarbeit in Ihrer Abteilung noch schlechter wird?
Was würde dem Team fehlen, wenn das Problem plötzlich weg wäre?
Der so genannte Öko-Check kann gerade beim Erarbeiten von Lösungswegen sinnvoll sein, um diese Ansätze wetterfest gegen innere und äußere Einwände, gegen die Anfechtungen des Alltags zu gestalten:
Wie wird Abteilung XY von dieser Veränderung betroffen sein?
Wer oder was könnte einer Lösung des Problems im Weg stehen?
Wer oder was könnte bei der Überwindung dieses Hindernisses hilfreich sein?
Ein paar Tipps:
Und die wichtigste aller Kommunikationstechniken? Auf die komme ich demnächst zu sprechen...
Aus meinem Buch "Positiv führen für Dummies", das voraussichtlich Ende 2019 bei Wiley erscheint. Interessiert an einem Vorabdruck und/oder weiteren Informationen dazu? Schreiben Sie mir gerne an buch@positiv-fuehren.de
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins...
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen...
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken... Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will...“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch "The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Als Chefin oder Chef für mehr Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl, Sinnhaftigkeit und, ja: Glück in der Arbeit sorgen – das lohnt sich! Für mich selbst, für mein Team, für meine Organisation. Es macht mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur gesünder, zufriedener und besser – es stärkt auch die wirtschaftliche Performance.
Wie das gehen könnte?
Weil bald Weltglückstag ist, und weil die Zahl sieben seit jeher und in vielen Kulturen und Religionen für Glück steht: Hier sieben Tipps dazu.
Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Geduld und Ehrgeiz zugleich! Geduld, denn Sie haben gerade die wichtigsten Prinzipien der Positiven Leadership kennengelernt. Die einzuführen, ist ein echter Change-Prozess, und der braucht wie jede Veränderung Geduld und Langmut. Und gleichzeitig wünsche ich Ihnen den Ehrgeiz, sich ein, zwei Glücksstrategien herauszusuchen, die zu Ihnen, Ihrer Arbeitskultur und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passen könnte – und dann einfach üben und am Ball bleiben! Viel Spaß und Glück dabei!
Für wen?
Wenn Sie eine Abteilung/einen Bereich/ein Team leiten oder in einem arbeiten oder für eines als PersonalerIn zuständig sind, das:
dann könnte eine Teamentwicklung durchaus Sinn ergeben.
Was ist Teamentwicklung nicht?
Teamentwicklung oder Teambuilding oder Teamcoaching ist nach meinem Verständnis
Was ist Teamentwicklung?
Ich verstehe Teamentwicklung als einen Prozess hin zu einem verbesserten Miteinander in der Arbeit. Diese Verbesserung kann fachlich-prozessual-sachlicher Art sein, sie kann zwischenmenschlicher Art sein, und häufig ist sie ein wenig von alledem. Sie ist ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Eine Maßnahme im Spannungsfeld zwischen Verträglichkeit, Rücksichtnahme und Sorgfalt auf der einen Seite – und Irritation, Zumutung und Mut auf der anderen Seite. Teamentwicklung stört immer irgendwen und irgendetwas, mitunter ver-stört sie sogar zeitweilig. Aber dafür hat sie, wenn sie gut läuft, eigentlich immer mehr Verständnis, intensiveren Austausch und mehr Klarheit zum Ergebnis. Eine Art „kontrollierte Sprengung“ (Eberhard Stahl) des Alten, eine Art soziales Versuchshandeln hin zu möglichem Neuem – auch das kann eine Teamentwicklung sein. Mehr Freude und Gaudi im Miteinander während und nach der Teamentwicklung: für mich immer wichtige Ziele! Seilgarten/Hindernisparcours/Bastelprojekte können dazu beitragen – aber es geht auch anders.
Wie kann Teamentwicklung ablaufen?
Wichtig für eine gute Teamentwicklung: eine gründliche und doppelte Auftragsklärung. Also einmal, vorab, mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber. Und dann, zu Beginn der Maßnahme, direkt mit den Beteiligten. Vom Thema, von den Zielen, von den Rahmenbedingungen hängt dann ab, welche Methoden ich sinnvollerweise zum Einsatz bringe. Das kann eine Konfliktklärung sein. Das mag eine Verständigung über die Ziele, die Kultur oder die Rollen im Team sein, das können aber auch Trainingsinhalte (z.B. Kommunikation, Konflikt, Feedback) oder Entscheidungen zur Veränderung von Strukturen, Zuständigkeiten, Abläufen oder zur Verbesserung des Informationsflusses sein. Und wie gesagt, besonders gerne bin ich mit Gruppen in den Bergen unterwegs – wie zum Beispiel bei unserer Elmau-Challenge.
Praktisch immer führt eine Teamentwicklung, unabhängig vom konkreten Verfahren, zu mehr oder weniger großen Ahas, Öhas und anderen überraschenden und überraschten Einsichten bei den Teammitgliedern über die Interaktionen, die Kultur, die Abläufe oder all das andere, was man so leicht als „normal“, als „selbstverständlich“ oder „so machen wir das hier eben“ empfindet.
Veränderung hat immer einen Preis. Es ist mir daher wichtig, mit Prognosen für größtmögliche Transparenz zu sorgen bezüglich Preis und Nutzen bei der Aufgabe von Gewohntem und dem Ansteuern von Neuem. Im Wissen, dass diese Prognosen immer nur vorläufig sein können.
Zwingend ist am Ende des Teambuildings ein konkreter Transfer in den Alltag, damit die Gruppe nach der Intervention wirklich effizienter, effektiver, klarer, wertschätzender zusammenarbeiten kann.
Was hilft bei einer Teamentwicklung?
Ein paar typische Erfolgsfaktoren für Teamentwicklungen:
Wo kann ich vorab mehr über Teams/Teamentwicklung erfahren?
Ein großartiges, schlaues, lesbares Buch zu Theorien und Methoden der Teamentwicklung: Eberhard Stahl, Dynamik in Gruppen, https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/34569-dynamik_in_gruppen.html
Sehr anschaulich und doch sehr lebensnah zur Klärung von Konflikten im Team: Christoph Thomann, Klärungshilfe 3, https://www.rowohlt.de/taschenbuch/christoph-thomann-klaerungshilfe-3.html
Für die, die tiefer gehen wollen: Eine Vielfalt an unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf Kleingruppen, von psychodynamischen über feministische bis hin zu Netzwerk-Ansätzen: Marshall Scott Poole, Theories of Small Groups, https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/theories-of-small-groups/book226399
Knapp, praktisch, pragmatisch zu virtuell geführten Teams: Hassan Osman, Influencing Virtual Teams: 17 Tactics That Get Things Done with Your Remote Employees, https://www.amazon.de/Influencing-Virtual-Teams-Tactics-Employees-ebook/dp/B00LGWDGG6
Einen spannende Reportage über Vertrauen, Kommunikationscluster und weitere Kooperationsfaktoren in Teams: Daniel Coyle, The Culture Code: The Secrets of Highly Successful Groups, https://www.amazon.com/Culture-Code-Secrets-Highly-Successful-ebook/dp/B019CGXU68/ref=tmm_kin_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
Und wie komme ich jetzt an eine Teamentwicklung?
Wenn Sie oder Menschen aus Ihrem Unternehmen/Bereich/Team Interesse haben: Gerne bei mir melden. Und wir reden über die Details!
Mein Interview mit Kim Cameron in Personalwirtschaft 11/2017
Sie stehen für das Konzept der positiven Leadership. Was heißt das genau, muss ich als Führungskraft denn immer lächeln, nett sein, die rosarote Brille aufhaben?
Das ist eine gute Frage! Und das ist genau der Einwand, den ich immer als erstes höre, wenn ich Menschen von der positiven Leadership erzähle.
Und was ist Ihre Antwort drauf?
Ein klares Nein! Erstens: Wenn ich also in eine Firma gehe und der Chef sagt mir: „Ich habe wichtigeres zu tun, als mich um Dankbarkeit, positive Energienetzwerke und diese ganzen anderen Dinge zu kümmern, die mit positive Leadership zu tun haben“, dann kann ich entgegnen: „Wenn Sie mit einigen Verhaltensweisen positive Leadership einführen und verbreitern, dann wird sich der Umsatz in Ihrem Unternehmen, die Produktivität, die Rentabilität, die Qualität ihrer Produkte, die Kundenzufriedenheit und vieles mehr verbessern.“ Wir haben, zweitens, ziemlich viele, ziemlich harte Zahlen zu etwas, dass ich Positivitätsverhältnis nennen würde.
Was ist damit gemeint?
Ich selber war an Studien beteiligt, die Führungskräfteteams untersucht haben und dabei zu dem Ergebnis kamen, dass fünf positive Äußerungen pro kritische oder negative Äußerung, also fünfmal so viel Unterstützung, Wertschätzung, Lob etc. wie Kritik, Benennung von Fehlern, Korrektur und so weiter die verschiedensten Erfolgsparameter eines solchen Teams optimal beeinflussen. Wenn Sie bei Ehepaaren die Positivitätsrate bei Gesprächen über für das Paar kritische Themen untersuchenm, können Sie anhand dieser Rate zu 95 Prozent vorhersagen, ob es fünf Jahre später noch zusammen ist oder nicht. Die optimale Positivitätsrate liegt auch hier bei fünf zu eins.
Kritik darf und muss also sein!
Ja, diese Rate ist nicht fünf zu null oder zwanzig zu null, sondern fünf zu eins. Sie müssen also Dinge benennen können, die nicht gut laufen. Kritik üben. Es geht nur um das Wie. Es gibt dieses alte arabische Sprichwort: Zu viel Sonne schafft Wüste. Und so ist das in allen sozialen Zusammenhängen: Zu viel Sonne, zu viel Lob trocknet die Dinge aus. Pflanzen, die permanentem Sonnenschein ausgesetzt sind, wachsen langsamer als Pflanzen, die Licht und Schatten erhalten. Menschen, Pflanzen und soziale Institutionen welken gleichermaßen, wenn sie nur Sonne erfahren.
Was heißt das nun genau für Führungskräfte?
Damit meine ich, dass die meisten von uns darauf konditioniert sind, Probleme zu sehen, Gefahren zu wettern, Fehler zu erkennen und zu optimieren. Das soll auch so sein. Wenn ich nach einer Woche Dienstreise oder Urlaub ins Büro zurückkomme, stapeln sich die Fragen und Probleme und ich gehe sie an. Das ist die natürliche Tendenz einer Führungskraft, aber auch einer gesamten Organisation. Wer keine Probleme hat, braucht keinen Manager und keine Führungskraft. Wir haben aber empirisch nachweisen können: Wenn Sie den Fokus auf das Positive legen, und zwar eben nicht ausschließlich sondern überwiegend, wenn Sie also nicht von heute auf morgen das Diskutieren von Problemen verbieten, aber wenn sie eben die Aufmerksamkeit auf positive Praktiken richten, auf das Ausbauen dessen, was gut läuft, was funktioniert –dann verbessert sich die Performance in ihrem Team, ihrer Organisation enorm. Und zwar deutlich mehr als mit herkömmlichen Führungsmethoden. Positive Leadership heißt also definitiv nicht, laufend mit einem Grinsen unterwegs zu sein, über alles hinweg zu sehen.
Kann ich die Gedanken und Methoden der positiven Leadership auch in einem Schnellrestaurant oder am Montageband einführen, oder ist das nur ein Konzept für gut ausgebildete, hochqualifizierte Berufe?
Ja, diese Methoden funktionieren bei jedem! Wir haben zum Beispiel Fernfahrer untersucht, die meisten von ihnen ohne Highschool-Abschluss, und haben dort einen dramatische Verbesserung verschiedenster Parameter messen können, wenn ihre Vorgesetzten Praktiken der positiven Leadership einsetzen. Der Grund dafür: der heliotropische Effekt.
Was ist damit gemeint?
Der Begriff kommt aus dem griechischen, von Helios, Licht. Er bedeutet, dass sich jeder biologische und soziale Organismus hin zum Licht und weg von der Dunkelheit, vom Schatten bewegt. Wenn Sie eine Pflanze ans Fenster stellen, wird sie bald sich nach dem Licht wenden. Die Sonne ist in der Natur die lebensspendende Kraft, und jeder Organismus hat die Tendenz, sich nach ihr auszurichten. Das bedeutet, dass jedes System danach strebt, seine Ressourcen zu mehren und wegstrebt von dem, was Leben beendet, verkürzt, beeinträchtigt. Das macht auch aus evolutionärer Sicht Sinn.
Und auf Menschen, Teams, Organisationen übertragen heißt das …
Eben genau, dass sowohl Individuen als auch Gruppen und Organisationen stets bei der Zufuhr von positiver Energie blühen und wachsen – und bei negativem Einfluss schrumpfen, zurückgehen, leiden. Und das macht keinen Unterschied, ob sie Grundschüler sind oder Doktorand, ob sie am Fließband stehen oder CEO eines multinationalen Konzerns sind – jeder Mensch hat die Tendenz zur positiven Energie.
Können Sie da ein Beispiel nennen?
Besonders viele Studien erscheinen derzeit dazu, wie Schulkinder aufblühen, wenn sie positiver Leadership ausgesetzt sind. Eine herausragende Doktorarbeit hat vor wenigen Jahren Schüler aus drei verschiedenen Ländern untersucht: In Bhutan, in Mexiko und in Peru wurden ingesamt rund 800.000 Schüler einem Curriculum an positiven Praktiken und Methoden ausgesetzt, parrallel dazu wurde eine Kontrollgruppe untersucht. Nach 18 Monaten wurden unter anderem festgestellt, dass das Wohlbefinden der untersuchten Personen in verschiedenen Dimensionen viel besser war. Aber auch die akademische Leistung, gemessen an standardisierten Testverfahren, war signifikant höher. Der heliotropische Effekt lässt Menschen in einer positiven, wertschätzenden Atmosphäre aufblühen.
Wenn ich nun als Führungskraft in einem Team oder Unternehmen positive Leadership einführen will, was wären zwei oder drei Techniken, um damit zu beginnen?
Wie Sie sich denken können, gibt es eine ganze Schatzkiste an möglichen Methoden. Lassen Sie mich zwei oder drei herausgreifen, die besonders praktisch und einfach umzusetzen. Eins vorweg: Jedes dieser Tools hat ein gewisses „Ja, aber“. Nicht alles funktioniert überall gleich. Mit praktisch allem kann man es auch übertreiben. So viel als Warnhinweis …
O. k., verstanden! Wir bleiben gespannt!
Eine Methode hat zu tun mit dem Thema Dankbarkeit. In einigen Firmen, und ich kenne das aus Konzernen mit 25.000 und mehr Mitarbeitern, hat jeder Mitarbeiter für sich ein tägliches Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, also jeder muss drei Dinge aufschreiben, die besonders gut, zufriedenstellend gelaufen sind. Damit erzielen Sie schon dramatische Effekte.
Klingt nicht soooo kompliziert!
Ist es auch nicht. Das nächste: Finden Sie Mittel und Wege, mittels derer sich ihre Belegschaft engagieren kann, etwas Nützliches für die Gemeinschaft tun kann. Die meisten Organisationen belohnen Mitarbeiter, die besonderes geleistet haben, indem sie ihnen ein Bonus auszahlen, ihren Namen in die Zeitung setzen oder sonst etwas. Effektiver ist es, jemandem, der außerordentliches geleistet hat, die Möglichkeit zu verschaffen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Was heißt denn das zum Beispiel?
Sie sind mein Mitarbeiter, und Sie haben großartiges geleistet. Dann wäre meine Form der Anerkennung, Ihnen mitzuteilen: „Christian, Sie haben so großartiges für die Firma geleistet, sie dürfen Mentor werden für Claudia, damit die von Ihnen lernt und genauso Großartiges leisten kann.“ Oder, so wird das hier bei uns an der Universität gemacht: Wenn jemand etwas besonderes vollbracht hat, bekommt er zwei Belohnungen – eine für sich selbst und eine, die er an jemand anderen weitergeben darf. Jeder wird damit zum Schenkenden und nicht nur zum Beschenkten. Ein kleines, aber sehr wirksames Tool der positiven Leadership. Eines hätte ich noch und zwar geht es da um Führungskräfte, die besonders viel positive Energie schaffen.
Was ist damit gemeint?
In der gesamten Literatur über Leadership wird Führung mit Einfluss gleichgesetzt. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass eine Führungskraft besonders viel Wissen, besonders viel Kommunikation, besonders viel Austausch in sich vereint.
Klingt logisch, eigentlich!?
Ja, ist es auch. Wenn alle Informationen auf Sie zulaufen, können Sie darüber entscheiden, was wem mitgeteilt wird und auf welcher Basis dann welche Entscheidungen getroffen werden. Unsere Untersuchungen zur Führung richten sich aber auf die positive Energie. Wenn also ich als Führungskraft mit ihnen interagiere, Christian, sorge ich durch mein Handeln und Kommunizieren eher dafür, dass Sie aufblühen, sich wertgeschätzt fühlen, positive Gefühle und Sinn empfinden – oder trage ich durch Druck und Zwang dazu bei, dass Sie schlechter Stimmung sind, Druck empfinden und weitergeben etc.? Und wenn ich als „positiver Energetisierer“ auf Sie wirke, dann nährt sich Ihre Kraft und Leistungsfähigkeit und die Ihrer Mitarbeiter! Und wer so ein „positiver Energetisierer“ ist, wie wir das nennen, hat vier Mal so großen Einfluss auf die Leistung seines Teams, als wenn wir die Führung nach den traditionellen Kriterien Wissen und Einfluss messen würden. Positive Energie ist also viel wichtiger als Einfluss und Kommunikation!
Was heißt das konkret für mich als Führungskraft?
Die meisten von uns, die in Unternehmen oder Organisationen führen, beschäftigen sich viel zu sehr mit dem Einfluss und der Kommunikation und viel zu wenig mit der positiven Beziehungsenergie, die sie aussenden könnten. Eine brachliegende Ressource, auf die bislang fast niemand achtet. Und positive Energie vermehren, das kann auch die Person, die die Hauspost austrägt, völlig unabhängig von Rang und Einfluss – den Zugang zu Einfluss und Information haben aber eben nur die Menschen, die oben in der Hierarchie stehen. Es geht nämlich um Verhaltensweisen und nicht einfach um per Organigramm zugewiesene Befugnisse.
Sie schreiben auch von der „Heilung von Organisationen“. Was ist damit gemeint?
Ich will eigentlich seit langer Zeit ein eigenes Buch dazu schreiben, aber komme nie dazu … Ich meine damit Folgendes: Wenn Organisationen irgendeine Form von Trauma erleben, also etwa als ganze Büroteams durch die 9/11-Anschläge ausgelöscht wurden, oder auch einfach, wenn ein Team zum ersten Mal rote Zahlen macht, dann interessiert sich der Großteil der gegenwärtigen Forschung und Literatur für Themen wie Resilienz, also dafür, wie ich irgendwie über die Runden komme.
Und organisationale Heilung bedeutet dann genau was?
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich irgendwo geschnitten. Ihr Körper hat jetzt eine Wunde, und vom Herz-Kreislauf-System über die weißen Blutkörperchen wird jetzt im Körper alles Mögliche, getan, um möglichst schnell den Heilungsprozess einzuleiten. Dann wird eine Art Schutz organisiert – bei einer Wunde ist das der Schorf, der vor neuer Verletzung schützen soll. Und dann irgendwann stellen Sie fest, dass der gebrochene Knochen nach dem Bruch viel fester und solider geworden ist als jemals zuvor.
Und dieses physiologische Modell der Heilung lässt sich auf Organisationen übertragen?
Ja genau. Ich kann einen sozialen Organismus, ein Team, ein Unternehmen, eine Organisation, aus einer Schädigung heraus verbessern, auf ein neues, besseres Niveau bringen als zuvor. Und darum geht es.
Was kann und soll das Personalwesen tun, um positive Leadership zu fördern?
Ich habe da leider keinen Fünf-Punkte-Plan. Aber per Definition geht es bei Human Ressources ja darum, Talente zu entwickeln, Menschen zum Aufblühen zu bringen, Mitarbeitern schlicht dabei zu helfen, besser zu werden. Leider geht es in vielen Personalabteilungen nur darum, blind Lob zu verteilen, für die Überwachung von Regeln zu sorgen oder um die Organisation von Trainings, um diese oder jenes zu verbessern. Wenn es sich aber eine Personalabteilung wirklich zu Herzen nimmt, dafür zu sorgen, dass es den Beschäftigten nächstes Jahr besser geht als dieses Jahr, dass sie leistungsfähiger sind als dieses Jahr, dann verändert das ein Stück weit die Aufgabenbeschreibung von Personalwesen. Eine andere Aufgabe von Personalabteilungen ist es aus meiner Sicht, das Top Management im Streben nach Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu unterstützen.
Wie geht das?
Nun, es ist ja so leicht für die Führungsspitze eines Unternehmens, sich in den Anforderungen der Aktionäre, den Herausforderungen durch Wettbewerber usw. komplett zu verlieren. Eine wirklich starke Personalabteilung im Sinne positiver Leadership fordert und fördert den CEO dabei, die Talententwicklung in den Blick zu nehmen. Ich kenne HR-Manager, die buchstäblich den Kalender des CEO zu überwachen haben, damit er genügend Zeit für die Mehrung des Humankapital aufbringt.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ich denke da zum Beispiel an Philips. Da hatte die Personalabteilung am Ende des Jahres oder vielleicht sogar halb- oder vierteljährlich, das weiß ich nicht mehr genau, jene Zeit zu veröffentlichen, die der CEO mit der Förderung des Humankapital und des Wohlbefindens der Belegschaft verbracht hat. In eine ähnliche Richtung gehen die Bemühungen bei der amerikanischen Krankenversicherung Humana. Und John Kim von New York Life ist auch so einer, der immer wieder versucht, sich gegen kurzfristigen Shareholder Value-Druck zur Wehr zu setzen und seine Arbeit auf das Wohl der Mitarbeiter fokussiert.
Was passiert gerade wissenschaftlich auf dem Feld der positiven Leadership, was treibt Sie da um?
Ein Feld, auf dem sich wirklich viel tut derzeit, sind die Neurowissenschaften. Wir wissen zum Beispiel aus neuen Studien, dass wir anhand des positiven Gehalts von Twitternachrichten, die eine Person aussendet, die Wahrscheinlichkeit einer Herzerkrankung vorhersagen können. Außerdem habe ich gelernt, dass ich durch bestimmte positive Praktiken die Zellen in meinem Gehirn, die Tolemere, verlängern kann. Das sind natürlich Grenzbereiche, die über die klassische positive Leadership hinausgehen. Aber was bedeutet das jetzt für meine Organisation, für mein Unternehmen? Das sind die Fragen, mit denen ich mich auseinandersetze. Und in diesem Bereich erscheinen praktisch jede Woche neue Studien, die mehr und mehr harte Zahlen, Daten, Fakten als Belege dafür liefern, dass es sich lohnt, Praktiken der positiven Leadership einzuführen.
Was die Forschung zur positiven Leadership angeht – wo wird und wo sollte da in den nächsten Jahren der Fokus liegen?
Positive Praktiken erhöhen die Produktivität, die Leistung von Teams nach vielen Parametern. Dafür haben wir in den letzten 15 Jahren viele empirische Daten gesammelt. Aber wir brauchen noch mehr Forschung dazu, unter welchen Umständen, in welchen Settings, mit welchen Nuancen welche Tools wirklich welchen Einfluss in welchen Bereichen haben. Wo ist etwas zu viel, wo ist etwas zu wenig, was funktioniert gut, was funktioniert nur selten – zu vielen dieser Komplexitäten brauchen wir weitere wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt immer noch zu wenige Menschen, die in diesen Bereichen forschen. Das ist ein Punkt. Das nächste ist die organisationale Kultur.
Was meinen Sie damit?
Damit meine ich die unhinterfragten und manchmal auch unhinterfragbaren, die impliziten Gesetzmäßigkeiten und Selbstverständlichkeiten, die in einer Firma oder einer anderen Organisation von allen vorausgesetzt werden. Ich bin heute früh zum Beispiel nicht aufgewacht und habe mir bewusst vorgenommen, jetzt englisch zu sprechen – das ging ganz automatisch. Für Sie mag das anders gewesen sein. Aber keiner von uns beiden, da bin ich mir sicher, hat sich bewusst vorgenommen, heute mal Schuhe anzuziehen. Das machen wir einfach, ohne drüber nachzudenken. Und so ist das mit Unternehmenskulturen auch: Die Menschen in einem Unternehmen folgen gewissen Regeln, befolgen Gesetze, ohne sich derer bewusst zu sein.
Und was hat das mit positiver Leadership zu tun?
Durch die Praktiken der positiven Leadership können wir Unternehmenskulturen schaffen, in denen Integrität, Freundlichkeit, Optimismus, Dankbarkeit etc. eine prominente Rolle spielen. Und wenn wir das hinbekommen, ist eine Organisation viel, viel effektiver und leistungsfähiger. Und das interessiert mich als Wissenschaftler: Wie können wir positive Leadership in den Unternehmenskulturen als Selbstverständlichkeit verankern? Ich war daran in einigen Unternehmen beteiligt, aber dazu braucht es noch mehr empirische Forschung.
Es ist ja viel von den besonderen Ansprüchen der Millenials an Führung die Rede. Schafft das eine zusätzliche Notwendigkeit von Praktiken positiver Leadership?
Einen echten Unterschied mit dem machen, was man tut, ein höherer Anspruch an die Sinnhaftigkeit – das stimmt schon, das sind Dinge, die mit den Millenials oft verknüpft werden. Ironischerweise hat ein Doktorand bei uns gerade eine Überblicksstudie zu den vermeintlichen Ansprüchen der Millenials im Vergleich zu anderen Generationen gemacht und dabei herausgefunden: So groß wie häufig behauptet sind sie nicht, abgesehen von einer Abneigung gegenüber allzu große Planungshorizonte und einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien. Aber was den früheren Generationen wichtig war, ihre Werte, ihre Lebenspläne, ist gar nicht so groß anders als die Wertvorstellungen der Millenials. Der Schluss, den ich daraus ziehe: Positive Leadership ist sehr wichtig für diese Generation – genauso wie für die vorherigen Generationen, die Baby Boomers, die Generation X, die Generation Y etc. Denn der heliotropische Effekt, das Streben nach dem Guten, dem Positiven – der ist allen Generationen gemein.
Wie kann ich als Führungskraft dazu beitragen, dass in meiner Organisation, meiner Abteilung, meinem Team besser gearbeitet wird, und zwar besser im Sinne von: erfolgreicher, gesünder, mit mehr Spaß, sinnerfüllter? Der aus meiner Sicht beste Ansatz dazu ist das so genannte PERMA-Modell auf der Basis von Martin Seligman, an vielen Stellen konkretisiert von Dr. Markus Ebner.
Das PERMA-Modell definiert Wohlergehen als ein Zusammenspiel aus fünf Dimensionen: positive emotions, engagement, relationships, meaning, accomplishments. Mit folgendem Fragebogen können Sie a) mal mit sich selbst ins Gespräch darüber kommen, wie stark ausgeprägt Sie welche PERMA-Dimension leben und b), auf welchen Feldern Sie als Führungskraft noch Luft nach oben haben, sprich: mehr tun könnten für das Arbeitsklima in Ihrem Verantwortungsbereich: Perma im Job
Und was heißt das jetzt konkret? Hier ein paar Tipps:
POSITIVE EMOTIONEN:
- bewusst schöne/Genussmomente in den Arbeitsalltag einbauen
- Arbeitsumfeld auf Stressoren untersuchen, die vermindert/eingegrenzt werden können
ENGAGEMENT (AUFGEHEN IN DER ARBEIT, FLOW):
- für meine und die Arbeit anderer möglichst konkrete, anspruchsvolle, aber machbare Ziele formulieren
- überprüfen: Habe ich, haben meine Mitarbeiter die Kompetenzen und Mittel, um ihre Arbeiten zu erledigen? Ggfs. Schulungen/Anschaffungen nötig?
- Mitarbeiter gezielt nach Stärken/Kompetenzen/Leidenschaften einsetzen
- Inseln konzentrierten Arbeitens schaffen, für mich und andere
RELATIONSHIPS (VERBINDUNGEN):
- bewusst Aufgaben zu mehreren erledigen/an mehrere vergeben, die auch einer alleine erledigen könnte
- Aktivitäten außerhalb des eigentlichen Arbeitskontextes fördern/mitmachen
MEANING (SINN):
- bei Delegation von Aufgaben das Was und Wozu erklären
- die Sinnhaftigkeit/Notwendigkeit von vermeintlich langweiligen/Routinearbeiten vermitteln
ACCOMPLISHMENTS (SELBSTWIRKSAMKEIT/ERFOLG):
- bewusst Mikromanagement vermeiden, Ziele vorgeben und Wege dorthin Mitarbeitern selbst überlassen
- Aktiv Rückmeldung einholen, intern wie extern
- Erfolgsmeldungen weitergeben
- bei größeren Projekten mit diffuser Erfolgsmessbarkeit Meilensteine abstecken und markieren
- Erledigtes bewusster wahrnehmen (Aufgabenlisten etc.)
Ergänzungen, Kritik, Anregungen? Ich freue mich auf Vorschläge!
Eine lästige Formalie, durch die Chefin und Mitarbeiter irgendwie durchmüssen: So werden Mitarbeiterjahresgespräche meistens betrachtet, geplant und geführt. Leider! Denn eigentlich könnte das regelmäßige Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ein Highlight für beide sein. Hier finden Sie einige Tipps, wie Sie die Sache mit dem Jahresgespräch einmal anders angehen können:
Hier der Link zu meinem Text, der jüngst in "Impresso" erschienen ist. Dürfen auch Nicht-Verlags-oder-Redaktions-Menschen lesen!!! Enjoy!
Alle haben immer gute Gefühle in der Arbeit, alles ist soft und süß und schön und am besten noch rosa und mit Glitzer. Es gibt keinen Streit, es gibt keine Schwierigkeiten, es gibt keine Probleme, es gibt keine Fehler. Und ich, als Chefin oder Chef, bin vor allem eins, und zwar zu allen und allezeit: lieb und nett.
Ist das das, was ich unter positiver Führung verstehe?
Auf! Ü! Ber! Haupt! Gar! Kei! Nen! Fall!
Wie schreibt Kim Cameron (in "Practicing positive leadership")?
[Positive Leadership practices] are intended to help leaders address common challenges and difficult obstacles that characterize all organizational settings. Positive leadership practices are anything but superficial and permissive. They require effort and tenacity if positively deviant results are to be produced.
Mit positiver Führung kann ich zwar mich selbst, andere und Organisationen auf erfolgreichere, gesündere und spaßigere Art und Weise führen. Dazu muss ich aber auch Fehler ansprechen, Ziele setzen, Entscheidungen treffen, mir und anderen Mühe machen und ein paar weitere dieser ganzen Chefsachen tun.
Aber wie geht das dann, mit dem positiven Führen?
Unter anderem durch die Vermittlung von Sinn, durch konstruktives Kommunizieren, durch wertschätzende Erkundung. Doch zu diesen und einigen anderen Methoden komme ich in den nächsten Wochen.
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
aber weich zum Mensch: Mit dem Harvard-Konzept vom Krach zur Kooperation
Das Harvard-Konzept, entwickelt von den amerikanischen Juristen Roger Fisher und William L. Ury („Das Harvard-Konzept“, Campus-Verlag, 29,99 Eur), ist das vielleicht bekannteste Instrument der Konfliktbewältigung überhaupt. Später kam Bruce Patton hinzu. Ziel des Ansatzes: In Konfliktsituationen konstruktiv und friedlich zu einer Einigung zu kommen, von der möglichst alle Beteiligten etwas haben („Win-Win-Ergebnis“). Er beruht auf folgenden Prinzipien:
Hier der Link zu meinem Text, der jüngst in "Impresso" erschienen ist. Dürfen auch Nicht-Verlags-oder-Redaktions-Menschen lesen!!! Enjoy!
Der israelische Psychologe Haim Omer will mit seinem Konzept der "Neuen Autorität" Eltern, Erzieher, Lehrer im Umgang mit schwierigen Kindern stärken. Ich habe ihn für Nido interviewt, hier geht es zum Text.
Für wen?
Wenn Sie eine Abteilung/einen Bereich/ein Team leiten oder in einem arbeiten oder für eines als PersonalerIn zuständig sind, das:
dann könnte eine Teamentwicklung durchaus Sinn ergeben.
Was ist Teamentwicklung nicht?
Teamentwicklung oder Teambuilding oder Teamcoaching ist nach meinem Verständnis
Was ist Teamentwicklung?
Ich verstehe Teamentwicklung als einen Prozess hin zu einem verbesserten Miteinander in der Arbeit. Diese Verbesserung kann fachlich-prozessual-sachlicher Art sein, sie kann zwischenmenschlicher Art sein, und häufig ist sie ein wenig von alledem. Sie ist ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Eine Maßnahme im Spannungsfeld zwischen Verträglichkeit, Rücksichtnahme und Sorgfalt auf der einen Seite – und Irritation, Zumutung und Mut auf der anderen Seite. Teamentwicklung stört immer irgendwen und irgendetwas, mitunter ver-stört sie sogar zeitweilig. Aber dafür hat sie, wenn sie gut läuft, eigentlich immer mehr Verständnis, intensiveren Austausch und mehr Klarheit zum Ergebnis. Eine Art „kontrollierte Sprengung“ (Eberhard Stahl) des Alten, eine Art soziales Versuchshandeln hin zu möglichem Neuem – auch das kann eine Teamentwicklung sein. Mehr Freude und Gaudi im Miteinander während und nach der Teamentwicklung: für mich immer wichtige Ziele! Seilgarten/Hindernisparcours/Bastelprojekte können dazu beitragen – aber es geht auch anders.
Wie kann Teamentwicklung ablaufen?
Wichtig für eine gute Teamentwicklung: eine gründliche und doppelte Auftragsklärung. Also einmal, vorab, mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber. Und dann, zu Beginn der Maßnahme, direkt mit den Beteiligten. Vom Thema, von den Zielen, von den Rahmenbedingungen hängt dann ab, welche Methoden ich sinnvollerweise zum Einsatz bringe. Das kann eine Konfliktklärung sein. Das mag eine Verständigung über die Ziele, die Kultur oder die Rollen im Team sein, das können aber auch Trainingsinhalte (z.B. Kommunikation, Konflikt, Feedback) oder Entscheidungen zur Veränderung von Strukturen, Zuständigkeiten, Abläufen oder zur Verbesserung des Informationsflusses sein. Und wie gesagt, besonders gerne bin ich mit Gruppen in den Bergen unterwegs – wie zum Beispiel bei unserer Elmau-Challenge.
Praktisch immer führt eine Teamentwicklung, unabhängig vom konkreten Verfahren, zu mehr oder weniger großen Ahas, Öhas und anderen überraschenden und überraschten Einsichten bei den Teammitgliedern über die Interaktionen, die Kultur, die Abläufe oder all das andere, was man so leicht als „normal“, als „selbstverständlich“ oder „so machen wir das hier eben“ empfindet.
Veränderung hat immer einen Preis. Es ist mir daher wichtig, mit Prognosen für größtmögliche Transparenz zu sorgen bezüglich Preis und Nutzen bei der Aufgabe von Gewohntem und dem Ansteuern von Neuem. Im Wissen, dass diese Prognosen immer nur vorläufig sein können.
Zwingend ist am Ende des Teambuildings ein konkreter Transfer in den Alltag, damit die Gruppe nach der Intervention wirklich effizienter, effektiver, klarer, wertschätzender zusammenarbeiten kann.
Was hilft bei einer Teamentwicklung?
Ein paar typische Erfolgsfaktoren für Teamentwicklungen:
Wo kann ich vorab mehr über Teams/Teamentwicklung erfahren?
Ein großartiges, schlaues, lesbares Buch zu Theorien und Methoden der Teamentwicklung: Eberhard Stahl, Dynamik in Gruppen, https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/34569-dynamik_in_gruppen.html
Sehr anschaulich und doch sehr lebensnah zur Klärung von Konflikten im Team: Christoph Thomann, Klärungshilfe 3, https://www.rowohlt.de/taschenbuch/christoph-thomann-klaerungshilfe-3.html
Für die, die tiefer gehen wollen: Eine Vielfalt an unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf Kleingruppen, von psychodynamischen über feministische bis hin zu Netzwerk-Ansätzen: Marshall Scott Poole, Theories of Small Groups, https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/theories-of-small-groups/book226399
Knapp, praktisch, pragmatisch zu virtuell geführten Teams: Hassan Osman, Influencing Virtual Teams: 17 Tactics That Get Things Done with Your Remote Employees, https://www.amazon.de/Influencing-Virtual-Teams-Tactics-Employees-ebook/dp/B00LGWDGG6
Einen spannende Reportage über Vertrauen, Kommunikationscluster und weitere Kooperationsfaktoren in Teams: Daniel Coyle, The Culture Code: The Secrets of Highly Successful Groups, https://www.amazon.com/Culture-Code-Secrets-Highly-Successful-ebook/dp/B019CGXU68/ref=tmm_kin_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
Und wie komme ich jetzt an eine Teamentwicklung?
Wenn Sie oder Menschen aus Ihrem Unternehmen/Bereich/Team Interesse haben: Gerne bei mir melden. Und wir reden über die Details!
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Kaufen! Lesen!! Umsetzen!!! ;-) http://www.psychologie-heute.de/das-heft/aktuelle-ausgabe/detailansicht/news/konfliktfaehige_menschen_erleben_unterschiede_als_bereichernd/
aber weich zum Mensch: Mit dem Harvard-Konzept vom Krach zur Kooperation
Das Harvard-Konzept, entwickelt von den amerikanischen Juristen Roger Fisher und William L. Ury („Das Harvard-Konzept“, Campus-Verlag, 29,99 Eur), ist das vielleicht bekannteste Instrument der Konfliktbewältigung überhaupt. Später kam Bruce Patton hinzu. Ziel des Ansatzes: In Konfliktsituationen konstruktiv und friedlich zu einer Einigung zu kommen, von der möglichst alle Beteiligten etwas haben („Win-Win-Ergebnis“). Er beruht auf folgenden Prinzipien:
Sie haben es schwer mit Ihrer Chefin, Ihrem Kollegen, Ihrer Nachbarin? Hier ein paar Möglichkeiten, wie Sie vielleicht die Chemie ein Stück verbessern können:
Genau hinschauen: Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren: Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen: Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen: Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...: Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Viele von uns haben eine Konfliktallergie. Erleben Streit als etwas belastendes, als etwas, das man möglichst vermeiden und so früh wie möglich im Keim ersticken sollte.
Aber eigentlich können Konflikte extrem wertvoll für Ihre Organisation, Ihre Firma, Ihr Team sein.
Konflikte können:
Und zwar, wenn sie konstruktiv ausgetragen werden!
Friedrich Glasl bringt hier den Begriff der Konfliktfähigkeit ins Spiel ("Selbsthilfe in Konflikten"). Für ihn heißt Konfliktfähigkeit:
Wie das genau geht, wie Sie Ihre Konfliktfähigkeit verbessern und ausbauen können – dazu hier demnächst mehr!
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Kaufen! Lesen!! Umsetzen!!! ;-) http://www.psychologie-heute.de/das-heft/aktuelle-ausgabe/detailansicht/news/konfliktfaehige_menschen_erleben_unterschiede_als_bereichernd/
Viele von uns haben eine Konfliktallergie. Erleben Streit als etwas belastendes, als etwas, das man möglichst vermeiden und so früh wie möglich im Keim ersticken sollte.
Aber eigentlich können Konflikte extrem wertvoll für Ihre Organisation, Ihre Firma, Ihr Team sein.
Konflikte können:
Und zwar, wenn sie konstruktiv ausgetragen werden!
Friedrich Glasl bringt hier den Begriff der Konfliktfähigkeit ins Spiel ("Selbsthilfe in Konflikten"). Für ihn heißt Konfliktfähigkeit:
Wie das genau geht, wie Sie Ihre Konfliktfähigkeit verbessern und ausbauen können – dazu hier demnächst mehr!
aber weich zum Mensch: Mit dem Harvard-Konzept vom Krach zur Kooperation
Das Harvard-Konzept, entwickelt von den amerikanischen Juristen Roger Fisher und William L. Ury („Das Harvard-Konzept“, Campus-Verlag, 29,99 Eur), ist das vielleicht bekannteste Instrument der Konfliktbewältigung überhaupt. Später kam Bruce Patton hinzu. Ziel des Ansatzes: In Konfliktsituationen konstruktiv und friedlich zu einer Einigung zu kommen, von der möglichst alle Beteiligten etwas haben („Win-Win-Ergebnis“). Er beruht auf folgenden Prinzipien:
Sie haben es schwer mit Ihrer Chefin, Ihrem Kollegen, Ihrer Nachbarin? Hier ein paar Möglichkeiten, wie Sie vielleicht die Chemie ein Stück verbessern können:
Genau hinschauen: Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren: Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen: Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen: Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...: Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Sie müssen/dürfen/sollen/werden eine Rede auf der Weihnachtsfeier halten und wissen noch nicht, wie und was? Hier fünf Tipps, wie Sie im Geiste der Positiven Leadership einige motivierende, inspirierende, wertschätzende Worte an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten können:
Was hat Sie im abgelaufenen Jahr inspiriert, interessiert, was hat Ihnen Freude bereitet – und womit bereitet Ihre Arbeit Freude? Wer positive Emotionen wie Interesse, Ehrfurcht, Liebe oder Neugier kultiviert, bereitet seinen Zuhörern nicht nur einen schönen Moment, sondern erhöht ihre sozialen, mentalen und kreativen Fähigkeiten.
Worin ist Ihr Team, Ihre Firma, Ihre Organisation richtig gut? Wofür bekommen Sie Komplimente von Bürgern, Kunden oder anderen Beteiligten? Was sind Stärken der Einzelnen, des Teams, der Abteilung, der Firma? Je konkreter die Beispiele, die Sie nennen, desto besser.
Was macht den Teamgeist bei Ihnen in der Arbeit aus? Wie geht man miteinander um, was sind besondere Momente von Unterstützung, Solidarität, Zusammenhalt, die Sie herausstreichen können?
Wofür steht Ihre Organisation, wie macht Ihre Abteilung das Leben von Kunden, Bürgern oder vielleicht sogar die Umwelt besser? Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern Sinnhaftigkeit, erklären Sie Ihnen (noch einmal) das Wofür wichtiger Innovationen und Projekte.
Hier müssen wir besser werden, da kommt was auf uns zu, dort sind Veränderungen nötig: In vielen Weihnachtsreden geht es immer nur um das, was fehlt, um das Nicht-Erreichte. Machen Sie es anders, unterstreichen Sie Errungenschaften, Fortschritte, Highlights. Und loben Sie dabei besonders jene, die nie oder selten gelobt wird, weil ihr Anteil am Erfolg weniger Sichtbar ist.
Viel Freude und Erfolg dabei!
Für den spannenden Blog "Creating Corporate Cultures" der Bertelsmann-Stiftung durfte ich aufschreiben, was ich unter Positiver Leadership verstehe. Danke für das Interesse und die tolle Zusammenarbeit! Hier eine leicht überarbeitete Version des Beitrages:
Als ich vor einem guten Jahr erstmals begann, regelmäßig Kontaktlinsen zu tragen, tat ich mich wochenlang mit dem Einsetzen extrem schwer. Vor allem auf dem linken Auge, rechts gings etwas besser. Wenn einmal eingesetzt, war der Effekt von Anfang an überzeugend, aber bis es soweit war, brauchte ich jedes Mal viel Geduld, Nerven und Glück. Vor allem, weil ich zunächst immer mit dem linken, dem „Problemauge“ begann. Richtige Fortschritte machte ich erst, als ich eine wichtige Lektion beherzigte, die ich den Teilnehmern meiner Führungskräfte- und sonstiger Seminare stets predige – als ich nämlich endlich damit begann, als erstes die rechte Kontaktlinse einzusetzen. Dann ging es plötzlich auch mit der schwierigeren linken Seite besser.
Mein Ansatz war zunächst ein typischer - und wenig hilfreicher: Ich versuchte erst Mal, vor allem an meinen Defiziten zu arbeiten, an der „schwachen“ linken Seite herumzudoktern. Erst als ich mich meiner relativen Stärke entsann, als ich auf der erfolgsversprechenderen rechten Seite begann und aus diesem ersten Erfolgserlebnis heraus für die schwierigere Seite lernte, begann auch die linke Seite besser zu werden.
Und darum geht’s bei Positiver Leadership: Den Fokus stärker auf die Erfolgserlebnisse, die Kompetenzen, die Stärken zu richten – und nicht immer nur die – wesentlich aufwändigere, energieraubendere – Unschlimmermachung der Defizite und Schwächen zu betreiben. Sinn einer Organisation, hat nämlich Peter Drucker einst geschrieben, ist es, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu fördern – und damit deren Schwächen irrelevant zu machen.
Positive Leadership ist vor allem drei Dinge – und vor allem eines nicht: Positive Leadership ist wissenschaftsgeleitet, alltagstauglich und multidimensional – und auf gar keinen Fall eine esoterische Heititeiti-Veranstaltung, in der alles immer nur positiv und lieb gemeint ist. Positive Leadership
• kann sich – im Unterschied zu vielen anderen Führungsansätzen – auf teils recht harte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, nämlich die Forschungsergebnisse zu den Wirkfaktoren der Positiven Psychologie
• bietet gleichzeitig erlern-, trainierbare und im Alltag anwendbare Tools an, die Führungskräfte für sich selbst, zur Führung von Teams und Mitarbeitern sowie zum Aufbau und zur Veränderung von Organisationen nutzen können
• hat in vielen Studien positive Effekte auf die Stärkung von Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheitsraten, auf niedrigere Burnoutraten von Führungs- und Fachkräften sowie auf Qualitäts- und andere Performance-Indikatoren nachweisen können
• ist keineswegs eine Kuschelveranstaltung, die auf Kritik und das Angehen von Mängeln verzichtet, ganz im Gegenteil. Allerdings stellt Positive Leadership nicht die Schwächen, Fehler und Misserfolge von Einzelnen, Teams und Organisationen in den Vordergrund – sondern verbindet diese mit dem Bewusstwerden und der Ausweitung von Stärken, Erfolgen, Kompetenzen.
85 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen haben eine geringe oder gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen, nur 15 Prozent brennen wirklich für ihre Aufgabe und ihren Arbeitgeber, so das Ergebnis des Gallup Engagement Index 2018. Dienst nach Anweisung? offenbar eher die Regel als die Ausnahme. In vielen Branchen und Regionen herrscht außerdem Vollbeschäftigung, viele Arbeitgeber müssen sich inzwischen eher um Führungs- und Fachkräfte bewerben als andersherum. Die jungen Arbeitnehmer von heute scheinen zudem viel höhere Ansprüche an Führende zu stellen, ihnen sind Wertschätzung, Anerkennung und gezielte Förderung wichtiger als Eckbüro, Dienstwagen und andere traditionelle Statussymbole. Was ist meine Aufgabe hier, was ist mein Beitrag, wer hat was von meiner Arbeit – auf diese Fragen müssen Führungskräfte heute viel stärker als bisher nachhhaltig befriedigende Antworten liefern. Ein Leitungsverhalten nach Kommando und Kontrolle funktioniert da immer weniger. So zeigt auch eine kürzlich vom eher nicht allzu kapitalismuskritischen Economist veröffentlichte Studie: Der Kapitalismus insgesamt verliert bei den unter 50-Jährigen US-Amerikanern deutlich an Glaubwürdigkeit. Und das war noch deutlich vor Greta Thunbergs USA-Reise. Wie ernstgemeint der vielzitierte Brief vom August 2019 sein mag, in dem die Chefs von Apple, American Express, BCG, Coca Cola und vielen anderen US-Konzernen einen stärkeren Einsatz für den Umweltschutz, mehr Mitarbeiterfreundlichkeit und faire Beziehungen zu den Lieferanten einfordern, darüber kann man sicher streiten. Aber auch er zeigt: In vielen Führungsetagen ist die Frage nach dem Why angekommen.
Positive Leadership kann echte Wettbewerbsvorteile gerade für Unternehmen und Organisationen schaffen, die in Zeiten des Fachkräftemangels um geeignete Kandidaten buhlen müssen und die im Sinne echter Nachhaltigkeit ökologische Verträglichkeit, soziales Engagement und zufriedene Mitarbeiter unter einen Hut bringen wollen. Positives Führen kann Organisationen und Firmen nützliche und umsetzbare Hinweise unter anderem dann geben, wenn
• Teamkonflikte vorherrschen
• hohe Mitarbeiterfluktuationsraten hohe Energie- und Zeitaufwände für das Finden und Binden von Personal verursachen
• die Organisationskultur hohe Burnout-Raten von Führungs- und Fachkräften bedingen
• Qualitäts-, Kundenzufriedenheits- und andere Indikatoren nachlassen
Das bekannteste und am meisten beforschte Modell von Zufriedenheit ist das PERMA-Modell, das der US-Psychologe Martin Seligman Anfang der nuller Jahre entwickelt hat. Es steht für die fünf Dimensionen positive Emotionen (P), Stärkenfokus (E, engagement), Stärkung der Vernetzung und Verbindungen (R, relationships), stärkeres Sinnerleben (M, meaning) und die erhöhte Kultivierung von Errungenschaften und Erfolgserlebnissen (A, achievements). Hier ein kurzer Überblick über die fünf Dimensionen:
- Gefühle lassen sich in einer Matrix mit zwei Achsen darstellen, die eine steht fragt nach der Intensivität, die andere nach der Positivität vs. Negativität. Positive wie negative Emotionen können wir also schwächer oder stärker erleben, Begeisterung, Interesse, Langeweile und Wut wären vier mögliche Emotionsausprägung aus den vier Quadranten. Negative Emotionen haben durchaus ihren Sinn, Furcht oder Ekel haben uns womöglich in früheren Zeiten das Überleben gesichert. Allerdings ist es für Führende höchst sinnvoll, positive Emotionen wie Interesse, Freude, Stolz, Dankbarkeit oder Vergnügen zu kultivieren. Denn, so hat die US-amerikanische Forscherin Barbara Fredrickson herausgefunden, sie weiten unsere emotionalen, kognitiven und sozialen Wahrnehmungsfilter und stärken unsere Abwehrkräfte gegen Krisen und Niederlagen.
- Das Engagement, die zweite PERMA-Säule, lässt sich vor allem durch das verstärkte Ausleben von Stärken erhöhen. Jeder von uns kann manche Dinge besonders gut, tut manches mit großer Leidenschaft – Chefinnen und Chefs sollten sowohl sich selbst als auch ihr Team stärker im Ausbau der Stärken fördern als den mühsamen Abbau von Schwächen fordern. Wer regelmäßig Gelegenheit hat, ihre oder seine Stärken im Beruf auszuleben, bleibt seiner Stelle treuer, meldet sich seltener krank und ist leistungsstärker und kreativer als diejenigen, deren Aufgaben mit persönlichen Neigungen und Kompetenzen wenig zu tun haben.
- „Haben Sie einen richtig guten Freund in der Arbeit?“ Da wo ein hoher Prozentsatz diese Frage bejaht, ist laut Studien des Gallup-Institutes die Mitarbeiterzufriedenheit in der Regel signifikant höher, wird deutlich seltener gemobbt als in Organisationen, wo dies unüblich ist. Persönliche Verbindungen im Büro zu fördern ist also eine weitere, höchst relevante Aufgabe von positiven Leadern.
- Ähnliche Studienergebnisse gibt es zur vierten PERMA-Dimension, dem Erleben von Sinnhaftigkeit: Wer ein Warum hat, erträgt jedes Wie, wusste schon der Wiener Psychologe Viktor Frankl, wohl daher bemüht sich ein Konzern nach dem nächsten derzeit um eine Strategie zur Stärkung des „Purpose“, des unternehmerischen Daseinzwecks. Wer dies erst meint, kommt mit ein paar schicken Powerpoint-Folien, in der Vorstandsetage entwickelt, nicht weit, sondern versucht ernsthaft, das Wozu und Warum von Produkten, Dienstleistungen, aber auch von Veränderungen immer wieder für die Belegschaft greifbar zu machen.
- Das Erleben und die Kommunikation von Errungenschaften und Gelingen stellt die fünfte PERMA-Dimension dar. Selbstwirksamkeit, also die Gewissheit, dass etwas vorwärts geht mit der Arbeit, dass unser Tun zu irgendetwas führt, dass wir Ziele haben und erreichen, ist eine Hauptzutat von individuellem Wohlbefinden. Dazu gehören sowohl anspruchsvolle, aber prinzipiell erreichbare und attraktive Ziele als auch ein konstruktiver Umgang mit Scheitern und Fehlleistungen.
Teilweise überlappen sich die fünf einzelnen Dimensionen, und viele Führungskräfte zahlen in ihrem Handeln laufend auf das PERMA-Konto ihrer Teams und Mitarbeitenden ein. Hier dennoch ein paar konkrete Tipps zur Förderung des PERMA für Sie persönlich, Ihr Team oder Ihre Organisation:
• Der sprichwörtliche Kickertisch in vielen StartUps, der Betriebsausflug, der Obstkorb oder die schicken Büromöbel mancher Vorzeigefirmen: Sie sind nicht nur unternehmerischer Schnickschnack, sie können tatsächlich das Erleben positiver Emotionen stärken – mit den oben erwähnten willkommenen Folgen.
• Was kann ich gut, was zeichnet meine Mitarbeiter aus, welche besonderen Kompetenzen zeichnen meine Teams, Abteilungen, Bereiche aus? Wie kann ich und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass Stärken, Leidenschaften und Kompetenzen nicht nur brachliegen und vom Fokus auf Defizite in den Schatten gestellt, sondern tatsächlich erlebt und genützt werden? Mitarbeitergespräche mit Ressourcenfokus oder der systematische Einsatz von Stärkentests (kostenlos etwa auf www.gluecksforscher.de) können Stärken stärken helfen.
• Wem nützen die Dienstleistungen oder Produkte, die Ihre Organisation oder Firma erschafft, vertreibt, herstellt? Inwiefern tragen diese zu mehr Gerechtigkeit, nachhaltigem Ressourcenumgang oder anderen Nachhaltigkeitsaspekten bei? Fragen dieser Art fördern das Sinnerleben im Unternehmen.
• Wer dankt schon der IT für das funktionierende Internet oder der geräuschlosen Wegarbeiterin für das wieder mal pünktlich abgelieferte, wie immer fehlerfreie Projektpapier? Das gezielte Kommunizieren und Feiern von Erfolgen, die Weitergabe von Lob, gerade auch an Personen, Teams oder Abteilungen, die eher „im Schatten“ vor sich hinwerkeln, macht die fünfte PERMA-Säule aus, Errungenschaften. Hilfreich dabei: Zum einen Vorgaben, die von vornherein möglichst spezifisch, messbar, realistisch und mit konkreten Meilensteinne und Terminen versehen sind. Und zum anderen eine Kultur, die Fehler eher zu verstehen als zu verdammen versucht, in der Risiko und Verantwortungsübernahme eher gefördert als gemieden werden – „psychologische Sicherheit“ heißt dieses Konzept, nach jahrelangen Forschungen des renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) der wichtigste Erfolgsfaktor unter den Spitzenteams bei Google.
Anweisung, Kontrolle und Sanktion – das ist das traditionelle Führungsverständnis eines Managers, der nach Zahlen, Daten und Fakten verwaltet. Das sind und bleiben wichtige Kompetenzen. Positives Führen gemäß der PERMA-Formel hingegen setzt – zusätzlich zu alledem – auf Vertrauen, Stärkung und Ermutigung.
Dabei bleibt es aber nicht bei schönen Formeln, die Kompetenzen positiven Führens lassen sich lernen, trainieren – und messen. Der Wiener Wirtschaftspsychologe und Berater Markus Ebner hat mit PERMA-Lead (www.perma-lead.com) ein Analysetool entwickelt, mit dem sowohl Einzelne für sich als auch im 360-Grad-Feedback als auch ganze Organisationen ihren PERMA-Level analysieren und gezielt stärken können.
Sei es die Meetingkultur, sei es die Kühlkette in Supermärkten, sei es die Förderung von Kreativität oder ein verbessertes Employer Branding: Institutionen wie die Supermarktkette Lidl, die Ferienwohnungs- und Hotelleriekette Upstalboom, das niederländische Pflegenetzwerk buitzoorg oder die Deutsche Telekom haben mit Methoden der Positiven Leadership ihr unternehmensweites PERMA stärken und damit die unterschiedlichsten Unternehmenskennzahlen verbessern können. Eines aber fällt Ihnen mit Sicherheit leichter, wenn Sie sich ernsthaft mit PERMA beschäftigen: die Sache mit den Kontaktlinsen...
Mal ehrlich: In wievielen Projekten, Arbeitskreisen, Aktionsgruppen, Initiativen oder in agilitätsdeutsch: work streams, subject groups, squads und tribes sind Sie oder Ihr Team mit dabei? Und jetzt noch mal ehrlicher: Hätten Sie gerne mehr davon? Oder weniger? Eben!
Die meisten Organisationen sind extreeeem gut darin, Neues anzufangen. Und tun sich extreeeeeem schwer damit, Altes aufzuhören.
Die Folgen: organisationaler und individueller Burnout, rasender Stillstand, Probleme bei Qualität, Produktivität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Undundund. Hier deshalb ein paar Tipps zum Schlussmachen, Ausmisten, Aufhören, Weglassen.
Digitalisierung, Globalisierung, die Forderungen von Kapitalmarktinvestoren: Das dürften Hauptursachen des chronischen Zuviels sein.
Weil viele Organisationen schlanker geworden sind, sprich: mehr Leute heute das gleiche wie oder mehr als gestern machen müssen , steigt der „Kannst-Du-das-auch-noch-machen“-Druck auf die Verbliebenen häufig.
Nein sagen? Geht in vielen Unternehmenskulturen gar nicht. Erst recht nicht, wenn der Bonus der Chefin oder des Chefs davon abhängt, was sie oder er alles neu anzettelt – und nicht davon, was sie oder er streicht, kürzt, gar nicht erst anfängt. Und dann gibt es da noch die so genannte impact blindness: Gerade in Matrix-Organisationen haben Führende gar nicht den Überblick darüber, was Ihre Mitarbeiter eigentlich so alles machen und was diese Initiative oder jenes zusätzliche Projekt für sie bedeutet.
So viel also zu den Ursachen der Initiativenfülle. Dabei gäbe es so viele gute Gründe, gegen sie anzugehen.
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, er sei mindestens so stolz auf alles, was Apple mache, wie auf all das, was Apple nicht mache.
Denn das Projekte abzuschaffen oder gar nicht erst anzufangen hat für Viele viele unterschiedliche Vorteile:
* Wer für weniger zuständig ist, macht das häufig mit mehr Leidenschaft.
* Wer zufriedener, weniger gestresst und gesünder in die Arbeit kommt, macht bei potenziellen Bewerbern eher Werbung für sein Unternehmen.
* Organisationen, die sich auf weniger Projekte, Prozesse, Produkte fokussieren, machen diese in der Regel besser, effektiver und rentabler.
Wie das organisatorische Entschlacken wirklich gehen kann – dazu liefert Positive Leadership einige Ideen:
* Stärkenfokus: Von den Dingen, die wir tun – wo kann ich, wo kann mein Bereich, wo können wir als Ganzes wirklichen Mehrwert leisten? Worin sind wir richtig gut? Und wo könnten wir unsere PS mehr auf die Straße bringen, wenn wir mehr Luft dafür hätten?
* Energiebilanz: Welche Initiativen und Projekte ziehen mehr Energie als sie produzieren, was fühlt sich irgendwie falsch an? Solche Projekte und Initativen nach einer gleichsam konstruktiven wie kritischen Inventarisierung als erstes stoppen! Alle werden ausatmen!!
* Quartalsputz: Unternehmen sollten sich mindestens vierteljährlich fragen, ob all ihre Initiativen noch sinnvoll und notwendig sind – und wo entschlackt werden kann. Manches merkt eh niemand, wenn es nicht mehr angeboten oder geleistet wird.
* Sollbruchstellen: „Wenn wir bis Mittag nicht an der Alm vorbei sind, schaffen wir es auch nicht mehr sicher auf den Gipfel und kehren dort um.“ Umkehrzeitpunkt heißt das bei uns Bergsteigern. So ähnlich sollten Sie Sollbruchstellen einbauen. Wenn wir bis X nicht Y erreicht haben, dann lassen wir’s eben.
* Lernkultur: Psychologische Sicherheit bedeutet unter anderem, dass Initiativen auch mal schief gehen, Projekte misslingen dürfen, damit man aus ihnen lernen kann. Führende haben hier einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Beendetem und Eingestelltem, Sie sollten also Misserfolge eher als Lernerfahrungen verstehen statt immer mit dem Zeigefinger auf „Schuldige“ zu zeigen.
* Leichenschau: Wenn jemand stirbt, kommt der Arzt und überprüft, ob die Person auch wirklich tot ist. Für manche Projekte, die eigentliche eingestellt sind, wäre das auch hilfreich. Denn häufig gibt es für sie noch Mailverteiler, Budgets, Organigramme – oder gar Meetings. Das saugt Zeit, Energie, Geld. Beendete Projekte also wirklich beenden, notfalls auch mit würdiger Grabrede. Dann geistern sie nicht als Zombies weiter durch die Kellergewölbe der Organisation.
Liebe Positiv Führende, welche Erfahrungen haben Sie/habt Ihr mit dem Beenden von Projekten gemacht? Was klappt, was ist zu beachten? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Tipps!
Herzlich Christian Thiele
Ressortleiterinnen, Textchefs, Chefredakteurinnen: Speziell für Führende in den Medien (aber nicht nur) gibt's neue Seminare von mir zu #PositiveLeadership an der Akademie der Deutschen Medien! Ich freue mich drauf und auf Euch – here we go: medien-akademie.de/seminarangebot…
Es ist meine Lieblingsintervention in Gruppen, die sich halbwegs gut oder gut kennen. Positive Leadership vom Feinsten. Heute durfte ich sie in einer Gruppe mit kommunalen Führungskräften anwenden, und irgendwie waren am Schluss alle gerührt. Danke! Kann man aber nicht nur im Training anwenden – wie wär's zum Beispiel zur Weihachtsfeier?
Bitte 10 Minuten jeder für sich konkretes, positives Feedback zu jeder Person reflektieren und mit je ein paar Stichworten notieren:
Dann reihum eineR in die Kreismitte. Jeweils 90 Sekunden Lob aus allen Rohren, keine Hemmungen! BeschenkteR: nur Zuhören, keine Rechtfertigungen, keine Relativierungen, einfach nur genießen. Höchstens „Danke“ am Schluss...
Keine Ressource wird in Organisationen so vergeudet wie die Energie, die ihre Mitarbeiter in und für Meetings aufwenden. Dabei sind gelungene Meetings enorm wichtig und hilfreich. Mit den Methoden der Positiven Leadership können Sie in Meetings für mehr Effizienz, Kreativität, Gesundheit und Gaudi in Ihrem Unternehmen sorgen. Wie das geht? Hier ein paar schwer wirksame und leicht umsetzbare Tipps dazu:
Das so genannte Parkinsonsche Gesetz lautet: Arbeit dehnt sich immer auf genau die Zeit aus, die zu ihrer Erledigung zur Verfügung steht. Einen großen Einfluss auf erfolgreiche Meetings hat daher das Timing: Planen Sie für Meetings immer etwas weniger Zeit als nötig. Lieber nach 50 produktiven Minuten vertagen als nach anderhalb Stunden Meetingkaugummi erschöpft vom Stuhl fallen! Setzen Sie ruhig mal eine ungerade Anfangszeit an. Und starten Sie unbedingt pünktlich! Das tun nämlich bestenfalls 50 Prozent der Meetings, hat der US-Forscher Steven Rogelberg ermittelt. Und ein unpünktlicher Start verschlechtert die Chancen auf eine produktive Sitzung enorm. Vielleicht macht ja auch ein Kurzmeeting, ein so genannter Huddle, für Sie Sinn: 10 Minuten im Stehen, nur ein kurzer Abgleich, wer woran ist, und das drei- oder fünfmal die Woche – damit bekommen viele Teams und Organisationen enormen Wumms in ihre Arbeit.
Meeting-Audits haben ergeben: In mehr als jedem zweiten Meeting sitzen zwei oder mehr Personen zu viel, die eigentlich gar nicht da sein müssten oder sollten. Also bei der Agendaplanung darauf achten: Wer ist wann für wie lange nötig? Wer kann mit welchen Erfahrungen, Stärken, Kompetenzen etwas zu dem Meeting beitragen? Vielleicht reicht ja auch ein kurzer Input von Person X zum Anfang oder Ende des Meetings – und den Rest der Zeit kann er oder sie der sonstigen Arbeit nachgehen. Von Entscheidungen oder Diskussionen Betroffene können auch anders eingebunden und informiert werden – zum Beispiel durch die Einladung zu Impuls-Mails vorab oder Debriefs danach. Der legendäre Apple-Chef Steve Jobs hat einmal die Teilnahme an einer Runde im Weißen Haus mit Barack Obama abgesagt, weil ihm zu viele Menschen auf der Teilnehmerliste standen...
Der positive Auftakt eines Meetings hat enormen Einfluss auf die weitere Kreatitivät, Ideenfindung und Stimmung. Interesse, Freude, Stolz, Neugier und andere positive Emotionen sind nicht nur nett. Sondern sie stärken nachweislich a) unsere geistigen, seelischen und sozialen Fähigkeiten und b) sind eine Art Abwehrschicht gegen Stress, Ärger und andere negative Emotionen. Bis zu 30 Prozent unserer Leistungsfähigkeit, schreibt Daniel Goleman (der mit der emotionalen Intelligenz...), hängen von unserer Stimmung ab. Starten Sie also beispielsweise mit einer TaDa-Runde, nennen Sie oder lassen Sie Dinge benennen, die seit dem letzten Meeting gut gelaufen sind, erzählen Sie von Kundenkomplimenten oder lassen Sie jeden eine kleine Fortschrittsnachricht vortragen. Keine Sorge, Sie können nachher immer noch Probleme, Herausforderungen und Misserfolge ansprechen, aber fokussieren Sie zum Start lieber erstmal auf das WWW (What went well)!
In vielen Meetings ist die Sitzordnung vorgegeben und immer gleich – und damit auch die Hackordnung. Menschen, die nebeneinander sitzen, stimmen einander häufiger zu. Wenn Sie also produktive neue Sichtweisen fördern wollen, setzen Sie sich immer mal wieder auf einen neuen Platz, nicht immer neben den selben Personen. Oder stellen Sie, so macht das angeblich Amazon, immer noch mal einen leeren Stuhl dazu, auf dem der imaginierte Kunde sitzt – hilft angeblich, dessen Perspektive stärker in den Raum zu holen.
Es gibt die Lauten und Schnellen, die sich immer, mehrfach und länglich zu allem möglichen melden. Und es gibt die Introvertierteren, die fünf Mal nachdenken, bevor sie etwas sagen – aber deshalb nicht weniger wichtige Beiträge hätten – wenn sie nur dazu kämen... Immer gut daher: Entweder kurze Runden in das Meeting einbauen ("Jeder mal bitte gerade zwei Sätze zu seiner Sicht auf Thema XY") . Oder Einzelne gezielt ansprechen ("Du als Expertin auf dem Gebiet, was meinst Du dazu?")
Für unseren Eindruck von Filmen, Mehr-Gänge-Menüs, Ehen und Meetings sind der Anfang und das Ende entscheidend. Enden Sie also erstens pünktlich und zweitens mit einem Tusch, einem konstruktiven Abschluss. Das kann sein:
Haben Sie weitere Ideen und Tipps für konstruktivere Meetings? Ich freue mich auf Ihre Anregungen!
Wer (gut) delegieren kann, macht sich nicht den eigenen Schreibtisch auf Kosten der MitarbeiterInnen leerer, oder zumindest nicht nur – sie oder er schafft damit echten Mehrwert für alle Beteiligten: Abgeben können an wen anders ist ein Vertrauensbeweis. Ermöglicht neue, andere Wege. Und gibt der oder dem Beauftragten die Möglichkeit, an neuen Anforderungen zu wachsen, dazuzulernen. Und, ja, es entlastet die/den DelegierendeN.
Abgeben sollten Führende
* Spezialistenaufgaben, die andere eh besser können als man selbst
* Routinejobs
* Alles, was nicht dringend oder zwingend die eigene Präsenz und Handschrift erfordert
Delegiert werden können
* Vorentwürfe, über die die Chefin/der Chef dann noch mal das letzte Wort behält
* Termine, Zuständigkeiten, die nicht zwingend ad personam laufen, sondern die auch in Vertretung erledigt werden können
Undelegierbar sind in aller Regel
* Hochrisikoentscheidungen
* Sehr sensible, vertrauliche Themen
* Krisenhandling
* Mitarbeitermotivation und Führung
* Zielsetzung, Zielerreichungskontrolle
Nach dem Modell des Situativen Führens ist je nach Aufgabe, Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden zu entscheiden, was wem wie zu übertragen ist und wer bei was mehr Führung oder engschrittigere Kontrolle braucht.
Was wäre ein guter Zielzustand, bei dem die Aufgabe gut erledigt wäre? Wieviel Abweichung vom Soll wäre ok, und mit welchen Hindernissen ist möglicherweise zu rechnen?
Welche Unterstützung, Tools, Befugnisse, Budgets braucht und bekommt die/der Beauftragte? Gibt es bestimmte Vorgehensweisen, Verfahren, die hilfreich sein können oder befolgt werden müssen? Welche Kompetenzen könnten helfen, um die Aufgaben gut erfüllen zu können? Und – typischer Beratergedanke, sorry – welche Seminare könnten dafür nötig sein?
Last-minute-Delegation funktioniert häufig nicht, daher sollte die Entscheidung über eine Übertragung von Zuständigkeiten immer so früh wie möglich erfolgen. Wirksam delegiert ist, wenn ein (realistischer) Endtermin festgelegt und kommuniziert wird. Und häufig sind auf dem Weg dorthin ein paar Meilensteine sinnvoll.
Was nach meiner Erfahrung häufig am Abgebenkönnen hindert:
Erfolgreicher, effizienter, resilienter, sinnerfüllter und mit mehr Freude führen, mich selbst, meine Mitarbeiter und meine Organisation: Darum geht es in den Methoden des Positiven Führens. Die Methoden und Praktiken der Positiven Leadership schaffen, im Unterschied zu den meisten anderen Führungstechniken, messbar positive Effekte: Mehr Mitarbeitermotivation, geringere Krankheits- und Ausfallzeiten, höhere Kundenzufriedenheitswerte sowie höhere Erträge sind nur einige der Folgen von Positiver Leadership, die seit Ende der neunziger Jahre durch immer mehr wissenschaftliche Studien in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen belegt werden können. Die Methoden sind gleichzeitig leicht erlern- und trainierbar, lassen sich erfahrungsgemäß einfach und schnell im Arbeitsalltag für die Führung von Teams und Organisationen einbauen.
Eine neue Seminarstaffel dazu biete ich ab sofort beim VDI an, die Workshops sind vor allem, aber nicht nur für technische Fach- und Führungskräfte gedacht. Diese Seminare sind natürlich auch als Inhouse-Workshops buchbar. Sprechen Sie mich bei Interesse gerne an! Hier der Link: https://www.vdi-wissensforum.de/management-fuer-ingenieure/positive-leadership/
Geschafft: Der Dienstag, 2. Juli ist der 183. Tag des Jahres 2019. 50,14% des Arbeitsjahres sind damit rum – das sind, wenn ich mich nicht verrechnet habe, mehr als die Hälfte. Das heißt: Bergfest!
Anlass für einen Rückblick, für Sie selbst, für Ihr Team, für Ihre Organisation. Hier ein paar Anregungen dazu – wie immer bei mir aus der Perspektive der Positiven Leadership:
- Was hat gut geklappt, bei mir, bei uns im Team, in unserer Organisation? Was sind Erfolge, Errungenschaften, Fortschritte, auf die ich, auf die wir stolz sein können?
- Was kann ich besonders gut, was können wir besonders gut? Welche meiner Stärken kann ich bei den aktuellen Herausforderungen besonders gut brauchen? Welche unserer Stärken helfen uns derzeit besonders? Wie können diese Stärken, Talente, Kompetenzen noch stärker, auf neue Art in Wirkung gebracht werden, in welchen Bereichen, mit wem?
- Wovon sollte es in meinem, in unserem Alltag noch mehr geben? Was kommt zu kurz, was müsste größer, stärker, wichtiger werden?
- Und was kann dafür weg? Was hat sich überlebt, lohnt nicht mehr den Einsatz, kann vielleicht auch wer anders machen?
Viel Erfolg und Spaß beim Sinnieren! Und vor allem: viel Erfolg, Kreativität, Spaß und Sinnerfüllung für den Rest von 2019. Wenn ich Sie dabei unterstützen kann, melden Sie sich gerne!
„Was ist für Sie eine gute Frage?“, will ich von den Teilnehmern eines Führungskräfteseminars wissen. Es handelt sich ausnahmslos um sehr erfahrene Chefinnen und Chefs, die seit vielen Jahren, teils mehreren Jahrzehnten Mitarbeiter einstellen, anleiten, führen. Da meldet sich ein Teilnehmer und sagt: „Eine Frage ist dann gut, wenn ich vorher schon die Antwort darauf kenne. Ich bin ja schließlich Führungskraft!“ Aus meiner Sicht ist diese Antwort typisch für das traditionelle Selbstverständnis vieler Führungskräfte: „Ich muss alles besser wissen als meine Mitarbeiter. Ich muss meinen Mitarbeitern immer sagen, wo es lang geht. Offen diskutieren, offene Fragen stellen, mal nicht wissen, wo die Reise hingeht – das sind Zeichen von Führungsschwäche.“
„Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum? Wer nichts fragt, bleibt dumm.“ So geht das Sesamstraßenlied. Und niemand frägt so gut wie Kinder im Sesamstraßenalter, so herrlich unbefangen, unbefangen, subversiv: „Papa, warum ist die Erde rund? Papa, wie macht man Kinder? Papa, ist der Pabst eigentlich ein Mensch oder ein Tier?“ Solche Fragen können nur Kinder stellen, leider.
Journalisten, deren Job es ja ist, Wahrheit herauszufinden, bekommen von Anfang an eingebimst, die W-Fragen zu stellen: Wer? Wo? Wann? Warum? Erst dann, wenn ein Text möglichst alle W-Fragen beantwortet, ist er für den Druck geeignet, auch wenn es nur um den Radlunfall in der Bahnhofstraße geht.
Fragen dienen also einerseits dazu, Informationen zu gewinnen. Und andererseits schaffen Fragen – zumindest gute – auch etwas Neues. Denn in jeder ernst gemeinten Frage steckt das Angebot, die Dinge doch auch mal ganz anders als bisher zu sehen.
Das Ausrufezeichen beendet, legt fest. Das Fragezeichen beginnt, weitet, verändert. Wenn wir als Führende unseren Mitarbeitern Fragen stellen, dann:
Aber natürlich nur, wenn wir a) Fragen stellen, auf die wir die Antwort noch nicht kennen und b) wenn uns die Antworten überhaupt interessieren.
Das Fragen ist natürlich keine Technik, die in der Positiven Psychologie erfunden wurde. In Beratung, Therapie und Coaching ist das Fragen seit Jahrzehnten gängige Praxis. Vor allem die so genannten Systemiker, also jene Schule, die den Fokus auf Ressourcen und Lösungen legt statt immer nur auf Probleme und die auch den Kontext, das Umfeld, die Beziehungen des Einzelnen im Blick hat, legen seit jeher großen Wert auf gutes Fragehandwerk.
Eine Führungskraft, die fragt, zeigt Neugier. Macht vor, dass keiner alles wissen kann. Lädt dazu ein, die Welt auch mal auf den Kopf zu stellen. Hier ein paar Tipps zu unterschiedlichen Arten des Fragens für Ihren Umgang mit Teams und einzelnen Mitarbeitern:
Je verzweifelter die Lage bei Teams oder Einzelnen, desto wichtiger, ihn oder sie aus dem Problemsumpf heraus und in das Möglichkeitsdenken hineinzubringen. Zum Beispiel mit Fragen nach Ressourcen, Stärken, Kompetenzen:
Was können Sie besonders gut?
Was sind Ihre Stärken/die Stärken des Teams?
Was genau hat dabei geholfen, Projekt XY so schnell, so präzise, so erfolgreich abzuschließen?
In welchen Momenten tritt das Problem in der Abteilung nicht oder kaum auf?
In unserem Gehirn wird das Belohnungszentrum mitsamt seinen Glückshormonen aktiviert, wenn wir über Hin-zu-Ziele in den Blick nehmen, statt immer nur von Weg-von-Zielen zu sprechen:
Wenn es komplett nach Ihnen ginge, was müsste Ziel der Arbeitsgruppe XY sein?
Wie sieht das Team nach einer erfolgreichen Umgestaltung aus? Und woran wird der Unterschied zu erkennen sein?
Vor allem wenn es in Veränderungsprozessen vermeintlich wenig weitergeht, hilft Differenzierung, die Wahrnehmung von Grauschattierungen statt reinem Schwarz-Weiß-Denken:
Wer im Team ist mit der aktuellen Lage am zufriedensten?
Was hat sich verändert, seitdem wir mit Programm X, Verfahren Y oder Schema Z arbeiten?
Zu wie viel Prozent steht Kollege Meier denn wirklich vor der Kündigung?
Wie würden Sie auf einer Skala von 0 – schlecht – bis 10 – super – die Stimmung, die Klarheit der einzelnen Zuständigkeiten, die Klarheit der Teamziele etc. beurteilen?
Wenn Optionen hin- und hergewälzt werden und irgendwann mal alle Optionen auf sämtliche Vor- und Nachteile abgeklopft sind, kann man mit Aktionsfragen den Weg ins Handeln verkürzen:
Wie sieht der nächste kleine Schritt aus?
Was können wir jetzt ganz konkret, am besten noch heute, tun, um...?
Besonders in scheinbar festgefahrenen Situationen kann das so genannte zirkuläre Fragen Erweiterungsmöglichkeiten bieten, da es neue Perspektiven eröffnen kann:
Wie denkt Abteilung X über das Problem bei Ihnen?
Wer leidet am meisten unter dem Konflikt zwischen X und Y?
Woran würden Kunden, Lieferanten, Mitbewerber o.ä. merken, dass sich an diesem Punkt etwas verändert hat?
Die so genannten paradoxen oder Verschlimmerungsfragen laden zu einem – manchmal irritierenden – Perspektivwechsel ein. Sie können hochwirksam sein, sollten aber gut eingeführt werden, zum Beispiel mit einer Vorbemerkung in dieser oder ähnlicher Art: „Jetzt mal eine Frage, die Ihnen vielleicht sehr merkwürdig vorkommen mag...“
Was müsste passieren, damit die Zusammenarbeit in Ihrer Abteilung noch schlechter wird?
Was würde dem Team fehlen, wenn das Problem plötzlich weg wäre?
Der so genannte Öko-Check kann gerade beim Erarbeiten von Lösungswegen sinnvoll sein, um diese Ansätze wetterfest gegen innere und äußere Einwände, gegen die Anfechtungen des Alltags zu gestalten:
Wie wird Abteilung XY von dieser Veränderung betroffen sein?
Wer oder was könnte einer Lösung des Problems im Weg stehen?
Wer oder was könnte bei der Überwindung dieses Hindernisses hilfreich sein?
Ein paar Tipps:
Und die wichtigste aller Kommunikationstechniken? Auf die komme ich demnächst zu sprechen...
Aus meinem Buch "Positiv führen für Dummies", das voraussichtlich Ende 2019 bei Wiley erscheint. Interessiert an einem Vorabdruck und/oder weiteren Informationen dazu? Schreiben Sie mir gerne an buch@positiv-fuehren.de
Als Chefin oder Chef für mehr Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl, Sinnhaftigkeit und, ja: Glück in der Arbeit sorgen – das lohnt sich! Für mich selbst, für mein Team, für meine Organisation. Es macht mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur gesünder, zufriedener und besser – es stärkt auch die wirtschaftliche Performance.
Wie das gehen könnte?
Weil bald Weltglückstag ist, und weil die Zahl sieben seit jeher und in vielen Kulturen und Religionen für Glück steht: Hier sieben Tipps dazu.
Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Geduld und Ehrgeiz zugleich! Geduld, denn Sie haben gerade die wichtigsten Prinzipien der Positiven Leadership kennengelernt. Die einzuführen, ist ein echter Change-Prozess, und der braucht wie jede Veränderung Geduld und Langmut. Und gleichzeitig wünsche ich Ihnen den Ehrgeiz, sich ein, zwei Glücksstrategien herauszusuchen, die zu Ihnen, Ihrer Arbeitskultur und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passen könnte – und dann einfach üben und am Ball bleiben! Viel Spaß und Glück dabei!
Für wen?
Wenn Sie eine Abteilung/einen Bereich/ein Team leiten oder in einem arbeiten oder für eines als PersonalerIn zuständig sind, das:
dann könnte eine Teamentwicklung durchaus Sinn ergeben.
Was ist Teamentwicklung nicht?
Teamentwicklung oder Teambuilding oder Teamcoaching ist nach meinem Verständnis
Was ist Teamentwicklung?
Ich verstehe Teamentwicklung als einen Prozess hin zu einem verbesserten Miteinander in der Arbeit. Diese Verbesserung kann fachlich-prozessual-sachlicher Art sein, sie kann zwischenmenschlicher Art sein, und häufig ist sie ein wenig von alledem. Sie ist ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Eine Maßnahme im Spannungsfeld zwischen Verträglichkeit, Rücksichtnahme und Sorgfalt auf der einen Seite – und Irritation, Zumutung und Mut auf der anderen Seite. Teamentwicklung stört immer irgendwen und irgendetwas, mitunter ver-stört sie sogar zeitweilig. Aber dafür hat sie, wenn sie gut läuft, eigentlich immer mehr Verständnis, intensiveren Austausch und mehr Klarheit zum Ergebnis. Eine Art „kontrollierte Sprengung“ (Eberhard Stahl) des Alten, eine Art soziales Versuchshandeln hin zu möglichem Neuem – auch das kann eine Teamentwicklung sein. Mehr Freude und Gaudi im Miteinander während und nach der Teamentwicklung: für mich immer wichtige Ziele! Seilgarten/Hindernisparcours/Bastelprojekte können dazu beitragen – aber es geht auch anders.
Wie kann Teamentwicklung ablaufen?
Wichtig für eine gute Teamentwicklung: eine gründliche und doppelte Auftragsklärung. Also einmal, vorab, mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber. Und dann, zu Beginn der Maßnahme, direkt mit den Beteiligten. Vom Thema, von den Zielen, von den Rahmenbedingungen hängt dann ab, welche Methoden ich sinnvollerweise zum Einsatz bringe. Das kann eine Konfliktklärung sein. Das mag eine Verständigung über die Ziele, die Kultur oder die Rollen im Team sein, das können aber auch Trainingsinhalte (z.B. Kommunikation, Konflikt, Feedback) oder Entscheidungen zur Veränderung von Strukturen, Zuständigkeiten, Abläufen oder zur Verbesserung des Informationsflusses sein. Und wie gesagt, besonders gerne bin ich mit Gruppen in den Bergen unterwegs – wie zum Beispiel bei unserer Elmau-Challenge.
Praktisch immer führt eine Teamentwicklung, unabhängig vom konkreten Verfahren, zu mehr oder weniger großen Ahas, Öhas und anderen überraschenden und überraschten Einsichten bei den Teammitgliedern über die Interaktionen, die Kultur, die Abläufe oder all das andere, was man so leicht als „normal“, als „selbstverständlich“ oder „so machen wir das hier eben“ empfindet.
Veränderung hat immer einen Preis. Es ist mir daher wichtig, mit Prognosen für größtmögliche Transparenz zu sorgen bezüglich Preis und Nutzen bei der Aufgabe von Gewohntem und dem Ansteuern von Neuem. Im Wissen, dass diese Prognosen immer nur vorläufig sein können.
Zwingend ist am Ende des Teambuildings ein konkreter Transfer in den Alltag, damit die Gruppe nach der Intervention wirklich effizienter, effektiver, klarer, wertschätzender zusammenarbeiten kann.
Was hilft bei einer Teamentwicklung?
Ein paar typische Erfolgsfaktoren für Teamentwicklungen:
Wo kann ich vorab mehr über Teams/Teamentwicklung erfahren?
Ein großartiges, schlaues, lesbares Buch zu Theorien und Methoden der Teamentwicklung: Eberhard Stahl, Dynamik in Gruppen, https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/34569-dynamik_in_gruppen.html
Sehr anschaulich und doch sehr lebensnah zur Klärung von Konflikten im Team: Christoph Thomann, Klärungshilfe 3, https://www.rowohlt.de/taschenbuch/christoph-thomann-klaerungshilfe-3.html
Für die, die tiefer gehen wollen: Eine Vielfalt an unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf Kleingruppen, von psychodynamischen über feministische bis hin zu Netzwerk-Ansätzen: Marshall Scott Poole, Theories of Small Groups, https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/theories-of-small-groups/book226399
Knapp, praktisch, pragmatisch zu virtuell geführten Teams: Hassan Osman, Influencing Virtual Teams: 17 Tactics That Get Things Done with Your Remote Employees, https://www.amazon.de/Influencing-Virtual-Teams-Tactics-Employees-ebook/dp/B00LGWDGG6
Einen spannende Reportage über Vertrauen, Kommunikationscluster und weitere Kooperationsfaktoren in Teams: Daniel Coyle, The Culture Code: The Secrets of Highly Successful Groups, https://www.amazon.com/Culture-Code-Secrets-Highly-Successful-ebook/dp/B019CGXU68/ref=tmm_kin_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
Und wie komme ich jetzt an eine Teamentwicklung?
Wenn Sie oder Menschen aus Ihrem Unternehmen/Bereich/Team Interesse haben: Gerne bei mir melden. Und wir reden über die Details!
Mein Interview mit Kim Cameron in Personalwirtschaft 11/2017
Sie stehen für das Konzept der positiven Leadership. Was heißt das genau, muss ich als Führungskraft denn immer lächeln, nett sein, die rosarote Brille aufhaben?
Das ist eine gute Frage! Und das ist genau der Einwand, den ich immer als erstes höre, wenn ich Menschen von der positiven Leadership erzähle.
Und was ist Ihre Antwort drauf?
Ein klares Nein! Erstens: Wenn ich also in eine Firma gehe und der Chef sagt mir: „Ich habe wichtigeres zu tun, als mich um Dankbarkeit, positive Energienetzwerke und diese ganzen anderen Dinge zu kümmern, die mit positive Leadership zu tun haben“, dann kann ich entgegnen: „Wenn Sie mit einigen Verhaltensweisen positive Leadership einführen und verbreitern, dann wird sich der Umsatz in Ihrem Unternehmen, die Produktivität, die Rentabilität, die Qualität ihrer Produkte, die Kundenzufriedenheit und vieles mehr verbessern.“ Wir haben, zweitens, ziemlich viele, ziemlich harte Zahlen zu etwas, dass ich Positivitätsverhältnis nennen würde.
Was ist damit gemeint?
Ich selber war an Studien beteiligt, die Führungskräfteteams untersucht haben und dabei zu dem Ergebnis kamen, dass fünf positive Äußerungen pro kritische oder negative Äußerung, also fünfmal so viel Unterstützung, Wertschätzung, Lob etc. wie Kritik, Benennung von Fehlern, Korrektur und so weiter die verschiedensten Erfolgsparameter eines solchen Teams optimal beeinflussen. Wenn Sie bei Ehepaaren die Positivitätsrate bei Gesprächen über für das Paar kritische Themen untersuchenm, können Sie anhand dieser Rate zu 95 Prozent vorhersagen, ob es fünf Jahre später noch zusammen ist oder nicht. Die optimale Positivitätsrate liegt auch hier bei fünf zu eins.
Kritik darf und muss also sein!
Ja, diese Rate ist nicht fünf zu null oder zwanzig zu null, sondern fünf zu eins. Sie müssen also Dinge benennen können, die nicht gut laufen. Kritik üben. Es geht nur um das Wie. Es gibt dieses alte arabische Sprichwort: Zu viel Sonne schafft Wüste. Und so ist das in allen sozialen Zusammenhängen: Zu viel Sonne, zu viel Lob trocknet die Dinge aus. Pflanzen, die permanentem Sonnenschein ausgesetzt sind, wachsen langsamer als Pflanzen, die Licht und Schatten erhalten. Menschen, Pflanzen und soziale Institutionen welken gleichermaßen, wenn sie nur Sonne erfahren.
Was heißt das nun genau für Führungskräfte?
Damit meine ich, dass die meisten von uns darauf konditioniert sind, Probleme zu sehen, Gefahren zu wettern, Fehler zu erkennen und zu optimieren. Das soll auch so sein. Wenn ich nach einer Woche Dienstreise oder Urlaub ins Büro zurückkomme, stapeln sich die Fragen und Probleme und ich gehe sie an. Das ist die natürliche Tendenz einer Führungskraft, aber auch einer gesamten Organisation. Wer keine Probleme hat, braucht keinen Manager und keine Führungskraft. Wir haben aber empirisch nachweisen können: Wenn Sie den Fokus auf das Positive legen, und zwar eben nicht ausschließlich sondern überwiegend, wenn Sie also nicht von heute auf morgen das Diskutieren von Problemen verbieten, aber wenn sie eben die Aufmerksamkeit auf positive Praktiken richten, auf das Ausbauen dessen, was gut läuft, was funktioniert –dann verbessert sich die Performance in ihrem Team, ihrer Organisation enorm. Und zwar deutlich mehr als mit herkömmlichen Führungsmethoden. Positive Leadership heißt also definitiv nicht, laufend mit einem Grinsen unterwegs zu sein, über alles hinweg zu sehen.
Kann ich die Gedanken und Methoden der positiven Leadership auch in einem Schnellrestaurant oder am Montageband einführen, oder ist das nur ein Konzept für gut ausgebildete, hochqualifizierte Berufe?
Ja, diese Methoden funktionieren bei jedem! Wir haben zum Beispiel Fernfahrer untersucht, die meisten von ihnen ohne Highschool-Abschluss, und haben dort einen dramatische Verbesserung verschiedenster Parameter messen können, wenn ihre Vorgesetzten Praktiken der positiven Leadership einsetzen. Der Grund dafür: der heliotropische Effekt.
Was ist damit gemeint?
Der Begriff kommt aus dem griechischen, von Helios, Licht. Er bedeutet, dass sich jeder biologische und soziale Organismus hin zum Licht und weg von der Dunkelheit, vom Schatten bewegt. Wenn Sie eine Pflanze ans Fenster stellen, wird sie bald sich nach dem Licht wenden. Die Sonne ist in der Natur die lebensspendende Kraft, und jeder Organismus hat die Tendenz, sich nach ihr auszurichten. Das bedeutet, dass jedes System danach strebt, seine Ressourcen zu mehren und wegstrebt von dem, was Leben beendet, verkürzt, beeinträchtigt. Das macht auch aus evolutionärer Sicht Sinn.
Und auf Menschen, Teams, Organisationen übertragen heißt das …
Eben genau, dass sowohl Individuen als auch Gruppen und Organisationen stets bei der Zufuhr von positiver Energie blühen und wachsen – und bei negativem Einfluss schrumpfen, zurückgehen, leiden. Und das macht keinen Unterschied, ob sie Grundschüler sind oder Doktorand, ob sie am Fließband stehen oder CEO eines multinationalen Konzerns sind – jeder Mensch hat die Tendenz zur positiven Energie.
Können Sie da ein Beispiel nennen?
Besonders viele Studien erscheinen derzeit dazu, wie Schulkinder aufblühen, wenn sie positiver Leadership ausgesetzt sind. Eine herausragende Doktorarbeit hat vor wenigen Jahren Schüler aus drei verschiedenen Ländern untersucht: In Bhutan, in Mexiko und in Peru wurden ingesamt rund 800.000 Schüler einem Curriculum an positiven Praktiken und Methoden ausgesetzt, parrallel dazu wurde eine Kontrollgruppe untersucht. Nach 18 Monaten wurden unter anderem festgestellt, dass das Wohlbefinden der untersuchten Personen in verschiedenen Dimensionen viel besser war. Aber auch die akademische Leistung, gemessen an standardisierten Testverfahren, war signifikant höher. Der heliotropische Effekt lässt Menschen in einer positiven, wertschätzenden Atmosphäre aufblühen.
Wenn ich nun als Führungskraft in einem Team oder Unternehmen positive Leadership einführen will, was wären zwei oder drei Techniken, um damit zu beginnen?
Wie Sie sich denken können, gibt es eine ganze Schatzkiste an möglichen Methoden. Lassen Sie mich zwei oder drei herausgreifen, die besonders praktisch und einfach umzusetzen. Eins vorweg: Jedes dieser Tools hat ein gewisses „Ja, aber“. Nicht alles funktioniert überall gleich. Mit praktisch allem kann man es auch übertreiben. So viel als Warnhinweis …
O. k., verstanden! Wir bleiben gespannt!
Eine Methode hat zu tun mit dem Thema Dankbarkeit. In einigen Firmen, und ich kenne das aus Konzernen mit 25.000 und mehr Mitarbeitern, hat jeder Mitarbeiter für sich ein tägliches Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, also jeder muss drei Dinge aufschreiben, die besonders gut, zufriedenstellend gelaufen sind. Damit erzielen Sie schon dramatische Effekte.
Klingt nicht soooo kompliziert!
Ist es auch nicht. Das nächste: Finden Sie Mittel und Wege, mittels derer sich ihre Belegschaft engagieren kann, etwas Nützliches für die Gemeinschaft tun kann. Die meisten Organisationen belohnen Mitarbeiter, die besonderes geleistet haben, indem sie ihnen ein Bonus auszahlen, ihren Namen in die Zeitung setzen oder sonst etwas. Effektiver ist es, jemandem, der außerordentliches geleistet hat, die Möglichkeit zu verschaffen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Was heißt denn das zum Beispiel?
Sie sind mein Mitarbeiter, und Sie haben großartiges geleistet. Dann wäre meine Form der Anerkennung, Ihnen mitzuteilen: „Christian, Sie haben so großartiges für die Firma geleistet, sie dürfen Mentor werden für Claudia, damit die von Ihnen lernt und genauso Großartiges leisten kann.“ Oder, so wird das hier bei uns an der Universität gemacht: Wenn jemand etwas besonderes vollbracht hat, bekommt er zwei Belohnungen – eine für sich selbst und eine, die er an jemand anderen weitergeben darf. Jeder wird damit zum Schenkenden und nicht nur zum Beschenkten. Ein kleines, aber sehr wirksames Tool der positiven Leadership. Eines hätte ich noch und zwar geht es da um Führungskräfte, die besonders viel positive Energie schaffen.
Was ist damit gemeint?
In der gesamten Literatur über Leadership wird Führung mit Einfluss gleichgesetzt. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass eine Führungskraft besonders viel Wissen, besonders viel Kommunikation, besonders viel Austausch in sich vereint.
Klingt logisch, eigentlich!?
Ja, ist es auch. Wenn alle Informationen auf Sie zulaufen, können Sie darüber entscheiden, was wem mitgeteilt wird und auf welcher Basis dann welche Entscheidungen getroffen werden. Unsere Untersuchungen zur Führung richten sich aber auf die positive Energie. Wenn also ich als Führungskraft mit ihnen interagiere, Christian, sorge ich durch mein Handeln und Kommunizieren eher dafür, dass Sie aufblühen, sich wertgeschätzt fühlen, positive Gefühle und Sinn empfinden – oder trage ich durch Druck und Zwang dazu bei, dass Sie schlechter Stimmung sind, Druck empfinden und weitergeben etc.? Und wenn ich als „positiver Energetisierer“ auf Sie wirke, dann nährt sich Ihre Kraft und Leistungsfähigkeit und die Ihrer Mitarbeiter! Und wer so ein „positiver Energetisierer“ ist, wie wir das nennen, hat vier Mal so großen Einfluss auf die Leistung seines Teams, als wenn wir die Führung nach den traditionellen Kriterien Wissen und Einfluss messen würden. Positive Energie ist also viel wichtiger als Einfluss und Kommunikation!
Was heißt das konkret für mich als Führungskraft?
Die meisten von uns, die in Unternehmen oder Organisationen führen, beschäftigen sich viel zu sehr mit dem Einfluss und der Kommunikation und viel zu wenig mit der positiven Beziehungsenergie, die sie aussenden könnten. Eine brachliegende Ressource, auf die bislang fast niemand achtet. Und positive Energie vermehren, das kann auch die Person, die die Hauspost austrägt, völlig unabhängig von Rang und Einfluss – den Zugang zu Einfluss und Information haben aber eben nur die Menschen, die oben in der Hierarchie stehen. Es geht nämlich um Verhaltensweisen und nicht einfach um per Organigramm zugewiesene Befugnisse.
Sie schreiben auch von der „Heilung von Organisationen“. Was ist damit gemeint?
Ich will eigentlich seit langer Zeit ein eigenes Buch dazu schreiben, aber komme nie dazu … Ich meine damit Folgendes: Wenn Organisationen irgendeine Form von Trauma erleben, also etwa als ganze Büroteams durch die 9/11-Anschläge ausgelöscht wurden, oder auch einfach, wenn ein Team zum ersten Mal rote Zahlen macht, dann interessiert sich der Großteil der gegenwärtigen Forschung und Literatur für Themen wie Resilienz, also dafür, wie ich irgendwie über die Runden komme.
Und organisationale Heilung bedeutet dann genau was?
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich irgendwo geschnitten. Ihr Körper hat jetzt eine Wunde, und vom Herz-Kreislauf-System über die weißen Blutkörperchen wird jetzt im Körper alles Mögliche, getan, um möglichst schnell den Heilungsprozess einzuleiten. Dann wird eine Art Schutz organisiert – bei einer Wunde ist das der Schorf, der vor neuer Verletzung schützen soll. Und dann irgendwann stellen Sie fest, dass der gebrochene Knochen nach dem Bruch viel fester und solider geworden ist als jemals zuvor.
Und dieses physiologische Modell der Heilung lässt sich auf Organisationen übertragen?
Ja genau. Ich kann einen sozialen Organismus, ein Team, ein Unternehmen, eine Organisation, aus einer Schädigung heraus verbessern, auf ein neues, besseres Niveau bringen als zuvor. Und darum geht es.
Was kann und soll das Personalwesen tun, um positive Leadership zu fördern?
Ich habe da leider keinen Fünf-Punkte-Plan. Aber per Definition geht es bei Human Ressources ja darum, Talente zu entwickeln, Menschen zum Aufblühen zu bringen, Mitarbeitern schlicht dabei zu helfen, besser zu werden. Leider geht es in vielen Personalabteilungen nur darum, blind Lob zu verteilen, für die Überwachung von Regeln zu sorgen oder um die Organisation von Trainings, um diese oder jenes zu verbessern. Wenn es sich aber eine Personalabteilung wirklich zu Herzen nimmt, dafür zu sorgen, dass es den Beschäftigten nächstes Jahr besser geht als dieses Jahr, dass sie leistungsfähiger sind als dieses Jahr, dann verändert das ein Stück weit die Aufgabenbeschreibung von Personalwesen. Eine andere Aufgabe von Personalabteilungen ist es aus meiner Sicht, das Top Management im Streben nach Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu unterstützen.
Wie geht das?
Nun, es ist ja so leicht für die Führungsspitze eines Unternehmens, sich in den Anforderungen der Aktionäre, den Herausforderungen durch Wettbewerber usw. komplett zu verlieren. Eine wirklich starke Personalabteilung im Sinne positiver Leadership fordert und fördert den CEO dabei, die Talententwicklung in den Blick zu nehmen. Ich kenne HR-Manager, die buchstäblich den Kalender des CEO zu überwachen haben, damit er genügend Zeit für die Mehrung des Humankapital aufbringt.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ich denke da zum Beispiel an Philips. Da hatte die Personalabteilung am Ende des Jahres oder vielleicht sogar halb- oder vierteljährlich, das weiß ich nicht mehr genau, jene Zeit zu veröffentlichen, die der CEO mit der Förderung des Humankapital und des Wohlbefindens der Belegschaft verbracht hat. In eine ähnliche Richtung gehen die Bemühungen bei der amerikanischen Krankenversicherung Humana. Und John Kim von New York Life ist auch so einer, der immer wieder versucht, sich gegen kurzfristigen Shareholder Value-Druck zur Wehr zu setzen und seine Arbeit auf das Wohl der Mitarbeiter fokussiert.
Was passiert gerade wissenschaftlich auf dem Feld der positiven Leadership, was treibt Sie da um?
Ein Feld, auf dem sich wirklich viel tut derzeit, sind die Neurowissenschaften. Wir wissen zum Beispiel aus neuen Studien, dass wir anhand des positiven Gehalts von Twitternachrichten, die eine Person aussendet, die Wahrscheinlichkeit einer Herzerkrankung vorhersagen können. Außerdem habe ich gelernt, dass ich durch bestimmte positive Praktiken die Zellen in meinem Gehirn, die Tolemere, verlängern kann. Das sind natürlich Grenzbereiche, die über die klassische positive Leadership hinausgehen. Aber was bedeutet das jetzt für meine Organisation, für mein Unternehmen? Das sind die Fragen, mit denen ich mich auseinandersetze. Und in diesem Bereich erscheinen praktisch jede Woche neue Studien, die mehr und mehr harte Zahlen, Daten, Fakten als Belege dafür liefern, dass es sich lohnt, Praktiken der positiven Leadership einzuführen.
Was die Forschung zur positiven Leadership angeht – wo wird und wo sollte da in den nächsten Jahren der Fokus liegen?
Positive Praktiken erhöhen die Produktivität, die Leistung von Teams nach vielen Parametern. Dafür haben wir in den letzten 15 Jahren viele empirische Daten gesammelt. Aber wir brauchen noch mehr Forschung dazu, unter welchen Umständen, in welchen Settings, mit welchen Nuancen welche Tools wirklich welchen Einfluss in welchen Bereichen haben. Wo ist etwas zu viel, wo ist etwas zu wenig, was funktioniert gut, was funktioniert nur selten – zu vielen dieser Komplexitäten brauchen wir weitere wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt immer noch zu wenige Menschen, die in diesen Bereichen forschen. Das ist ein Punkt. Das nächste ist die organisationale Kultur.
Was meinen Sie damit?
Damit meine ich die unhinterfragten und manchmal auch unhinterfragbaren, die impliziten Gesetzmäßigkeiten und Selbstverständlichkeiten, die in einer Firma oder einer anderen Organisation von allen vorausgesetzt werden. Ich bin heute früh zum Beispiel nicht aufgewacht und habe mir bewusst vorgenommen, jetzt englisch zu sprechen – das ging ganz automatisch. Für Sie mag das anders gewesen sein. Aber keiner von uns beiden, da bin ich mir sicher, hat sich bewusst vorgenommen, heute mal Schuhe anzuziehen. Das machen wir einfach, ohne drüber nachzudenken. Und so ist das mit Unternehmenskulturen auch: Die Menschen in einem Unternehmen folgen gewissen Regeln, befolgen Gesetze, ohne sich derer bewusst zu sein.
Und was hat das mit positiver Leadership zu tun?
Durch die Praktiken der positiven Leadership können wir Unternehmenskulturen schaffen, in denen Integrität, Freundlichkeit, Optimismus, Dankbarkeit etc. eine prominente Rolle spielen. Und wenn wir das hinbekommen, ist eine Organisation viel, viel effektiver und leistungsfähiger. Und das interessiert mich als Wissenschaftler: Wie können wir positive Leadership in den Unternehmenskulturen als Selbstverständlichkeit verankern? Ich war daran in einigen Unternehmen beteiligt, aber dazu braucht es noch mehr empirische Forschung.
Es ist ja viel von den besonderen Ansprüchen der Millenials an Führung die Rede. Schafft das eine zusätzliche Notwendigkeit von Praktiken positiver Leadership?
Einen echten Unterschied mit dem machen, was man tut, ein höherer Anspruch an die Sinnhaftigkeit – das stimmt schon, das sind Dinge, die mit den Millenials oft verknüpft werden. Ironischerweise hat ein Doktorand bei uns gerade eine Überblicksstudie zu den vermeintlichen Ansprüchen der Millenials im Vergleich zu anderen Generationen gemacht und dabei herausgefunden: So groß wie häufig behauptet sind sie nicht, abgesehen von einer Abneigung gegenüber allzu große Planungshorizonte und einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien. Aber was den früheren Generationen wichtig war, ihre Werte, ihre Lebenspläne, ist gar nicht so groß anders als die Wertvorstellungen der Millenials. Der Schluss, den ich daraus ziehe: Positive Leadership ist sehr wichtig für diese Generation – genauso wie für die vorherigen Generationen, die Baby Boomers, die Generation X, die Generation Y etc. Denn der heliotropische Effekt, das Streben nach dem Guten, dem Positiven – der ist allen Generationen gemein.
Wie kann ich als Führungskraft dazu beitragen, dass in meiner Organisation, meiner Abteilung, meinem Team besser gearbeitet wird, und zwar besser im Sinne von: erfolgreicher, gesünder, mit mehr Spaß, sinnerfüllter? Der aus meiner Sicht beste Ansatz dazu ist das so genannte PERMA-Modell auf der Basis von Martin Seligman, an vielen Stellen konkretisiert von Dr. Markus Ebner.
Das PERMA-Modell definiert Wohlergehen als ein Zusammenspiel aus fünf Dimensionen: positive emotions, engagement, relationships, meaning, accomplishments. Mit folgendem Fragebogen können Sie a) mal mit sich selbst ins Gespräch darüber kommen, wie stark ausgeprägt Sie welche PERMA-Dimension leben und b), auf welchen Feldern Sie als Führungskraft noch Luft nach oben haben, sprich: mehr tun könnten für das Arbeitsklima in Ihrem Verantwortungsbereich: Perma im Job
Und was heißt das jetzt konkret? Hier ein paar Tipps:
POSITIVE EMOTIONEN:
- bewusst schöne/Genussmomente in den Arbeitsalltag einbauen
- Arbeitsumfeld auf Stressoren untersuchen, die vermindert/eingegrenzt werden können
ENGAGEMENT (AUFGEHEN IN DER ARBEIT, FLOW):
- für meine und die Arbeit anderer möglichst konkrete, anspruchsvolle, aber machbare Ziele formulieren
- überprüfen: Habe ich, haben meine Mitarbeiter die Kompetenzen und Mittel, um ihre Arbeiten zu erledigen? Ggfs. Schulungen/Anschaffungen nötig?
- Mitarbeiter gezielt nach Stärken/Kompetenzen/Leidenschaften einsetzen
- Inseln konzentrierten Arbeitens schaffen, für mich und andere
RELATIONSHIPS (VERBINDUNGEN):
- bewusst Aufgaben zu mehreren erledigen/an mehrere vergeben, die auch einer alleine erledigen könnte
- Aktivitäten außerhalb des eigentlichen Arbeitskontextes fördern/mitmachen
MEANING (SINN):
- bei Delegation von Aufgaben das Was und Wozu erklären
- die Sinnhaftigkeit/Notwendigkeit von vermeintlich langweiligen/Routinearbeiten vermitteln
ACCOMPLISHMENTS (SELBSTWIRKSAMKEIT/ERFOLG):
- bewusst Mikromanagement vermeiden, Ziele vorgeben und Wege dorthin Mitarbeitern selbst überlassen
- Aktiv Rückmeldung einholen, intern wie extern
- Erfolgsmeldungen weitergeben
- bei größeren Projekten mit diffuser Erfolgsmessbarkeit Meilensteine abstecken und markieren
- Erledigtes bewusster wahrnehmen (Aufgabenlisten etc.)
Ergänzungen, Kritik, Anregungen? Ich freue mich auf Vorschläge!
Hier der Link zu meinem Text, der jüngst in "Impresso" erschienen ist. Dürfen auch Nicht-Verlags-oder-Redaktions-Menschen lesen!!! Enjoy!
Alle haben immer gute Gefühle in der Arbeit, alles ist soft und süß und schön und am besten noch rosa und mit Glitzer. Es gibt keinen Streit, es gibt keine Schwierigkeiten, es gibt keine Probleme, es gibt keine Fehler. Und ich, als Chefin oder Chef, bin vor allem eins, und zwar zu allen und allezeit: lieb und nett.
Ist das das, was ich unter positiver Führung verstehe?
Auf! Ü! Ber! Haupt! Gar! Kei! Nen! Fall!
Wie schreibt Kim Cameron (in "Practicing positive leadership")?
[Positive Leadership practices] are intended to help leaders address common challenges and difficult obstacles that characterize all organizational settings. Positive leadership practices are anything but superficial and permissive. They require effort and tenacity if positively deviant results are to be produced.
Mit positiver Führung kann ich zwar mich selbst, andere und Organisationen auf erfolgreichere, gesündere und spaßigere Art und Weise führen. Dazu muss ich aber auch Fehler ansprechen, Ziele setzen, Entscheidungen treffen, mir und anderen Mühe machen und ein paar weitere dieser ganzen Chefsachen tun.
Aber wie geht das dann, mit dem positiven Führen?
Unter anderem durch die Vermittlung von Sinn, durch konstruktives Kommunizieren, durch wertschätzende Erkundung. Doch zu diesen und einigen anderen Methoden komme ich in den nächsten Wochen.
Der israelische Psychologe Haim Omer will mit seinem Konzept der "Neuen Autorität" Eltern, Erzieher, Lehrer im Umgang mit schwierigen Kindern stärken. Ich habe ihn für Nido interviewt, hier geht es zum Text.
Mein Interview mit Friedrich Glasl in der Psychologie heute, Ausgabe Mai 2017
Friedrich Glasl ist der vielleicht berühmteste Konfliktforscher unserer Zeit. Wir haben ihn besucht und mit ihm gesprochen. Über den Beitrag der Flüchtlinge zu einer anderen Streitkultur, über das richtige Maß zwischen Empfangen und Senden – und warum es manchmal auch wichtig und richtig sein kann, einen Konflikt aufzutauen und anzuheizen
Herr Glasl, Mit wem haben Sie zuletzt gestritten?
Ist lange her. Mit einem Kollegen.
Worum ging’s?
Da ging’s um unterschiedliche Auffassungen über das Corporate Design. Er ist Kollege derselben Beratungsfirma, die ich mit gegründet habe. Es ging darum, wie das Erscheinungsbild bei Seminarunterlagen und allem möglichen anderen aussieht: Ich fand, es wird zu viel reguliert, und habe dem Kollegen mehr oder weniger vorgeworfen, zu regelwütig zu sein. Das hat dann ein bisschen die Stimmung aufgeheizt.
Wer hat gewonnen?
Keiner von beiden. Wir haben eine Lösung gefunden, die dazwischen lag. Und letztlich besser war, als es die zwei ursprünglichen gewesen sind.
Aber war das wirklich „gestritten“?
Naja, schon, wir hatten sachliche Differenzen, aber da kamen schon einige Emotionen mit rein.
Also erfüllt die Auseinandersetzung die Kriterien, die Sie ansetzen, um einen Konflikt zu definieren?
Beinahe. Ich bin ja allgemein gegen den inflationären Gebrauch der Worte„Konflikt“ oder „Streit“. Sobald es innerhalb der Regierungskoalition zwei verschiedene Ausgangspunkte oder Ideen in Bezug auf Bildungspolitik oder Flüchtlinge oder dies und das gibt, schreiben die Medien sofort vom „Streit“. Aber es ist doch wichtig, gerade am Beginn einer Auseinandersetzung, unterschiedliche Positionen zu vertreten und dann abzuwägen und zu schauen: Wer sieht was, was ich nicht sehe? Deshalb ist für mich die Tatsache, dass wir unterschiedliche Ziele, Werte, Vorstellungen, Wahrnehmungen von einer Sache haben, noch lange kein Konflikt.
Sondern?
Erst wenn es uns nicht gelingt, mit den Differenzen konstruktiv umzugehen, kann daraus ein Konflikt entstehen.
Was heißt konstruktiv umgehen?
Konstruktiv im Sinne von „konfliktfähig“ heißt für mich: Ich kann meine Standpunkte klar artikulieren und vorbringen, ich bin aber genauso offen für die Anliegen der Gegenseite. Konfliktfähige Menschen gehen einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg, denn sie erleben Unterschiede als bereichernd und erleben das Nachgeben in einer Angelegenheit nicht als Verlust ihres Selbstwertes.
Sie sprechen von der „inflationären Verwendung des Konfliktbegriffes“. Woher kommt aus Ihrer Sicht dieser achtlose Umgang mit dem Begriff?
Erstens definieren in der fachlichen Literatur 80 von 100 Büchern den Konflikt als das Vorhandensein unterschiedlicher bis gegensätzlicher Ideen, Interessen, Werte, Ziele und so weiter. Dem widerspreche ich, weil eine so weite Definition des Konflikts ihn völlig sinnlos und sinnentleert macht. Denn dann bin ich ja immer mit dem Rest der Welt in Streit!
Um es genauer zu verstehen: Wo endet das, was Sie natürliche oder vielleicht sogar notwendige produktive Differenzen nennen – und wo genau beginnt der Konflikt?
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass Menschen eine Haltung haben und dazu auch stehen. Dass sie ihre Sicht der Dinge, ihre Ziele, ihre Werte und so weiter als Anwalt ihrer selbst vertreten können. Viele Menschen sind ja viel besser Anwalt für andere, für sie selber fällt ihnen das schwer. Es gab in den 1970er-Jahren ein psychologisches Konzept, das inzwischen aus der Mode gekommen ist, die so genannte „Assertiveness“...
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich nicht kleiner mache als mein Gegenüber, mich nicht selber schwäche um des lieben Friedens willen oder aus Harmoniesucht mich selbst verrate und klein beigebe.
Konnten wir also schon mal besser streiten, als wir das heute tun?
Ich beobachte einerseits eine Zunahme von Gewaltbereitschaft, vor allem auf der weltpolitischen, auf der Makro-Ebene. Aber gleichzeitig entwickelt sich, vor allem auf der Mikro-Ebene, also zwischen Individuen, unter Partnern etc., auch das andere, die gewaltfreie Kommunikation, die Mediation, der ganz andere Umgang mit Differenzen im Sinne eines Win-Win. Das ist ja das hohe Ideal, weg vom: ‚Ich gewinne auf deine Kosten oder du gewinnst auf meine Kosten’ – sondern ‚Wir finden eine Lösung, die für uns beide ein Plus ist, und vielleicht auch noch für Dritte.’ Da, finde ich, zeichnet sich eine Änderung der Konfliktkultur in eine gute Richtung ab.
Wenn wir uns die Anlässe für Konflikte auf der Mikro-Ebene anschauen: Wird heute über andere Dinge als früher gestritten, oder drehen sich Auseinandersetzungen eigentlich seit jeher um dieselben Themen?
Eigentlich liegen den Konflikten über lange Zeiträume hinweg ziemlich dieselben Dinge zugrunde, nämlich die verschiedenen Bedürfnisebenen, die in den letzten 30 Jahre sehr gut herausgearbeitet worden sind.
Das heißt?
Wenn ich meine oder es tatsächlich erlebe, dass zum Beispiel physiologische Vitalitätsbedürfnisse wie Essen, Trinken, Atmen, Schlafen, Wachen und so weiter gefährdet sind – dann ist das die erste Bedürfnisebene. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis, sowohl physisch wie auch psychisch. Drittens, die psychosozialen Bedürfnisse wie Kontakt, Anerkennung, Wertschätzung und so weiter. Und viertens die eigentlichen geistigen, die Ich-Bedürfnisse: Ich will nach eigener Auffassung mein Leben gestalten, meine Religion wählen, mein Schulsystem, will mich entfalten, will Selbstwirksamkeit und Autonomie erleben. Diese vier Kategorien von Bedürfnissen liegen, wenn sie als frustriert erlebt werden, der ganzen Emotionalität zugrunde, die immer bei Konflikten auftritt. Daran hat sich eigentlich nichts geändert, das liegt nach wie vor allen Konflikten zugrunde. Allerdings sind wir bei der Frage“Wie weit respektiere oder toleriere ich den anderen bei den Ich-Bedürfnissen“ intoleranter geworden.
Herr Professor Glasl, Sie beraten, unterrichten, publizieren überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen. Gibt es eine speziell deutsche Art der Auseinandersetzung?
Ja, zumindest ansatzweise. Auf der Makro-Ebene der großen Politik betrachtet, schätze ich es sehr, wie Ihr jetziger Außenminister und künftiger Bundespräsident sowie die Bundeskanzlerin in vielen Situationen, die sehr aufgeladen sind, immer wieder auf Besonnenheit hinweisen und hinarbeiten. Ich finde, das hat hohe Qualität, verglichen mit anderen europäischen Politikern auf der Ebene Regierungsspitze und Außenminister. Und auf der Meso-Ebene...
...also in Organisationen...
Genau, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in NGOs, da spielt in Deutschland das Rechtsstaatlichkeitsdenken eine sehr große Rolle – und zwar vor allem im positiven Sinne. Die regulierende und schützende und ordnende Funktion von Recht sehr betont. Das kann aber auch mal in Rechthaberei umschlagen. Und wenn die Sache rechtlich geregelt ist, dann ist in Deutschland für Viele der Friede gewährt. Aber das stimmt eben nicht, da gibt es immer noch darunter liegende, angeschlagene Beziehungsebenen. Generell bemerkt gibt es schon eine Nord-Süd-Polarität zwischen den Kulturen.
Was meinen Sie damit?
Glasl:Ich unterscheide ja zwischen zwei verschiedenen Formen Konflikte auszutragen, nämlich heiß oder kalt.Und das Merkwürdige ist, wenn ich an meine Arbeit in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland denke, dann werden da Konflikte viel mehr indirekt oder über den Vorwand von Sachproblemen ausgetragen.
Also unterkühlt?
Unterkühlt, ja.
Das heißt, Ihre Arbeit besteht dann darin, Konflikte aufzutauen?
Genau! Wie komme ich da hin, wo etwas eingefroren ist? Denn die Konflikte sind ja da, und die negative Energie ist ja da und wirkt zerstörerisch. Es lässt sich heute übrigens nachweisen, dass kalt ausgetragene Konflikte größere Schadwirkungen haben als heiß ausgetragene. Da werde ich mal emotional und erruptiv, sage ich dem anderen meinen Ärger ins Gesicht, werde auch verletzend in der Wortwahl – aber nach dem reinigenden Gewitter ist es wieder besser. Der kalte Konflikt hingegen, der hat enorme Gesundheitskonsequenzen. Das führt häufig zu einer hoch signifikanten Somatisierung.
Wie erkenne ich einen kalten Konflikt?
Es gibt typische Symptome dieser kalten Konflikte, zum Beispiel den Sprachgebrauch: Ein auffälliger Sarkasmus, Zynismus, Selbstironie, nichts wird mehr ernst genommen, sich selber nimmt man auch nicht ernst. Oder eine hohe Fluktuationsrate, ein hoher Krankenstand. Oder das dauerhafte Betonen, „Ich hab nichts gegen Sie persönlich, aber da ist dieser Vorstandsbeschluss, jene Gesetzeslage, dieser Sachzwang und so weiter“.
Wer eine eher kalte Form der Austragung von Konflikten pflegt, was kann der tun, um aus dieser ungesunden Konfliktform herauszukommen?
Es gibt da schon ein paar Dinge, die man tun kann. Erstmal ist es gut, sich einzugestehen: „Ich habe da eine Scheu, eine Zurückhaltung in mir, Farbe zu bekennen.“ Dann würde ich empfehlen, dass so eine Person sich entweder selber oder unterstützt durch Ehepartnerin oder Freund oder wem auch immer, mal diese Fragen stellt: Was würde Schlimmes passieren, wenn ich mal mich nicht einbremse, wenn ich mal assertiv bin und offen und klar Dinge artikuliere, die mir nicht behagen oder die ich vertrete? Es ist ganz gut, sich diese Fantasien unzensiert aufzulisten. Denn es sind in der Regel diese Fantasien, die die Menschen dazu bringen, den Mund zu halten – und wer zu viel schluckt, bekommt möglicherweise irgendwann ein Magengeschwür.
Und dann, wenn ich mir die Gründe meiner Zurückhaltung vergegenwärtigt habe?
Dann sollten Sie sich fragen: Was könnte Schreckliches passieren, wie könnte mich die Umgebung, das Team oder die Chefin, der Chef, abstrafen oder sanktionieren, wenn ich meine Differenz artikuliere? Würde das zu Strafen führen, Konsequenzen haben für meine Karriere etc.? Und wie oft hast du das schon tatsächlich erlebt, oder ist das mehr deine Vorstellung? In der Regel wird so etwas ganz selten erlebt, das ist vielmehr vorauseilender Selbstschutz. Dann wäre die Frage: Welches Gewicht hat für mich diese Strafe oder diese Sanktion? Würde mich das tatsächlich in meiner Existenz, in meiner Karriere, in meiner professionellen Glaubwürdigkeit wesentlich schädigen? Ich versuche dabei Zweifel zu säen, so dass den Menschen bewusst wird: „Die Angst vor der Schlacht ist größer als die Angst in der Schlacht.“ Hat schon Aristoteles gesagt.
Was wäre der nächste Schritt?
Ich empfehle gerne: Übe assertives Verhalten und hol dir von Vertrauenspersonen Rückmeldungen zu Situationen, in denen du dich wirklich artikuliert hast. Und frage: War das jetzt wirklich beleidigend, verletzend, kränkend?
Was kommt dabei dann raus?
Ich darf schon jetzt die Prognose abgeben, dass in den seltensten Fällen die Menschen sagen, „da warst du wirklich grob verletzend“. Die Rückmeldung wird eher sein: „Na Gott sei Dank, endlich bekennt sie oder er mal Farbe!“
Und wenn jemand eher dazu neigt, in Auseinandersetzungen hochzuschießen, Öl ins Feuer zu gießen?
Für die, die uneingeschränkt zur heißesten Konfliktaustragung neigen, gilt im Prinzip das Gleiche. Auch da würde ich nachfragen, wie ist deine Selbstwahrnehmung? Und da, wo Du Dir denkst, du seiest nur ein wenig assertiv gewesen oder ein bisschen Cholerik werde man ja wohl noch ausleben dürfen, da gehen solche Menschen in der Wahrnehmung anderer über Leichen und hinterlassen wirklich einen Trümmerhaufen. Es geht also immer um Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und dem Überprüfen dieser Wahrnehmung durch andere. Und wenn Du Dir klarer bist über deine Vorstellungen von Dir selbst, kannst du sie auch ändern. In meinem Buch Selbsthilfe in Konflikten habe ich viele solcher Übungen näher dargestellt.
Besonders bekannt aus Ihrem Gedankengut ist die Skala der Konflikteskalation, von Stufe eins: Wir sind in der Lage unsere Differenzen konstruktiv und produktiv auszutragen, bis hin zu Stufe neun, wir gehen lustvoll in die gegenseitige Vernichtung mit Inkaufnahme der Selbstvernichtung... Bis zu welchem Punkt auf dieser Skala sind Konflikte Ihrer Erfahrung nach überhaupt noch rettbar, abbiegbar, zivilisierbar?
Eigentlich bis zur Stufe 8. Aber mit jeweils anderen Mitteln. Und das heißt zum Beispiel, wenn es, im Kleinen wie im Großen, bereits zur Gewaltanwendung gekommen ist, dann braucht es manchmal auch einfach eine Machtintervention, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Auf den Stufen 2 oder 3 geht es vor allem um Mediation, um Perspektivenwechsel.
Auf der privaten Ebene, bei einer Auseinandersetzung mit meiner Partnerin oder meinem Kollegen: Ab welcher Stufe sind da Wunden entstanden, die erstmal viel Zeit brauchen oder nie verheilen?
Also, da gehe ich sehr weit. Ich bin jetzt 50 Jahre in dem Geschäft der Konfliktbegleitung und bekomme eigentlich nur noch Anfragen zu Konfliktberatungen, wo die Auseinandersetzung wenigstens schon auf Stufe 6 steht. Man holt mich nicht, wenn der Konflikt auf Stufe 3 oder 4 steht. Da gibt es viele, viele andere Mediatoren, die da gute Arbeit machen. Irgendwie habe ich doch den Ruf für die kniffligeren Fälle, von denen die Menschen sagen: „Da ist nichts mehr zu retten.“ Aber wenn die verschiedenen Beteiligten dann den Mut haben, sich einer Aufarbeitung zu stellen, dann mache ich die Erfahrung – und das ist die tiefste Befriedigung in diesem manchmal schwierigen, anstrengenden Job –, dass die einen fantastischen Schritt in der Entwicklung vorwärts machen können. Häufig liegt ja auch eine Projektion vor, also: „Ich werde mit dem Schlampigen in mir nicht fertig, deswegen ärgere ich mich ungemein über die Schlampereien unseres Kindes oder der Kolleginnen und Kollegen.“ Wenn Sie sich dem stellen und bereit sind, einen Prozess der Selbsterkenntnis zu beschreiten, der auch mal wehtut, dann passieren da sogar Wunder.
Wunder?
Ich konnte es wirklich erleben, dass Menschen, die die ärgsten Feinde waren, einander sagen konnten: „Du, weil du mich so hart immer wieder mit bestimmten Dingen konfrontiert hast, die ich nicht als zu mir gehörig anerkennen wollte und die ich dir deshalb mit einer Retourkutsche immer zurückgegeben habe, verdanke ich Dir eigentlich – was unglaublich schmerzhaft war und peinlich war und was ich eigentlich immer wieder abgewiesen habe – einen ganz anderen Grad der Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis!“
Whow! In diesen Worten?
Naja, zumindest in diesem Sinne. Die Worte mögen unterschiedlich sein...
Herr Professor Glasl, eine letzte Frage noch. Mit wem haben Sie sich zuletzt gesund, produktiv, schön versöhnt?
Eigentlich mit einer Kollegin und einem Kollegen. Es war da zwischen uns seit einiger Zeit recht angespannt, es gab unangenehmste Konfrontationen, per Mails und per Telefon, und die Versöhnung war zunächst nicht anders möglich als durch ein stundenlanges Telefongespräch. Schlussendlich ist es für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation gekommen.
Das heißt, die Versöhnung ist gelungen.
Ja. Und ich denke auch nachhaltig. Das ist das schönste.
TEXTENDE
Professor Dr. hc Krach
Warum streitet sich wer wie worüber – und wie kann wieder Einigung gefunden werden? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Glasl seit Jahrzehnten. Glasl, 1941 in Wien geboren, zunächst zum Schriftsetzer ausgebildet und dann, nach dem Studium der Politikwissenschaften und Psychologie in Konfliktverhütung promoviert, ist heute vielleicht der renommierteste Konfliktforscher, -berater und –trainer unserer Zeit. Er hat Professuren für Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung in Europa, Asien und Afrika inne, war an Friedensprozessen in Armenien, Georgien, Israel-Palästina, Kroatien, Nord-Irland, Sri Lanka und Südafrika beteiligt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter anderem „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ (Stuttgart 2013) sowie „Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte, Übungen, Praktische Methoden“ (Stuttgart, 2015). Die von ihm gegründete Beratungsfirma „Trigon“ bildet Führungskräfte und Mediatoren aus. Außerdem unterhält Glasl noch ein Puppentheater, auf dessen Bühne es nach eigener Auskunft auch viele Auseinandersetzungen gibt...
Ich kann einfach nicht mit ihm/ihr
Sieben Möglichkeiten, wie Sie die Chemie verbessern können
Genau hinschauen:Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren:Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen:Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen:Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...:Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Eine lästige Formalie, durch die Chefin und Mitarbeiter irgendwie durchmüssen: So werden Mitarbeiterjahresgespräche meistens betrachtet, geplant und geführt. Leider! Denn eigentlich könnte das regelmäßige Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ein Highlight für beide sein. Hier finden Sie einige Tipps, wie Sie die Sache mit dem Jahresgespräch einmal anders angehen können:
Kaufen! Lesen!! Umsetzen!!! ;-) http://www.psychologie-heute.de/das-heft/aktuelle-ausgabe/detailansicht/news/konfliktfaehige_menschen_erleben_unterschiede_als_bereichernd/
"Könnten Sie dieses Projekt übernehmen?"
"Ich fänd's super, wenn Sie in dem Termin mit Kunden dabeiwären!"
"Du, nur wenn Du die Präsentation machst, wird sie richtig gut!?"
Wer seinen Job halbwegs ernst nimmt und halbwegs gut macht, kennt das: So viele Wünsche, Angebote, Einladungen, Bitten. Und viel zu viele von uns sagen zu viel zu vielen solcher Dinge den verhängnisvollen Kurzlaut: Ja.
Warum verhängnisvoll? Wer zu viel Ja sagt, hat zu wenig Zeit. Für die wirklich wichtigen Dinge, für die wirklich wichtigen Menschen, für sich selbst. Deshalb hilft es wahrscheinlich auch Ihnen, Ihrer Zufriedenheit, Ihrem Energielevel und ja, auch Ihrer Leistungsfähigkeit im Job, wenn Sie mehr ablehnen, verweigern, absagen.
Bloß wie?
Hier einige Tipps, wie Sie einfacher und klarer Nein sagen können – und damit sich und letztlich auch den anderen das Leben leichter machen:
Na, welche Nein-Strategie funktioniert für Sie am besten? Probieren Sie einmal ein paar aus. Und schreiben Sie mir gerne!
Sie haben es schwer mit Ihrer Chefin, Ihrem Kollegen, Ihrer Nachbarin? Hier ein paar Möglichkeiten, wie Sie vielleicht die Chemie ein Stück verbessern können:
Genau hinschauen: Was ist es konkret, was mir nicht passt?
Relativieren: Wofür könnte die „schwierige“ Situation gut sein? Was finde ich gut an der Person?
An die eigene Nase fassen: Was könnte mein Anteil an der Situation sein? Was habe ich bisher unternommen, um die Lage zu verbessern?
Allgemeinverfassung überprüfen: Wie geht es mir generell gerade – und wie dem anderen? Bin ich, ist sie/er zur Zeit möglicherweise besonders dünnhäutig o.ä.?
Ich sehe was...: Welche Knöpfe in mir drückt der Andere? Hat er etwas, was ich eigentlich gerne hätte, aber mir nicht erlaube? Sind wir uns ähnlich? Erinnert mich der Andere an wen/etwas anderes?
Den Blick wechseln: Wie sieht der Andere die Situation wohl? Wie erlebt er mich?
Lernen: Was kann ich für das nächste Mal aus der Situation lernen?
Sind Sie so richtig stolz auf das, was Sie gut können? Sollten Sie, sagt der US-Psychologe Ryan Niemiec, einer der führenden Experten bei der Erforschung von Stärken. Denn wenn Sie Ihre Stärken gut kennen und nutzen, helfen Sie sich selbst und anderen. Im Büro, in der Erziehung, in der Partnerschaft
Ryan, was sind Stärken?
Ryan Niemiec: Wir können über viele verschiedene Arten von Stärken nachdenken: Wir können Stärken haben im Sinne von Talenten; Stärken, die Fähigkeiten sind; Stärken im Sinne von Interessen oder Leidenschaften im Leben, unsere Ressourcen. Und dann können wir ebenso Charakterstärken haben.
Davon sprechen Sie ja in der Regel! Was genau meinen Sie mit „Charakterstärken“?
Niemiec: Stützen des Charakters sind jene uns innewohnenden Teile unserer Persönlichkeit, die die besten sind. Sie tendieren zum Positiven und helfen uns, unser bestes Selbst richtig zum Ausdruck zu bringen. Sie sind Teil des Kerns unserer Identität. Man kann sich Stärken auch als Kapazitäten vorstellen, in einer gewissen Weise zudenken, in einer gewissen Weise zu fühlen und in einer gewissen Weise zu handeln. Mir geht es nicht um Fähigkeiten, zum Beispiel Aggressionsbewältigung oder die Art, wie wir uns präsentieren oder wie wir mit anderen kommunizieren, all das lässt sich ja entwickeln und trainieren. Diese Art von Stärken ist auch wichtig, aber mir geht es um die Charakterstärken. Sie sind das Herzstück unseres Seins, und sie helfen uns, allen anderen Stärken zum Vorschein kommen zu lassen.
Was macht diese Charakterstärken so wichtig? Wie machen sie mein Leben und das anderer Menschen besser, wenn ich es hinbekomme sie besser zu kennen und häufiger einzusetzen?
Niemiec: Nun, diese Stärken helfen uns auf vielerlei unterschiedlicher Weisen. Die Forschung zeigt, dass sie uns helfen ein erfüllteres Leben zu führen, aufzublühen. Sie helfen uns, belastbarer zu werden, stärkere Beziehungen aufzubauen, mehr Sinn und Zweck im Leben zu sehen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Wenn wir unsere besten Qualitäten kennen und sie mehr in unserer Arbeit und in der Familie und in sämtlichen anderen Beziehungen zu anderen anwenden, dann sind wir noch mehr wir selbst; quasi eine bessere, authentischere Version von unserem Selbst.
Wenn ich mir meiner Stärken mehr bewusst bin, ist das nicht egoistisch oder arrogant?
Niemiec: Durchaus nicht. Das Egoistische oder Narzisstische könnte eher mit dem Gegenteil zu tun haben, also wenn jemandnicht im Einklang ist mit seinem Charakter oder mit dem Kern seiner Charakterstärken. Sokann ich meine Neugier nutzen, um meiner Familie wirkungsvolle Fragen zu stellen um ihnen zu helfen, das Beste aus ihrem Tag herauszuholen, sich selbst auszudrücken. Ich kann meine Stärken hinsichtlich Liebe oder Fairness oder Versöhnlichkeit/Vergebung auf andere Menschen richten.Das hat in dem Sinne sehr viel mit Gemeinschaft zu tun und sehr viel mit Beziehungsaufbau, mit dem Bau stärkerer Gemeinschaften. Aber leider tun sich viele mit ihren eigenen Stärken noch schwer, sehen sie gar nicht oder kaum.
Woher kommt diese Stärkenblindheit?
Niemiec: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Wir hatten vielleicht nie Menschen in unserem Umfeld, die diese Stärken in uns bemerkt haben. Oder wir hatten nie Menschen um uns herum, die tatsächlich die Wichtigkeit von Hoffnung, von Dankbarkeit oder Humor, von Wertschätzung oder Schönheit oder Selbstbeherrschung verstärkt haben. Wir wurden diese Dinge nie gelehrt, wederin der Schule oder noch durch die Eltern.
Aber das ändert sich langsam. Die Instrumente der positiven Psychologie werden immer bekannter, damit wächst ein echtes Stärkungsmittel in unserer Kultur heran. Und ein wichtiges Element dabei sind die Stärken.
Führen Stärken denn immer automatisch zum Guten, Wahren, Richtigen?
Niemiec: Nein, natürlich können wir unsere Charakterstärken für die falschen Zwecke einsetzen. Oder Sie können Ihre Stärken überbeanspruchen, und dann würden Sie möglicherweise als egoistisch erscheinen. Oder dass Sie Ihre Stärken unterbeanspruchen, dass Sie Ihre Demut/Bescheidenheit unterbeanspruchen. Dann erscheinen Sie möglicherweise als egoistisch. Oder wenn Sie Ihren Mut überbeanspruchen und andere ausnutzen für Ihre eigenen Zwecke, dann könnte das ein Überbeanspruchen von Mut sein. Wenn Sie also Ihre Charakterstärken in einer ausgeglichenen Weise ausleben,dann geht es nicht um Egoismus, dann geht es darum, ein stabileres Leben für sich selbst und andere zu gestalten.
Was ist der Unterschied zwischen Über- und Unterbeanspruchung von Stärken und Schwächen?
Niemiec: Nun, alle diese 24 typischen Charakterstärken, zwischen denen wir unterscheiden (siehe Kasten), können quasi auf einem Kontinuum abgebildet werden. Und da wo die Goldene Mitte liegt, oder wo Konfuzius von Mitte und Maß spricht, da findet eine mittlere oder optimale Nutzung von Stärken statt. Und dann wiederum können wir jedwede unserer 24 Stärken über- oder unterbeanspruchen – abhängig von der jeweiligen Situation.
Ist eine überbeanspruchte Stärke nicht einfach eine Schwäche?
Niemiec: Nein, aus meiner Sichtkann das Wort Schwäche irreführend sein. Denn Ihre unter- oder überbeanspruchte Stärke in einem Moment könnte in einer anderen Situation ganz richtig und hilfreich sein! Es verändert den Fokus, wenn man hier von Schwächen spricht! Wenn ich etwa sage, dass ich meine Neugier oder meine Kreativität oder meine Teamwork-Fähigkeit in einer Besprechung unterbeansprucht habe, dann gibt mir das eine andere Perspektive als wenn ich von „Schwächen“ spreche. Die Lösung ist dann nämlich ganz einfach: Ich muss nur meine Teamwork-Fähigkeit ein bisschen mehr nutzen in dieser Situation. Das ist etwas ganz anderes als zu sagen und zu denken, hey Ryan, da bist du richtig schwach.
Ist es komplett falsch, von „Schwächen“zu sprechen?
Niemiec: Nein, es ist nicht falsch, das Wort Schwäche zu benutzen. Aber es ist eine andere Kategorie und es verändert das Gespräch. Es wird schlechter aufgenommen bei den Menschen. Sie gehen in Abwehrhaltung und dann geht das Gespräch in eine andere Richtung.
Gene, Erziehung, meine eigenen Entscheidungen: Was hat welchen Einfluss auf meineStärken?
Niemiec: Alle Dinge, die Sie genannt haben, sind wichtig. Die Wissenschaft ist noch nicht fortgeschritten genug, um uns irgendwelche Prozentzahlen von alldem zu zu liefern. Eines ist aber klar: UnserCharakter verändert sich, wir können unsere Stärken entwickeln. Das ist etwas Neues, das wir vor – sagen wir 10, 15 Jahren nicht wussten. Wir dachten, unsere Persönlichkeit bliebe felsenfest über die Jahrzehnte. Aber wir können darauf Einfluss nehmen. Und wir wissen, dass verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Veränderung unserer Lebensrollen.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, wenn jemand zum Militär geht, dann sind ziemlich große Veränderungen unserer Lebensrollen, so etwas kann Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben, auf unsere Charakterstärken. Auch traumatische Ereignisse haben Auswirkungen auf unseren Charakter. Solche Dinge können uns helfen, unsere Charakterstärken zu verbessern und wir wachsen daran – oder es kann manche Menschen zerstören. Und wir wissen auch, dass absichtliche Eingriffe, also das Festigen von Dankbarkeit oder von mehr Hoffnung im Leben, Führungskräften dabei helfen kann, nachweisbar mehr aus ihrem Team herauszuholen.Denn die Vorbildfunktion ist für uns Menschen sehr wichtig, wir lernen enorm viel durch das Beobachten von Vorbildern, die besonders viel Hoffnung, Liebe, Freundlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsichtigkeit oder Versöhnlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wo wir gerade über Vorbilder sprechen und über das Lernen durch Nachahmung: Wie verbessere ich die Stärken meines Kindes, ohne seine Schwächen zu vernachlässigen?
Niemiec: Wissen Sie, ich bin Vater dreier Kinder, und ich stelle immer wieder fest, dass wir Eltern stark darauf gepolt sind, in unseren Kindern darauf zu schauen, was falsch läuft.
Eine typische elterliche Schwäche?
Niemiec: Nein, ich würde ehersagen, dass dies eine großartige Qualität ist. Wir sind nämlich in der Lage, Unstimmigkeiten in unserer Umwelt zu sehen, wir sind imstande Gefahren zu erkennen, wir können negative Dinge sehen, Schwächen und Probleme kilometerweit ausmachen.Oh, er macht sich nicht allzu gut auf dem Fußballfeld, oh, er kriegt nicht nur Einser, oh, es sieht aus,als ob er sich musikalisch nicht so entwickelt wie ich oder wie das Nachbarkind. Wir sind also imstande diese Dinge sehr gut zu erkennen, und wir werden darauf reagieren – mit welchem Ansatz auch immer.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Niemiec: Die Frage ist,können wir neben den Schwächen auch die besten Qualitäten in unseren Kindern sehen? Sieerkennen, wenn Ihr Kind ein Mut beweisen hat in einer schwierigen Situation einem Lehrer. Sie bemerken die Teamwork-Fähigkeit Ihres Kindes, wenn Sie mit Freunden auf dem Spielplatzsind. Und wenn wir das erkennen – sagen wir das unserem Kind oder dem Nachbarkind? Können wir das verstärken, um es sozusagen aufzubauen?Und das können die meisten von uns Eltern verbessern. Denn es gibt immer mehr Studien zur Kindererziehung, die besagten, dass dasBewusstsein für Stärken und deren Nutzung sehr wichtig sind in der Kindererziehung.
Lassen Sie uns überden Einsatz von Stärken im Beruf sprechen! Wie kann ich als Führungsperson meine eigenen Stärkenausbauen – undwie helfe ich meinen Mitarbeitern, ihre Stärken zu entwickeln?
Niemiec: Beides hängt miteinander zusammen, denn beides beginnt mit Selbsterkenntnis. Ich könnte zum Beispiel den Via-Stärkentest machen und dabei meiner Hauptstärken erforschen. Und der Frage nachgehen: Wie nutze ich diese meine fünf oder sieben Hauptstärken als Führungskraft in meinem Büroalltag? Wie kann ich mich mit ihnen noch besser verbinden und sicherstellen, dass ich sie täglich in meinen Führungsstil nutze? Wer das tut, ist als Führungskraft schon mal viel klüger, authentischer.
Das ist Schritt eins...
Niemiec: Genau. Und dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dazu anhalten, dass auch jeder einzelne den Via-Test macht, um die eigenen größten Stärken zu identifizieren Und zwar nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen, warum sie wichtig sind, warum sie Ihr Team stärken, warum sie dabei helfen, bestimmte Dinge besonders gut zu machen! Und das könnte dann auch ein Teil des Mitarbeitergespräches sein. Sie als Leitungsperson können zum Beispiel mit Ihren Mitarbeitern darüber ins Gespräch kommen, wie sie in der E-Mail-Kommunikation, beim Organisieren von Meetings oder bei was auch immer deren Fähigkeiten stärker ausleben können. Und wir wissen aus verschiedenen Forschungsergebnissen, dass diese Form von Unterstützung durch den Vorgesetzten enorme Auswirkungen hat auf die Performance und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter!Kennt der Vorgesetzte die Charakterstärken seiner Untergebenen, fühlen diese sich unterstützt und wertgeschätzt.
Ryan, an den Forscher in Ihnen gefragt:Was werden wir in zehn Jahren über Stärken wissen, was wir jetzt noch nicht wissen?
Niemiec: Da die Forschung in diesem Bereich noch relativ jung ist, gibt es mehr Dinge, die wir nicht wissen als Dinge, die wir wissen. Uns fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber,wie sich Charakterstärken miteinander verbinden. Wir bringen ja niemals nur eine Stärke zum Ausdruck, so wie Sie und ich gerade über Arbeit sprachen: Wir beide brachten da unsere Neugier ein, unsere Führungserfahrung, unseren Einsatz zum Ausdruck, in vielen Situationen sind viele Stärken gleichzeitig im Spiel. Aber gibt es Stärken, die aneinander gekoppelt sind, die mit bestimmten Stärken besser harmonieren als mit anderen, oder mit gewissen Stärken sogar kollidieren – das müssen wir noch herausfinden. Dazu wird es in den kommenden Jahren viele Studien geben. Eine ganz andere Frage ist die Makroebene.
Was meinen Sie damit?
Niemiec: Es gibt zum Beispiel erste Schulen, die die Charakterstärken ihrer Schüler zu stärken versuchen. IBM in Australien arbeitet in eine ähnliche Richtung, ich weiß noch von einer großen Physiotherapieeinrichtung in den USA, die allesamt mit Stärken arbeiten. Wie beeinflussen sich Charakterstärken auf so einer größeren ebene? Oder könnte man mit den Charakterstärken tief und systematisch über eine ganze Stadt verbreitet arbeiten? Oder gar ein ganzes Land? Welche Stärke das dieser Stadt bringen würde, um Probleme bewältigen zu können, um Gewalttaten vorzubeugen, um – pathetisch gesprochen – die Macht des Guten in der Welt zu fördern?Ich weiß nicht, ob wir auf diese Fragen schon in zehn Jahren antworten können. Vielleicht braucht es noch 20 oder 30 Jahre.
Eine letzte Frage, Ryan, oder genauer gesagt zwei Fragen in einer: Sie haben Ihren Arbeitstag mehr oder weniger zur Hälfte geschafft, es ist fast zwei Uhrnachmittags. Von welchen Ihrer Stärken haben Sie heute bereits Gebrauch gemacht? Und welche Stärken werden Sie in der zweiten Tageshälfte nutzen?
Niemiec:Puh, nehmen wir zum Beispiel dieses Interview: Sie habenmich vor ein paar Herausforderungen gestellt, auf einige Fragen konnte ich leicht antworten, auf andere nicht. Die Charakterstärke, die ich also hier besonders nutzen musste, war mein kritisches Urteilsvermögen. So dass ich tatsächlich Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ins Detail gehen musste. Sie haben mich dabei unterstützt. Danke!
Bitte, gern geschehen...
Niemiec: Und welche Stärke werde ich noch nutzen? Ich treffe jetzt gleich eine ehemalige Mitarbeiterin und inzwischen gute Freundin. Ich werde dabei wohl meine Hauptstärken nutzen, und zwar Liebe im Sinne von Wärme und Echtheit. Aber ich werde auch neugierig sein, ihr mit einer Art Offenheit gegenübertreten, um zu sehen, welche Ideen sie hat und wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellt. Welche Stärke haben Sie denn in diesem Interview einsetzen können?
Äh, da muss ich nachdenken... Nun, ich musste mein Aufnahmegerät, das zunächst nicht funktionierte, zum Laufen bringen und mich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann ist es auch immer eine gewisse Herausforderung für mich, ein Gespräch auf Englisch zu führen, weil ich gerne präziser fragen und mehr auf den Punkt kommen würde. Aber eine meiner Stärken ist ein gewisserPragmatismus im Sinne von: „Er wird schon so ungefährverstehen was ich ihn fragen will...“
Niemiec: Also eine gewisse Selbstbeherrschung, ja, das habe ich bemerkt. Und ich fand, Sie haben das sehr präzise auf den Punkt gebracht, das ist eine Ihrer Stärken, die Sie sicher gut in vielen Situationen einsetzen können. Manchmal erklären mir Journalisten in einem Interview fünf Minuten ein Beispiel –davon waren Sie weit entfernt.
Auf der Website von Ryan Niemiec finden sich zahlreiche Tipps zum Umgang mit Stärken. Sein neues Buch "The Strengths-Based Workbook for Stress Relief erscheint in Kürze.
Der israelische Psychologe Haim Omer will mit seinem Konzept der "Neuen Autorität" Eltern, Erzieher, Lehrer im Umgang mit schwierigen Kindern stärken. Ich habe ihn für Nido interviewt, hier geht es zum Text.
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Christian Thiele
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